«Warnschuss an China»: EU will Rohstoffversorgung breiter aufstellen
14.11.2023 06:43
Die EU ist bei der Versorgung mit kritischen Rohstoffen zum Teil
extrem abhängig von einzelnen Drittstaaten. Das soll sich nun bis
2030 grundlegend ändern.
Brüssel (dpa) - Die EU will mit einem neuen Regelwerk eine
zuverlässige und nachhaltige Versorgung mit kritischen Rohstoffen wie
Lithium und Silizium sicherstellen. Vertreter der Regierungen der
Mitgliedstaaten und des Europaparlaments einigten sich am Montagabend
auf einen Text für eine entsprechende Verordnung. Sie soll
insbesondere Veredelung, Verarbeitung und Recycling von kritischen
Rohstoffen in Europa fördern, um die Abhängigkeit von Ländern wie
China zu reduzieren.
Vereinbart wurden dafür nach Angaben der EU-Kommission auch
Richtwerte für die verschiedenen Stufen der Wertschöpfungskette. Sie
sehen unter anderem vor, die Verarbeitungskapazität der EU für
kritische Rohstoffe so zu steigern, dass bis 2030 mindestens 40
Prozent des jährlichen Verbrauchs in der Union erzeugt werden können.
Zudem soll mindestens 25 Prozent des jährlichen Verbrauchs über
Recyclingkapazitäten der EU gedeckt werden.
Darüber hinaus will sich die EU das Ziel setzen, die externe
Versorgung der EU mit strategisch besonders wichtigen kritischen
Rohstoffen zu diversifizieren. Sichergestellt werden soll demnach,
dass kein Drittland mehr als 65 Prozent des Jahresverbrauchs der
Union deckt - wobei sich der Richtwert auf alle als strategisch
eingestuften Rohstoffe auf jeder relevanten Verarbeitungsstufe
bezieht.
Strategische Partnerschaften
«Mit gezielten wirtschaftlichen Anreizen schaffen wir echte
Planungssicherheit für private Investoren - etwa durch zentrale
Anlaufstellen für Unternehmen sowie schnelle und einfache
Genehmigungsverfahren mit klaren Fristen für nationale Behörden»,
erklärte die Parlamentsvizepräsidentin Nicola Beer (FDP). Durch einen
Rahmen für strategische Rohstoffpartnerschaften mit Drittstaaten
werde die EU zudem zum attraktiven Partner im geopolitischen
Wettbewerb.
Die Berichterstatterin der christdemokratischen EVP-Fraktion,
Hildegard Bentele (CDU), nannte die Verordnung wegen der
Diversifizierungsziele auch einen «Warnschuss an China». Das Land
gilt derzeit noch als ein sehr wichtiger Lieferant der EU.
Abhängigkeit von China bereitet Sorgen
Die EU-Kommission hatte im März zur Vorstellung ihres Entwurfs für
die Verordnung erklärt, kritische Rohstoffe seien für ein breites
Spektrum von Technologien für den Klimaschutz, aber auch für
Digitales, Weltraum und Verteidigung unverzichtbar. Zugleich gehe
aber die Versorgung mit den Stoffen mit zunehmenden geopolitischen,
ökologischen und sozialen Risiken einher. So bestünden in der EU
Abhängigkeiten bei mehreren kritischen Rohstoffen und häufig werde
über 90 Prozent des Bedarfs der EU durch ein einziges Drittland
gedeckt.
Als Beispiel nannte die EU-Kommission Seltene Erden, die zum Bau von
Dauermagneten für die Motoren von Windkraftanlagen gebraucht werden.
Diese wurden den Behördenangaben zufolge bis zuletzt zu 100 Prozent
in China raffiniert. Als ein weiteres Beispiel für einen kritischen
Rohstoff gilt Lithium, das in Batterien für Elektrofahrzeuge und zur
Speicherung von Energie verwendet wird. Die Nachfrage nach dem
Leichtmetall wird Angaben der EU zufolge bis 2030 vermutlich um das
Zwölffache steigen. Zudem ist etwa Silizium äußerst relevant, das f
ür
die Produktion von Mikrochips gebraucht wird.
Insgesamt sollen nach Angaben des Rates der Mitgliedstaaten 34
Rohstoffe als kritisch eingestuft werden. Die separate Liste der
strategisch wichtigen Rohstoffe wird der Vereinbarung zufolge vorerst
17 Einträge haben. Der Deal muss nun noch durch den Rat der
Mitgliedstaaten und das Plenum des Europaparlaments bestätigt werden.
Dies gilt allerdings als Formalie.