IBM stoppt Werbung bei X nach Platzierung neben Nazi-Beiträgen

17.11.2023 15:29

Der Twitter-Nachfolge X hat das nächstes Hassrede-Problem. IBM stoppt
einen Millionen-Anzeigenetat, nachdem Werbung des Konzerns neben
Hitler-Bildern auftauchte. Und X-Besitzer Elon Musk zieht neue
Vorwürfe auf sich, antisemitischen Ansichten Gehör zu verschaffen.

Armonk (dpa) - Der Computer-Riese IBM stoppt alle Werbung bei Elon
Musks Online-Plattform X (ehemals Twitter), nachdem seine Anzeigen
neben Nazi-Beiträgen entdeckt wurden. IBM dulde keine Hassrede und
untersuche die «absolut inakzeptable Situation», teilte ein Sprecher
am Donnerstag mit. Der Computer-Konzern wollte im Schlussquartal rund
eine Million Dollar bei X ausgeben, wie die «New York Times» unter
Berufung auf interne Nachrichten der Plattform berichtete.

Wenige Stunden zuvor hatte die Organisation Media Matters aufgezeigt,
wie Anzeigen unter anderem von IBM, Apple und dem Software-Konzern
Oracle auf X neben Beiträgen mit positiven Äußerungen über Adolf
Hitler und die Ideologie der Nationalsozialisten auftauchten.

Am Freitag gab auch die EU-Kommission bekannt, vorerst keine Werbung

mehr auf X schalten zu wollen. Eine entsprechende Empfehlung sei an
die Dienstellen der Behörde verschickt worden. Begründet wird der
Schritt mit einer alarmierenden Zunahme von Desinformation und
Hassrede. Wie viel Geld die Kommission für Werbung auf X und anderen
sozialen Netzwerken ausgibt, gab die Behörde zunächst nicht bekannt.


Wenig Einfluss auf Platzierung

Unternehmen und Organisationen haben wenig Einfluss darüber, neben
welchen Beiträgen genau ihre Werbung platziert wird. Die Anzeigen
werden eher mit Bezug auf Alterszielgruppen, bestimmte Gegenden oder
Interessen der Nutzer ausgespielt. Um ein negatives Umfeld für ihre
Marken zu vermeiden, sind die Werbekunden vor allem darauf
angewiesen, dass X Hassrede konsequent von der Plattform fernhält.
Auch andere Online-Dienste hatten in der Vergangenheit ähnliche
Probleme mit ihren Werbekunden, zum Beispiel Googles Videoplattform
YouTube. Sie verschärfte damals die Inhalte-Aufsicht, um Werbekunden
zurückzugewinnen.

Seit Musk vor einem Jahr Twitter kaufte, haben viele Unternehmen
Bedenken genau deswegen und bleiben der Plattform fern oder schränken
ihre Ausgaben ein. Musk sagte mehrfach, dass die Werbeeinnahmen nur
noch in etwa halb so hoch seien wie zu Twitter-Zeiten. Er versuchte
zeitweise, seine Anhänger gegen abtrünnige Werbekunden aufzustacheln.
Als es Berichte gab, dass Apple die Ausgaben für Anzeigen auf der
Plattform gekürzt habe, besuchte Musk Konzernchef Tim Cook in der
Zentrale in Cupertino. Die von Musk eingesetzte X-Chefin Linda
Yaccarino versprach Werbekunden ein sicheres Umfeld.

Musk vertritt politische Ansichten der amerikanischen Rechten und
warf der früheren Twitter-Führung vor, diese unterdrückt zu haben. Er

versprach mehr Redefreiheit - alle Äußerungen, die nicht gegen das
Gesetz verstießen, müssten erlaubt sein. Zugleich trafen seine
Entlassungsaktionen in großem Stil die Twitter-Teams, die für die
Löschung von Hassrede sorgen sollten.

Musk: «Hass gegen Weiße»

Der X-Besitzer selbst sorgte für eine neue Kontroverse: Er
befürwortete einen Beitrag, in dem eine antisemitische
Verschwörungstheorie verbreitet wurde. Darin hieß es unter anderem,
von jüdischer Seite werde «Hass gegen Weiße» verbreitet. Musk schri
eb
unter dem Beitrag am Mittwoch, darin stehe die «tatsächliche
Wahrheit». Später ergänzte Musk, er meine «einige Gruppen» wie di
e
jüdische Organisation Anti-Defamation League (ADL), die «faktisch
anti-weißen Rassismus und anti-asiatischen Rassismus» verbreiteten.
In weiteren Äußerungen bekräftigte Musk, dass es aus seiner Sicht ein

Problem mit Rassismus gegenüber Weißen gebe.

ADL-Chef Jonathan Greenblatt schrieb bei X zu Musks Äußerungen, es
sei «unbestreitbar gefährlich», wenn jemand seinen Einfluss nutze, um

antisemitische Theorien zu bestätigen und weiterzuverbreiten. Auch
die Organisation American Jewish Committee verwies darauf, dass der
von Musk unterstützte Beitrag Elemente der Verschwörungstheorie
enthielt, die 2018 eine Rolle bei der Attacke auf eine Synagoge in
Pittsburgh spielte. Der Angreifer tötete damals elf Menschen.

Musk hat bei X mehr als 160 Millionen Follower. Er hatte nach
früherer Kritik betont, er habe keine antisemitischen Ansichten.
Yaccarino schrieb bei X am Donnerstag, Diskriminierung von allen
Seiten müsse aufhören.

US-Investor Ross Gerber warf die Frage auf, welche Konsequenzen Musks
Handeln für den von ihm geführten Elektroauto-Hersteller Tesla haben
werde. Musk handele nicht im Interesse von Tesla, kritisierte Gerber
im TV-Sender CNBC. «Er zerstört alles, was er aufgebaut hat» und
schade dem Ansehen des Autobauers. Er selbst werde sein Tesla Model Y
kommendes Jahr durch ein Fahrzeug des Konkurrenten Rivian ersetzen -
«und ich bin sicher, der Rest von Los Angeles macht das auch».