EU-Außenbeauftragter in Ukraine mit Hilfszusagen - Nacht im Überblick

01.10.2023 05:00

Mit einer neuen Allianz internationaler Rüstungskonzerne will die
Ukraine zu einem weltweit führenden Waffenproduzenten werden. Derweil
sichert der EU-Außenbeauftragte Borrell dem Land Hilfe zu. Ein
Überblick zum Geschehen in der Nacht und ein Ausblick auf den Tag.

Odessa/Moskau/Washington (dpa) - Der EU-Außenbeauftragte Josep
Borrell hat bei einem Besuch in der Ukraine dem Land Unterstützung
für den Kampf gegen Russlands Angriffskrieg und Hilfe für einen
EU-Beitritt zugesichert. Die Ukraine brauche intakte
Sicherheitsstrukturen für einen Beitritt zur Europäischen Union,
sagte Borrell am Samstag in der ukrainischen Hafenstadt Odessa.
Derweil forderte US-Präsident Joe Biden nach der Abstimmung im
US-Kongress über die Abwendung eines Stillstands der
Regierungsgeschäfte schnell weitere Unterstützung für die Ukraine.
Die US-Unterstützung für das Land dürfe nicht unterbrochen werden.

Borrell besichtigte in Odessa die für die Welternährung wichtigen
Anlagen zum Export von Getreide über das Schwarze Meer. Borrell warf
Kremlchef Wladimir Putin vor, mit der Blockade und der Bombardierung
der Häfen das ukrainische Getreide vom Weltmarkt fernzuhalten und
Hunger als Waffe zu nutzen. Borrell sprach vor einem schwer
beschädigten Hafengebäude von einer «barbarischen Zerstörung». Es

müsse alles getan werden dafür, dass das Getreide weiter auf den
Weltmarkt komme, betonte er. Dafür schaffe die EU alternative
«Solidaritätsrouten», über die bisher mehr als 50 Millionen Getreid
e
und Lebensmittel das Land verlassen hätten.

Borrell verurteilte einmal mehr die Annexion der vier ukrainischen
Regionen Cherson, Saporischschja, Luhansk und Donezk, während
Russland den ersten Jahrestag der Aufnahme der Gebiete in sein
Staatsgebiet feierte. «Wir als Europäische Union unterstützen die
Ukraine in ihrem Kampf um die Wiederherstellung ihrer territorialen
Integrität», sagte Borrell.

Zu dem weiteren Programm der aus Sicherheitsgründen nicht vorab
angekündigten Reise Borrells gab es zunächst keine Angaben. Vor knapp
zwei Wochen hatte der Spanier angekündigt, dass er eine Zusammenkunft
der Außenminister der 27 EU-Staaten in Kiew organisieren werde. Für
die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock wäre der Termin der
zweite in der ukrainischen Hauptstadt innerhalb weniger Wochen. Die
Grünen-Politikerin hatte erst am 11. September Kiew besucht.

Als ein Thema für das geplante EU-Treffen nannte Borrell seinen
Vorschlag, der Ukraine längerfristige Finanzierungszusagen für
Militärhilfen zu machen und mit EU-Geld auch die Lieferung moderner
Kampfjets und Raketen zu unterstützen. So will er von 2024 bis Ende
2027 jährlich fünf Milliarden Euro mobilisieren. Zudem dürfte es
zumindest am Rande um die EU-Beitrittsperspektive für die Ukraine
gehen.

Selenskyj: Allianz der internationalen Rüstungsindustrie gegründet

In der ukrainischen Hauptstadt Kiew kamen derweil bei einem
internationalen Rüstungsforum 252 Unternehmen aus mehr als 30 Ländern
zusammen. Der ukrainische Präsident Wolodomyr Selenskyj verkündete
dabei die Gründung einer Allianz der Verteidigungsindustrie, der sich
38 Unternehmen aus 19 Ländern, darunter auch Deutschland,
angeschlossen hätten. In seiner abendlichen Videobotschaft sprach er
von einem sehr erfolgreichen Treffen, das helfen solle, das Land zu
einem weltweit führenden Waffenproduzenten zu machen.

Priorität habe die Entwicklung einer modernen Verteidigungsindustrie
in der Ukraine, sagte Selenskyj. Hergestellt werden sollen demnach in
Zusammenarbeit mit führenden Unternehmen etwa Raketen, Drohnen und
Artilleriegeschosse, aber auch Panzertechnik und effektive
Flugabwehrsysteme, sagte er. Die Mitglieder der Allianz sollten
gemeinsam mit der Ukraine ein Arsenal aufbauen.

Biden: US-Unterstützung für Ukraine darf nicht unterbrochen werden

US-Präsident Biden forderte nach der Abstimmung im US-Kongress über
die Abwendung eines Stillstands der Regierungsgeschäfte schnell
weitere Unterstützung für die Ukraine. Die Einigung sei zwar «eine
gute Nachricht» für die Menschen im Land, teilte der Demokrat am
Samstagabend (Ortszeit) mit. «Wir können unter keinen Umständen
zulassen, dass die amerikanische Unterstützung für die Ukraine
unterbrochen wird», mahnte er. Der Kongress hatte zuvor einen
Übergangshaushalt bis Mitte November verabschiedet und so einen
sogenannten Shutdown abgewendet.

Biden musste das Gesetz noch unterzeichnen. Die Einigung enthält
allerdings keine weitere Unterstützung für die Ukraine. Die Spitzen
der Demokraten und Republikaner kündigten im Zuge der Abstimmung an,
dafür zu sorgen, dass so schnell wie möglich über zusätzliche
Unterstützung für das angegriffene Land abgestimmt werden soll.

Ein Jahr Annexion: Putin sichert Regionen Wiederaufbau zu

Russland machte indes deutlich, von seinen Kriegszielen nicht
abzulassen. Der Vizechef des russischen nationalen Sicherheitsrates,
Dmitri Medwedew, teilte bei Telegram zum Jahrestag der Annexion der
vier Gebiete mit, dass Russland weitere Regionen in der Ukraine
einnehmen wolle. Der Krieg werde weitergehen bis zur «vollen
Vernichtung des nazistischen Kiewer Regimes», sagte der Ex-Präsident.

Zuvor hatte Kremlchef Putin einen Wiederaufbau der vom Krieg
zerstörten Regionen zugesichert. Es würden «Schulen, Krankenhäuser,

Wohngebäude und Straßen, Museen und Denkmäler» wieder aufgebaut und

neu errichtet, sagte Putin in einer am Samstag vom Kreml
veröffentlichten Videobotschaft.

Putin hatte unter Bruch des Völkerrechts und nach international nicht
anerkannten Referenden mit den Besatzungschefs der vier Regionen am
30. September 2022 Verträge über die Aufnahme in die Russische
Föderation unterschrieben. Auch nach mehr als anderthalb Jahren Krieg
kontrolliert Russland keine der vier annektierten Regionen komplett.

Was am Sonntag wichtig wird

Die Ukraine begeht den Tag der Verteidiger des Landes. Es sollten vor
allem jene geehrt werden, die ihr Leben für den Unabhängigkeitskampf
des Landes gegeben haben, sagte Selenskyj. Um 9.00 Uhr Ortszeit (8.00
Uhr MESZ) soll das öffentliche Leben für eine nationale
Schweigeminute zum Erliegen kommen.