Nagel: Höhere Mindestreserve könnte Geldpolitik effizienter machen

17.11.2023 14:00

Sollten Geschäftsbanken im Euroraum mehr Geld unverzinst bei der
Notenbank hinterlegen müssen? Im EZB-Rat wird darüber diskutiert. Der
Bundesbank-Präsident versperrt sich der Idee nicht.

Frankfurt/Main (dpa) - Eine höhere Mindestreserve von Geschäftsbanken
bei der Europäischen Zentralbank (EZB) könnte der Geldpolitik nach
Einschätzung von Bundesbank-Präsident Joachim Nagel zu mehr
Durchschlagskraft verhelfen. «Zum jetzigen Zeitpunkt sehe ich keinen
Grund, eine moderate Erhöhung auszuschließen, um die Effizienz der
Geldpolitik zu verbessern», sagte Nagel am Freitag laut Redetext bei
einem Bankenkongress in Frankfurt. «Nur zur Erinnerung: In den ersten
13 Jahren des Euro lag der Mindestreservesatz bei 2 Prozent.»

Geldhäuser im Euroraum sind verpflichtet, einen bestimmten Betrag auf
ihrem Konto bei der jeweiligen nationalen Notenbank zu halten.
Aktuell liegt diese unverzinste Mindesteinlage für Geschäftsbanken
bei einem Prozent der Kundeneinlagen. Mit einer Erhöhung würde die
EZB der Finanzbranche Liquidität entziehen, womit die Geldpolitik
weiter gestrafft würde.

Nach Jahren mit Null- und Negativzinsen hat die Europäische
Zentralbank (EZB) im Kampf gegen die hohe Inflation die Zinsen im
Euroraum seit Juli 2022 zehnmal in Folge angehoben. Der Leitzins, zu
dem sich Geschäftsbanken frisches Geld bei der Zentralbank besorgen
könnten, liegt mittlerweile bei 4,5 Prozent. Bei ihrer jüngsten
Sitzung im Oktober hatten die Währungshüter auf eine weitere
Zinserhöhung verzichtet.

Noch unklar, ob Zinsgipfel erreicht ist

Ob der Zinsgipfel erreicht ist, sei «noch nicht klar», sagte Nagel in
seiner Rede beim «Frankfurt European Banking Congress». Die Inflation
im Euroraum sei mit einer Gesamtrate von 2,9 Prozent und einer
Kernrate von 4,2 Prozent - also ohne schwankungsanfällige Preise für
Energie und Lebensmittel - im Oktober 2023 «noch zu hoch». Nagel
betonte: «Der EZB-Rat ist entschlossen, die Inflation rechtzeitig zu
seinem mittelfristigen Ziel von 2,0 Prozent zurückzuführen.»

Er hielte es für «unklug», die Zinssätze zu früh wieder zu senken
,
sagte Nagel. Stattdessen müssten die Leitzinsen «für einen
ausreichend langen Zeitraum auf einem hohen Niveau bleiben»,
bekräftigte Nagel. «Wie lange dieser Zeitraum sein wird, lässt sich
zwar nicht genau vorhersagen, aber es ist sehr unwahrscheinlich, dass
er in absehbarer Zeit endet.»