Linke will mit Carola Rackete und Gerhard Trabert ins EU-Parlament

17.11.2023 09:02

Augsburg (dpa) - Diese Personalie war eine Überraschung: Die
parteilose Flüchtlings- und Klimaaktivistin Carola Rackete will für
die Linke ins Europaparlament. Im Spitzenduo mit Parteichef Martin
Schirdewan soll die ehemalige Seenotretterin den Wahlkampf der
angeschlagenen Partei vor der Europawahl im Juni prägen. Am
Wochenende wird die Kandidatenliste bei einem Parteitag in Augsburg
beschlossen. Die vier Spitzenplätze:

- Martin Schirdewan: Der Bundesvorsitzende der deutschen Linken ist
bereits Co-Chef der Linksfraktion GUE/NGL im Europaparlament und
kandidiert wieder auf Platz eins der Liste zur Europawahl. Der
promovierte Politikwissenschaftler wurde 1975 in Ostberlin geboren.
Er ist Enkel von Karl Schirdewan, eines zu DDR-Zeiten in Ungnade
gefallenen und gestürzten SED-Politbüromitglieds. Martin Schirdewan
kam 2017 als Nachrücker ins Europaparlament und war 2019 schon einmal
Linken-Spitzenkandidat. Damals holte seine Partei in Deutschland 5,5
Prozent und fünf Mandate. In Brüssel gilt er als kompromissfähiger
Pragmatiker.

- Carola Rackete: Auf Platz zwei der Liste soll die parteilose
Aktivistin junge «Bewegungslinke» mobilisieren. Die 35-jährige
Kapitänin wurde 2019 international bekannt, als sie mit aus Seenot
geretteten Flüchtlingen auf dem Schiff «Sea Watch 3» trotz eines
Verbots der italienischen Behörden die Insel Lampedusa anlief. Ein
Strafverfahren wurde 2021 eingestellt. Ihr damaliger Widersacher
Matteo Salvini von der rechten Lega - zeitweise italienischer
Innenminister - reagierte auf Racketes Nominierung im Juli empört.
Die Linke nimmt das als Beweis, dass sie mit der Kandidatin «gegen
den Rechtsruck in Europa» genau richtig liege. Rackete, die nach
Nautik auch Naturschutzmanagement studierte, sieht sich selbst
vorrangig als Klimaschützerin.

- Özlem Demirel: Die 1984 in der Türkei geborene Politologin stammt
aus einer kurdischen Familie, mit der sie 1989 nach
Nordrhein-Westfalen floh. Die seit ihrer Schülerzeit gegen Rassismus
aktive Linke engagierte sich zunächst in der Föderation
Demokratischer Arbeitervereine DIDF. Sie saß zeitweise im
nordrhein-westfälischen Landtag und war Gewerkschaftssekretärin bei
Verdi. 2019 war Demirel neben Schirdewan Spitzenkandidatin und zog
als eine von fünf deutschen Linken ins Europaparlament ein. Dort
befasst sich die Gewerkschafterin unter anderem mit Außen- und
Sicherheitspolitik.

- Gerhard Trabert: Auch der 67-jährige «Arzt der Armen» aus Mainz ist

nicht Mitglied der Linken, hat aber schon zweimal für die Partei
kandidiert: als Direktkandidat bei der Bundestagswahl 2021 und als
Kandidat für das Amt des Bundespräsidenten 2022. Beide Male war der
Mediziner chancenlos, erwarb sich aber auch bei anderen Parteien
Respekt. Der Gründer des Vereins Armut und Gesundheit in Deutschland
behandelt seit Jahrzehnten Obdachlose und engagierte sich auch in der
Flüchtlingshilfe. Bei seiner Nominierung im Sommer sagte Trabert, die
Stärke der Rechtspopulisten hänge auch damit zusammen, dass Politiker
zu weit weg von der Lebensrealität seien. Trabert soll hinter Demirel
Platz vier der Liste einnehmen.