Vorsitzende starten Partei-Erneuerungskampagne «Eine Linke für alle»
18.11.2023 14:24
Vor knapp einem Monat eskalierte der lange Streit zwischen Sahra
Wagenknecht und ihrer Partei. Zehn Bundestagsabgeordnete traten aus.
Nun will die Linke ihr Überleben mit einer Kampagne sichern.
Augsburg (dpa) - Nach der Abspaltung der Parteiströmung um Sahra
Wagenknecht will die Linke mit einer Kampagne zur Erneuerung der
Partei Wähler zurückgewinnen. Die Initiative «Eine Linke für alle
»
wurde von den Parteivorsitzenden Janine Wissler und Martin Schirdewan
am Samstag auf dem Bundesparteitag in Augsburg gestartet. «An diesem
Wochenende schlagen wir ein neues Kapitel auf», sagte Wissler.
Mit der Kampagne sollen die langwierigen internen Streitigkeiten, die
mit dem Austritt der zehn Bundestagsabgeordneten um Wagenknecht ihren
Höhepunkt fand, beendet und aufgearbeitet werden. «Die Konflikte in
den letzten Jahren haben uns zunehmend gelähmt und waren nicht mehr
aufzulösen», sagte die Parteichefin.
Doch die Probleme seien nicht einfach gelöst, weil ein Streit nun
beendet worden sei. Strukturelle und strategische Aufgaben seien
liegen geblieben. Es gehe darum, die Linke wieder stark zu machen und
sie zur Opposition der Ampel-Regierung in Berlin zu machen, sagte
Wissler.
Wagenknecht und ihre Unterstützerinnen und Unterstützer waren am 23.
Oktober aus der Linken ausgetreten, um eine Konkurrenzpartei zu
gründen. Die Linke verweist darauf, dass seitdem mehr als 700
Menschen neu in die Partei eingetreten seien. Dies sei «ein
ermutigendes Signal». Auf dem Parteitag konnten stellvertretend drei
junge Frauen, die eingetreten waren, ihre Beweggründe erläutern.
Zuvor hatte Bundestags-Fraktionschef Dietmar Bartsch erneut die
Gruppe um Wagenknecht scharf angegriffen und diese für die Auflösung
der Linken-Bundestagsfraktion verantwortlich gemacht. Die Liquidation
sei eine «gewaltige Niederlage», sagte er.
«Die Verantwortung dafür tragen zuallererst die zehn Abgeordneten,
die die Partei verlassen haben. Oder besser gesagt, die neun
Abgeordneten, die in der zehnten ausschließlich eine politische
Heilsbringerin sehen», meinte Bartsch, ohne Wagenknecht namentlich zu
erwähnen. Wegen der Spaltung muss sich die Fraktion der Linken im
Bundestag zum 6. Dezember auflösen.
Die Delegierten einigten sich bei dem Parteitag darauf, künftig eine
Erhöhung des gesetzlichen Mindestlohns auf 15 Euro pro Stunde sowie
einen automatischen Inflationsausgleich zu fordern. Bisher vertrat
die Linke eine Zielmarke von 14 Euro, wie sie auch SPD und Grüne
wollen. Derzeit liegt der allgemeine gesetzliche Mindestlohn bei 12
Euro. Am 1. Januar 2024 soll er auf 12,41 Euro steigen, ein Jahr
später dann auf 12,82 Euro.
Am späten Freitagabend hatten sich die Delegierten nach einer
hitzigen Debatte bereits auf eine Position zum Gaza-Krieg
verständigt. Eine breite Mehrheit forderte einen sofortigen
Waffenstillstand und die sofortige Freilassung der von Hamas
verschleppten israelischen Geiseln. In dem Beschluss wurde das
Existenzrecht Israels und das Ziel einer Zwei-Staaten-Lösung betont.
Antisemitismus in Deutschland wird verurteilt, jedoch auch vor
antimuslimischen Ressentiments gewarnt.
Der vorab ausgehandelte Kompromissantrag war der Parteispitze
wichtig, um die Linke in der Frage nicht als zerstritten dastehen zu
lassen. In der Debatte gab es dennoch auch extremere Positionen. So
warf der Delegierte Nick Papak Amoozegar Israel einen «Genozid», die
«gezielte Vernichtung eines Volks» und «ethnische Säuberungen» vo
r.
Aus den Reihen der Delegierten gab es Protestrufe. Wissler
kritisierte am Samstag, dass einige Aussagen und die Tonalität in der
Debatte dem Leid der Menschen im Nahen Osten nicht gerecht geworden
seien.
Hauptthema des bis Sonntag dauernden Treffens der Partei in Bayern
ist die Europawahl im Juni 2024. Schirdewan und die Flüchtlings- und
Klimaaktivistin Carola Rackete sollen dann die Kandidatenliste
anführen.