Spannendes Jahr für SPD und CDU - Landtagswahl wirft Schatten voraus Von Ira Schaible, dpa
01.01.2024 03:35
Die Rheinland-Pfälzer wählen am 9. Juni das Europaparlament und ihre
Kommunalparlamente. Gerade für die beiden großen Parteien kein
einfacher Termin - auch mit Blick auf die Landtagswahl 2026.
Mainz (dpa/lrs) - Gegenwind aus Berlin von der Ampelkoalition im
Bund, ein Trend zu unabhängigen Wahlbündnissen und hohe Umfragewerte
für die AfD: Die Kommunalwahlen in Rheinland-Pfalz, die parallel zur
Europawahl am 9. Juni stattfinden, stellen gerade die beiden großen
Parteien vor besondere Herausforderungen. Die CDU will wie gewohnt
wieder stärkste Kraft werden. Ihr landesweites Ergebnis lag zuletzt
2019 mit 31,1 Prozent um 8,5 Prozentpunkte über dem der SPD, die auf
Landesebene seit mehr als 30 Jahren regiert.
«Der Bundestrend läuft derzeit mehr zugunsten der CDU», sagt der
Trierer Politikwissenschaftler Uwe Jun im Gespräch mit der Deutschen
Presse-Agentur. «Auf der kommunalen Ebene war die CDU ohnehin schon
immer erfolgreicher aufgestellt als die SPD. So dass sie vielleicht
mit einem erfolgreichen Abschneiden mit Blick auf die Landtagswahl
2026 ein bisschen Honig saugen kann.»
«Für die SPD wird es ein wichtiges Jahr, weil die Frage noch nicht
endgültig beantwortet scheint, ob die Ministerpräsidentin 2026 noch
einmal antritt», sagt Jun. «Realistischerweise müsste sie ja ihrem
Nachfolger zeitlichen Spielraum geben, oder nach einem Wahlsieg 2026
mindestens bis 2027 weiter machen.» Mit Spannung wird auch erwartet,
wen die CDU als Spitzenkandidaten für die Landtagswahl ins Rennen
schickt.
Tritt Dreyer 2026 noch einmal an? Und wer wird CDU-Spitzenkandidat?
Sie sei bis 2026 gewählt und habe noch viel vor, antwortet
Regierungschefin Malu Dreyer auf die immer wieder gestellte Frage
nach ihrer Nachfolge. Das Programm, das die 62 Jahre alte
SPD-Politikerin bewältigt, lässt daran auch keinen Zweifel. Dazu
kommt die Frage nach dem Parteivorsitz. Wann wird Roger Lewentz den
Kandidaten für seine Nachfolge präsentieren? Wird der oder die Neue
an der Spitze der Landes-SPD auch Dreyers Nachfolger?
Die CDU plant im zweiten Halbjahr 2024 einen Landesparteitag. «Dann
geht es nicht nur um eine personelle Positionierung für die
Landtagswahl 2026, sondern auch um die bestmögliche Vorbereitung auf
die Bundestagswahl 2025», sagt Fraktionschef und Generalsekretär
Gordon Schnieder im Gespräch mit dpa. Wird es der 48-Jährige aus der
Vulkaneifel selbst machen?
CDU-Landeschef Christian Baldauf halten die meisten eher für
unwahrscheinlich. Jun sieht bei dem 56-Jährigen aus der Pfalz auch
eher einen «Rückzug auf Raten».
Nicht ausgeschlossen ist ein Kandidat aus einem anderen Bundesland.
«Es muss darum gehen, einen wählerwirksamen Kandidaten aufzustellen,
der nach mehr als 30 Jahren SPD-Regierung eine Chance hat, als
Ministerpräsident oder Ministerpräsidentin ins Amt zu kommen»,
beschreibt Jun die Herausforderung. «Wer wird so wahrgenommen, dass
er am Ende doch kein Fremder in Rheinland-Pfalz ist? Das ist keine
einfache Aufgabe.» Und: «Das wäre ein Novum.»
Gemeinsamer Wahltermin könnte AfD nutzen
Zunächst geht es für alle Parteien aber um das Abschneiden bei den
Europa- und Kommunalwahlen. Der gemeinsame Wahltermin am 9. Juni
könnte der AfD Auftrieb geben. Früher sei ein zeitgleicher Wahltermin
gut für die Beteiligung gewesen, sagt Schnieder. «Jetzt sehe ich die
Gefahr, dass die Europawahl eine Art Protestwahl wird und sich das
auch auf die Kommunalwahl auswirken wird», betont er. «Wir nehmen in
vielen europäischen Staaten einen spürbaren Wunsch nach
Nationalstaatlichkeit wahr. Dort ist der Rechtsruck schon
angekommen.»
«Das Thema Europa könnte auch in den Kommunalwahlkampf
hineingreifen», sagt auch Politikwissenschaftler Jun. «Die AfD könnte
bei dem Thema mit ihrer Haltung stärker mobilisieren, gerade bei
niedriger Wahlbeteiligung könnte sich das beim Wahlergebnis
entsprechend bemerkbar machen.»
«Das Thema EU war noch nie ein Thema, das die Menschen mit großer
Begeisterung verfolgen», stellt der Wissenschaftler fest. Dazu kämen
derzeit geringe Popularitätswerte für die Kommission und die EU
insgesamt. Die europafreundlichen Parteien könnten nach Juns
Überzeugung aber versuchen, für das Thema zu werben; wie erfolgreich
das sein werde, hänge auch davon ab, welche Themen im Juni die
aktuelle Diskussion bestimmten. Der Aufruf, zur Wahl zu gehen, um
einen weiteren Rechtsruck im EU-Parlament zu verhindern, reiche nicht
aus. «Die europafreundlichen Parteien müssen noch ein positives
europäisches Thema damit verbinden.»
CDU und SPD tun sich schwerer
«In den Umfragen steht die SPD gerade weder auf der Bundes- noch auf
der Landesebene besonders gut da», stellt Jun fest. «Von daher ist es
für die Kommunalwahlkämpfer schwierig, wenn sie nur mit Gegenwind zu
agieren haben.» Dazu komme ein genereller Trend: «Gerade auf
kommunaler Ebene werden die Parteien immer weiter zurückgedrängt.
Lokale und kommunale Wählervereinigungen sowie Unabhängige spielen
eine immer größere Rolle.» Das spüre auch die CDU.
«Beide Großparteien in Rheinland-Pfalz, die lange das Land dominiert
haben, tun sich insgesamt schwerer», sagt Jun. «Das hat vielfältige
Gründe, hängt auch mit der Altersstruktur der Parteien zusammen. Auch
da hat es die Union nicht ganz einfach, es kommen nicht so viele
Talente in den Kommunen nach vorne.» Und: «Die Parteibindung hat
abgenommen. Das macht sich auch bei der Union bemerkbar.» Die
CDU müsse auch darunter leiden, dass sie auch ihre Hochburgen wie
etwa Frankenthal zum Teil habe abgeben müssen.
AfD-Wähler nehmen interne Zerwürfnisse kaum zur Kenntnis
«Die AfD-Wähler und -Wählerinnen nehmen auch in Rheinland-Pfalz die
internen Zerwürfnisse gar nicht richtig zur Kenntnis», stellt Jun
fest. Das liege daran, dass nur eine Gruppe ihrer Wähler die Inhalte
teile, zweite Gruppe aber als Protestwähler den regierenden Parteien
nur zeigen wolle, dass sie mit der Politik nicht zufrieden sei. «Da
können sich dann Herr Frisch und Herr Bollinger noch so sehr
auseinander setzen, beide Wählergruppen bleiben bei der AfD», sagt
Jun. Jan Bollinger ist seit Ende November neuer Vorsitzender der
AfD-Landtagsfraktion und hat Michael Frisch abgelöst, der daraufhin
aus der Fraktion austrat.
Der Landesvorsitzende der Freien Wähler, Stephan Wefelscheid, sorgt
sich, dass sich wegen der schwierigen kommunalen Haushalte nicht
genügend Menschen finden, die bereit sind, als Ortsbürgermeister oder
Gemeinderatsmitglied zu kandidieren. Die Kommunalwahlen müssten den
Freien Wählern nach Einschätzung Juns aber zumindest ein bisschen
Rückenwind für die Landtagswahl geben. «Für die Freien Wähler sin
d
die Kommunen ihr Hauptfeld. Von da kommen sie, das liegt ihnen.» Die
FDP spiele kommunal dagegen kaum eine Rolle.
Gemeinsamer Wahltermin könnte auch den Grünen nutzen
«Die Grünen haben ihre Basis hauptsächlich in den Großstädten, in
denen auch eine Universität steht, also in Mainz, Koblenz, Trier und
mit Abstrichen in Kaiserslautern», sagt Jun. «In der Fläche spielen
die Grünen in Rheinland-Pfalz keine sehr große Rolle.»
Allerdings ist Jun überzeugt: «Die Grünen sind außer der AfD die
einzige Partei, für die es ein Vorteil ist, dass die Kommunalwahlen
und die Europawahl zusammen auf einen Termin fallen.» Denn: «Ihre
Wähler sind in Rheinland-Pfalz weitgehend akademisiert - etwa 80
Prozent haben wenigstens das Abitur - und sie sind politisch
mobilisierbar. Sie finden auch das Thema Europa nicht unwichtig.»