Ukraine will Landwirtschaft für EU modernisieren
15.11.2023 15:07
Die Ukraine strebt in die EU, muss vorher aber einige Hausaufgaben
erledigen. Für die in dem Kriegsland wichtige Landwirtschaft bedeutet
das erhebliche Umbrüche.
Hannover (dpa/lni) - Die Ukraine will mit Blick auf einen möglichen
EU-Betritt ihre Landwirtschaft grundlegend modernisieren. «Wir wollen
den Wiederaufbau nach dem Krieg nutzen, um unsere Landwirtschaft
nachhaltiger auszurichten», sagte Mykola Melnyk vom ukrainischen
Landwirtschaftsministerium bei einer Diskussionsrunde auf der
Agrartechnikmesse Agritechnica in Hannover. Der in Aussicht stehende
EU-Betritt erhöhe nun noch einmal den Druck auf Kiew. Allein im
Agrarbereich müssten 12 000 EU-Rechtsakte in nationales Recht
umgesetzt werden. «Es ist uns klar, dass wir viel zu tun haben.»
Deutschland sagte dem Land dabei Hilfe zu. «Sie können sich sicher
sein, dass wir Sie in diesem Bestreben unterstützen», sagte
Landwirtschafts-Staatssekretärin Claudia Müller (Grüne). «Wir stehe
n
an ihrer Seite.» Die Bundesrepublik könne hier ihre europäischen
Erfahrungen einbringen. Zudem wolle man alternative Exportrouten für
ukrainische Agrarprodukte erschließen und bei der Minenbeseitigung
auf den Feldern helfen.
«Wir hatten ehrgeizige Pläne, was die Produktion von Getreide
angeht», sagte Melnyk. Die Weizenernte des wichtigen Exporteurs
sollte von 86 Millionen Tonnen im Jahr 2021 auf 100 Millionen Tonnen
erhöht werden. Doch nach dem Angriff Russlands im Februar 2022 habe
sich die Anbaufläche um ein Viertel verringert. Die
Getreideproduktion sei dadurch um mehr als ein Drittel gesunken.
Zudem erschwere die Blockade des Schwarzmeerhafens Odessa den Export.
Die Agrar-Ausfuhr sei dadurch seit 2021 um gut ein Viertel auf
voraussichtlich 50 Millionen Tonnen in diesem Jahr gesunken. Melnyk:
«Die russische Aggression hat das Wachstum gestoppt.»
Die Ukraine gilt als einer der wichtigsten Getreidelieferanten der
Welt. Vor dem Überfall Russlands habe das Land «die Versorgung von
600 Millionen Menschen auf der gesamten Welt gesichert», sagte der
Vertreter aus dem Kiewer Agrarministerium. Auch bei Mais und
Sonnenblumenöl gehöre das Land zu den wichtigsten Herstellern.
«Das größte Problem besteht derzeit nicht in der Produktion, sondern
im Export», sagte Melnyk. Statt über den von Russland blockierten
Schwarzmeerhafen Odessa fahre man die Produkte verstärkt mit
Binnenschiffen über die Donau aus. Dort würden nun die dafür
notwendigen Anlagen ausgebaut.
Wegen des erschwerten Exports hätten die Bauern nun begonnen, statt
des vor allem fürs Ausland bestimmten Weizens mehr Soja und
Sonnenblumenöl zu produzieren, so Melnyk. Zudem habe das wegbrechende
Auslandsgeschäft zu einem Preisverfall im Land selbst geführt, weil
die Bauern ihre Produkte jetzt vermehrt im Inland anbieten.
«Der Agrarsektor leidet seit zwei Jahren unter Verlusten», sagte
Oleksandra Avramenko vom ukrainischen Landwirtschaftsverband UCAB.
Das mache es den Betrieben schwer, das Geld für die notwendige
Transformation aufzubringen. Sie hoffe daher auf Unterstützung und
Fördergelder aus Brüssel.
Nachdem die Ukraine 2022 zum EU-Beitrittskandidaten erklärt worden
war, empfahl Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen vergangene
Woche, Verhandlungen zu beginnen. Sie sieht das Land auf gutem Weg,
entsprechende Vorgaben zu erfüllen.