Pistorius: EU-Plan für Munitionslieferung an Ukraine dürfte scheitern

14.11.2023 13:29

Deutschland rechnet mit einem unangenehmen Scheitern des
EU-Munitionsplans für die Ukraine. Wer dafür die Verantwortung trägt,

ist umstritten.

Brüssel (dpa) - Verteidigungsminister Boris Pistorius erwartet ein
Scheitern der EU-Pläne für die Lieferung von einer Million
Artilleriegeschosse an die Ukraine bis zum Frühjahr 2024. «Die eine
Million werden nicht erreicht. Davon muss man ausgehen», sagte der
SPD-Politiker am Dienstag bei einem EU-Verteidigungsministertreffen
in Brüssel. Grund seien unzureichende Produktionskapazitäten.

Deutschland habe mit dem Abschluss von Rahmenverträgen einen großen
Teil dazu beigetragen, dass die Kapazitäten vergrößert werden könne
n,
erklärte Pistorius. Die Produktionsprozesse seien aber «wie sie
sind». Nicht einmal ein Beschluss über eine Kriegswirtschaft könnte
dazu führen, dass die Produktion morgen anspringt und der Bedarf
gedeckt wird.

Pistorius machte zudem deutlich, dass er schon immer Zweifel an dem
im März ausgegebenen EU-Ziel hatte. «Ich habe keine eine Million
versprochen - bewusst nicht», sagte er. Es habe bereits vor dem
Beschluss Stimmen gegeben, die gesagt hätten: «Vorsicht, eine Million
ist leicht zu beschließen, und das Geld ist da - aber die Produktion
muss da sein.» Die mahnenden Stimmen hätten jetzt leider recht.

EU-Chefdiplomat erwägt Zwangsmaßnahmen

Einigkeit über die Frage der Verantwortung gibt es allerdings nicht.
Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell betonte am Dienstag, das
Problem seien seiner Auffassung nach nicht die Industriekapazitäten.
Etwa 40 Prozent der Produktion werde derzeit in Drittländer
exportiert. Dass nicht genug Munition da sei, liege also daran, dass
die Unternehmen ihre Produkte auf andere Märkte schickten.
«Vielleicht müssen wir also versuchen, diese Produktion auf den
vorrangigen Markt zu verlagern, nämlich den ukrainischen.»

Ähnlich äußerte sich EU-Industriekommissar Thierry Breton. Er sagte,

die EU-Staaten müssten nun sicherstellen, dass die Produktion, die
auf ihrem Territorium stattfinde, vorrangig für die Ukraine bestimmt
sei. Seinen Angaben zufolge sollte es möglich sein, ab dem Frühjahr
in der EU mehr als eine Million Schuss Munition jährlich zu
produzieren.

Erst rund 300 000 Geschosse geliefert

Die Fortschritte der EU bei der Unterstützung der Ukraine und
Hilfspläne für die Zukunft standen am Dienstag als Topthema auf der
Tagesordnung des Verteidigungsministertreffen in Brüssel. Die
EU-Staaten hatten der Ukraine am 20. März versprochen, innerhalb von
zwölf Monaten eine Million neue Artilleriegeschosse für den
Abwehrkrieg gegen Russland bereitzustellen. Sie sollen aus den
Beständen der Mitgliedstaaten, aber auch über neue gemeinsame
Beschaffungsprojekte organisiert werden und Engpässe der ukrainischen
Streitkräfte verhindern. Nach Angaben Borrells konnten bislang
allerdings erst etwa 300 000 der in Aussicht gestellten
Artilleriegranaten geliefert werden.

Der estnische Verteidigungsminister Hanno Pevkur kritisierte, es
könne nicht sein, dass Nordkorea Russland Geschosse liefere, die EU
aber nicht die Ukraine versorgen könne. Man müsse einfach mehr
beschaffen und mehr kaufen. Der lettische Verteidigungsminister
Andris Spruds forderte «Ehrgeiz und Ambitionen».

Gute Nachrichten in dieser Hinsicht gab es für die Ukraine zumindest
von Pistorius. Er bestätigte, dass die Bundesregierung die
Haushaltsmittel für Militärhilfe für die Ukraine im kommenden Jahr
deutlich aufstocken will. Statt der ursprünglich veranschlagten vier
Milliarden Euro sind im Etat für 2024 nun acht Milliarden Euro
vorgesehen.

Zusätzlich sollen die sogenannten Verpflichtungsermächtigungen für
die militärische Unterstützung der von Russland angegriffenen Ukraine
um zwei Milliarden Euro aufgestockt werden. Dabei geht es um
Ausgaben, die erst in den Folgejahren zu Buche schlagen. Für die
Haushaltsjahre 2025 bis 2028 sind nun insgesamt sechs Milliarden Euro
vorgesehen.