EU-Kommission empfiehlt 2040-Klimaziel: 90 Prozent weniger Emissionen

06.02.2024 04:45

Im Kampf gegen die Klimakrise müssen die Treibhausgasemissionen
weiter runter. Europaweite Ziele für 2030 und 2050 gibt es dafür
schon. Nun schlägt die EU-Kommission ein Zwischenziel bis 2040 vor.

Straßburg (dpa) - Im Kampf gegen die Klimakrise sollen die
Treibhausgasemissionen in Europa bis 2040 nach dem Willen der
EU-Kommission drastisch reduziert werden. An diesem Dienstag legt die
Brüsseler Behörde in Straßburg ihre Empfehlung für ein Klimaziel f
ür
2040 vor. Wie aus einem Entwurf hervorgeht, schlägt die Kommission
eine Senkung der Emissionen bis zu diesem Jahr um mindestens 90
Prozent im Vergleich zu 1990 vor.

Bislang gibt es die festgeschriebenen Ziele in der EU, die
CO2-Emissionen bis 2030 um 55 Prozent gegenüber 1990 zu senken und
bis 2050 klimaneutral zu werden. Dafür soll vor allem das
Gesetzespaket «Fit for 55» unter dem Dach des sogenannten Green Deal
(«Grüner Deal») sorgen. Die Strategie umfasst Maßnahmen in
verschiedenen Bereichen wie Energie, Verkehr, Industrie und
Landwirtschaft. Ein Zwischenziel für 2040 gibt es bislang nicht.

Wie aus dem Entwurf hervorgeht, wurden drei Ziel-Optionen für 2040
untersucht. So wurden auch die Folgen von einer Reduzierung der
Emissionen um bis zu 80 Prozent im Vergleich zu 1990 sowie um 85 bis
90 Prozent analysiert. Eine Verringerung von 90 bis 95 Prozent aber
sei die einzige Option, die den Empfehlungen des Europäischen
Wissenschaftlichen Beirats zum Klimawandel entspreche und die
Verpflichtungen der EU im Rahmen des Pariser Abkommens nicht
gefährde, hieß es in dem Entwurf.

«Option 3 bietet der EU die stärksten Klimaschutzmaßnahmen, die mehr

denn je erforderlich sind, um irreversible Kipppunkte zu vermeiden
mit unbekannten und potenziell katastrophalen Auswirkungen auf die
menschliche Gesellschaft und die Ökosysteme», schrieben die Autoren.
Je länger die Klimaschutzmaßnahmen hinausgezögert würden, desto h
öher
wären die menschlichen und wirtschaftlichen Kosten des Klimawandels.

Um das Ziel zu erreichen, sollen dem Entwurf zufolge unter anderem
die erneuerbaren Energien weiter wachsen und feste fossile
Brennstoffe schrittweise abgebaut werden. Auch in der Landwirtschaft
sollen nach Empfehlungen der Kommission Emissionen reduziert werden.

Ende Januar hatten Deutschland und zehn andere Länder die
EU-Kommission aufgefordert, ein ehrgeiziges Klimaziel für 2040
vorzuschlagen. «Wir können nur dann andere davon überzeugen, sich zu

engagieren, wenn wir zu Hause die Arbeit erledigen», hatte es unter
anderem in einem gemeinsamen Brief geheißen.

Der Wissenschaftliche Beirat hatte sich im Juni dafür ausgesprochen,
die EU-Emissionen bis 2040 im Vergleich zu 1990 um 90 bis 95 Prozent
zu verringern. Diese Reduktion sei entscheidend, um die Klimarisiken
abzumildern. In ihrem jüngsten Bericht schrieben die Wissenschaftler
Mitte des Monats, für das Erreichen der EU-Klimaziele müsse mehr
getan werden. Zwar erkannten sie das Potenzial des Fit-for-55-Pakets
an. Zusätzliche Maßnahmen seien jedoch unerlässlich.

Linda Kalcher von der Brüsseler Denkfabrik Strategic Perspectives
sieht in dem Vorschlag der Kommission großes Potenzial, «die Weichen
für den Wirtschaftsstandort Europas zu stellen».  Mit dem neuen
EU-Klimaschutzziel werde eine bessere Planung ermöglicht: «Rund 80%
weniger fossile Energien sollen bis 2040 genutzt werden. Das schützt
nicht nur vor plötzlichen Preisanstiegen oder Lieferausfällen, es
sorgt auch dafür, dass die Investitionen in Europa bleiben.» 

Der CDU-Europaabgeordnete Peter Liese sagte: «Ein 90-Prozent-Ziel für
2040 ist wirklich ehrgeizig.»  Sein Grünen-Amtskollege Michael Bloss

will hingegen 95 Prozent Reduktion damit die EU eine glaubwürdige
Vorreiterrolle beim Klimaschutz einnehmen könne. 

Silvia Pastorelli, EU-Klimabeauftragte von Greenpeace, sagte, die
EU-Länder gehörten zu den größten historischen Umweltverschmutzern

der Welt. «Es ist schmerzlich offensichtlich, dass die EU ohne ein
Ende von Kohle, Öl und Gas nicht einmal ihre eigenen Ziele erreichen
wird - das muss die EU-Kommission anerkennen.» Stattdessen sehe es so
aus, «als würden wir ein Ziel bekommen, das viel geringere
Emissionssenkungen hinter einer fragwürdigen Buchführung versteckt,
die auf Zauberstäben basiert, um die Verschmutzung verschwinden zu
lassen.» Auch andere Umweltschützer fordern ein ehrgeiziges Ziel als
die 90 Prozent Reduktion. 

Das ausgegebene Ziel der Kommission ist kein Gesetzesvorschlag,
sondern entsprechend den Vorgaben des EU-Klimagesetzes eine
Empfehlung für ein Ziel für 2040 als nächsten Schritt auf dem Weg zur

Klimaneutralität. Dieser Vorschlag sollte innerhalb von sechs Monaten
nach der ersten globalen Bestandsaufnahme des Pariser Klimaabkommens,
die auf der Weltklimakonferenz COP28 im Dezember in Dubai
stattgefunden hat, vorgelegt werden. Nach den Europawahlen wird es
Aufgabe der nächsten EU-Kommission sein, einen Gesetzesvorschlag für
die Festlegung des Klimaziels für 2040 vorzulegen. Die Wahlen finden
Anfang Juni statt. Die EU-Umweltminister dürften sich aber bereits in
den kommenden Monaten mit der Kommissionsempfehlung
auseinandersetzen.

Die Kommission will an diesem Dienstag zudem eine Strategie für
industrielles Kohlenstoffmanagement präsentieren. Dabei geht es auch
um die umstrittene CO2-Speicherung.