Zehn weitere Jahre für Glyphosat - Was es mit dem Mittel auf sich hat Von Sebastian Fischer und Marek Majewsky, dpa
16.11.2023 11:03
Die EU-Kommission wird den Einsatz des umstrittenen
Unkrautvernichters Glyphosat weiter erlauben. Um das Mittel gibt es
heftigen Streit. Dabei geht es etwa um mögliche Gefahren für Mensch
en
und Umwelt.
Berlin (dpa) - Glyphosat wird in hohen Mengen in der Landwirtschaft
gegen Unkraut eingesetzt. In der EU wird das auch so bleiben. Von
Umweltverbänden und aus der Wissenschaft kommt teils deutliche Kritik
an dem Mittel. Doch was hat es damit auf sich?
Wie wirkt Glyphosat?
Das Unkrautbekämpfungsmittel wirkt auf fast alle Grünpflanzen und hat
ein so breites Spektrum wie kaum ein anderer Pflanzenvernichter. Die
Substanz kommt in der Natur nicht vor. Sie blockiert in den Gewächsen
ein Enzym, das diese zur Herstellung lebenswichtiger Aminosäuren
benötigen. Es kommt in Pilzen und Mikroorganismen ebenfalls vor,
nicht jedoch bei Tieren und Menschen. Glyphosat wird nicht über die
Wurzeln, sondern über grüne Bestandteile wie die Blätter aufgenommen.
Der Stoff verteilt sich und bewirkt, dass eine Pflanze vollständig
verwelkt und abstirbt.
Wie viel Glyphosat wird eingesetzt?
Der frühere US-Hersteller Monsanto, der nun zum Bayer-Konzern gehört,
führte das Mittel 1974 unter dem Handelsnamen «Roundup» ein. Heute
macht die Substanz nach Angaben der Glyphosate Renewal Group - eines
Zusammenschlusses von Unternehmen, die das Mittel vertreiben - rund
25 Prozent des weltweiten Herbizidmarktes aus. In Deutschland wurden
nach jüngsten Zahlen des Bundesamts für Verbraucherschutz und
Lebensmittelsicherheit im Jahr 2021 knapp 4100 Tonnen abgesetzt.
Wo kommt das Mittel zum Einsatz?
Der weitaus überwiegende Teil entfällt in Deutschland auf die
Landwirtschaft. Es wird aber auch im Gartenbau eingesetzt. Nach
Angaben des Deutschen Bauernverbandes kommt Glyphosat auf rund 37
Prozent der Ackerflächen zum Einsatz. Damit sollen die Felder vor
oder kurz nach der Aussaat und erneut nach der Ernte unkrautfrei
gehalten werden.
Wo begegnet Verbrauchern Glyphosat?
Direkt im eigenen Garten und indirekt im Supermarkt. Für Beete und
Rabatten gibt es Pflanzenschutzmittel, in denen Glyphosat steckt.
Wegen des Einsatzes in der Landwirtschaft finden sich auch Spuren des
Wirkstoffs in Nahrungsmitteln - und zwar nicht nur in denen, die
direkt vom Feld kommen. Über Futtermittel kann es etwa ins Fleisch
gelangen, erklärt die Verbraucherzentrale Hamburg. Auch in anderen
Produkten wie Bier wurde schon Glyphosat entdeckt. Die Menge sei aber
unbedenklich, schreibt etwa das Bundesinstitut für Risikobewertung.
Wer kein Glyphosat konsumieren will, sollte zu Bio-Produkten greifen.
Warum ist Glyphosat unter Umweltaspekten umstritten?
Durch weniger Wildpflanzen auf und neben den Feldern gibt es
geringeren Lebensraum für Insekten und Feldvögel. Das schadet auch
der Landwirtschaft selbst, denn deren Erträge hängen maßgeblich von
bestäubenden Insekten ab. Und das Herbizid findet sich letztlich in
der gesamten Nahrungskette - bis hin zu Säugetieren. Eine Studie der
Universität Konstanz kommt zu dem Schluss, dass Glyphosat die
Lernfähigkeit von Hummeln beeinträchtigt, was ihre Fortpflanzungs-
und Überlebenschancen verringere.
Ist Glyphosat krebserregend?
Darum kreist seit Jahren eine Debatte. Die Internationale Agentur für
Krebsforschung, ein Gremium der Weltgesundheitsorganisation, stuft
das Mittel 2015 als «wahrscheinlich krebserregend beim Menschen» ein.
Das bedeutet, dass eine Krebsgefahr grundsätzlich möglich ist. In
diese Kategorie fällt aber genauso rohes und verarbeitetes Fleisch.
Im Gegensatz dazu schrieb etwa die Europäische Chemikalienagentur
erst 2022 erneut, dass die wissenschaftlichen Erkenntnisse nicht
genügten, um Glyphosat als krebserregenden, genverändernden oder
fortpflanzungsgefährdenden Stoff einzustufen. Auch kommen unter
anderen die EU-Behörde für Lebensmittelsicherheit, das deutsche
Bundesinstitut für Risikobewertung und die US-Umweltbehörde EPA zu
einem solchen Schluss. Genauso weist Glyphosat-Hersteller Bayer den
Verdacht zurück, dass der Unkrautvernichter krebserregend sei.
Dennoch ist der Konzern in den USA mit zahlreichen Klagen
konfrontiert. Bayer musste in bestimmten Fällen hohen Schadenersatz
zahlen, hat andererseits aber auch Prozesse gewonnen.