Europäisches Parlament für weniger strenge Gentechnikregeln in der EU

07.02.2024 18:42

Für die einen ist es ein Risiko für Mensch und Umwelt, für andere
eine Waffe im Kampf gegen den Klimawandel: Moderne
Gentechnikverfahren. Das EU-Parlament will nun weniger strenge
Auflagen.

Straßburg (dpa) - Das Europaparlament will weniger strenge Regeln für
gentechnisch veränderte Lebensmittel. «Ziel ist, das
Lebensmittelsystem sowohl nachhaltiger als auch krisenfest zu machen,
indem man verbesserte Pflanzensorten entwickelt», teilte das
Parlament am Mittwoch mit, nachdem sich eine Mehrheit der
Abgeordneten für das Vorhaben ausgesprochen hatte. Im Gegensatz zum
ursprünglichen Vorschlag der EU-Kommission will das Parlament aber,
dass alle Produkte aus Gentechnik, künftig im Supermarkt
gekennzeichnet werden müssen - auch wenn sie mit modernen
Gentechnikmethoden gezüchtet wurden.  

Die Brüsseler Behörde hatte vorgeschlagen, dass dies nicht nötig ist,

wenn eine Züchtung auch durch herkömmliche Methoden wie etwa Auslese
hätte entstehen können. Saatgut, dass durch moderne Gentechnik
entstanden ist, muss gekennzeichnet werden, auch wenn es von
herkömmlichen Züchtungen nicht zu unterscheiden ist. 

Bevor weniger strenge Regeln endgültig beschlossen werden können,
müssen sie noch in einem weiteren Schritt mit den EU-Staaten
ausgehandelt werden. Es ist unrealistisch, dass es vor der Europawahl
im Sommer ein Ergebnis geben wird, auch weil sich die EU-Staaten
bisher nicht auf eine Verhandlungsposition geeinigt haben. Das
umstrittene Vorhaben müsste nach Abschluss der Verhandlungen nochmals
eine Mehrheit im Parlament finden. Dabei kommt es entscheidend darauf
an, welche Mehrheitsverhältnisse es nach der Wahl gibt. 

Bundesagrarminister Cem Özdemir (Grüne) teilte am Abend mit, dass es
am Mittwoch in Brüssel keine Mehrheit für eine Position der
EU-Staaten gab. «Es liegt noch kein tragfähiger Vorschlag vor, der
den Interessen von Landwirtschaft, Verbraucherinnen und Verbrauchern
und Lebensmittelwirtschaft gerecht wird», so der Minister. Es müssten
noch zentrale Fragen geklärt werden, Gründlichkeit gehe vor
Schnelligkeit.  

Pflanzen könnten widerstandsfähiger gegen Klimawandel werden

Sollte es zu einer Deregulierung kommen, dürfte es einfacher werden,
mit modernen Gentechnikverfahren neue Züchtungen zu erschaffen.
Befürworter der Verfahren erhoffen sich Pflanzen, die mehr Nährstoffe
haben oder widerstandsfähiger etwa gegen die Folgen des Klimawandels
sind. Dadurch erhoffen sich manche auch, dass weniger Pestizide
eingesetzt werden müssen. 

Bio-Landwirte sollen weiter gentechnikfrei arbeiten. Sie beklagen,
dass sie unverhältnismäßig belastet werden, da sie sich etwa dagegen

schützen müssten, dass sich gentechnisch veränderte Pflanzen von
anderen Feldern ungewollt auf ihrem Land verbreiten.
Europaabgeordnete der Grünen und der SPD kritisierten das Vorhaben.
Sie sprechen etwa von potenziellen Risiken für die Umwelt.
«Gentechnik bereichert nur die großen Konzerne», sagte Carola
Rackete, Spitzenkandidatin der Linken für die Europawahl.
Gleichzeitig sei Gentechnik teuer und helfe nicht gegen den Hunger
auf der Welt. 

Zustimmung aus CDU und FDP

Ganz anders sieht das der CDU-Europaabgeordnete Peter Liese. «Es
können sehr gezielt Eigenschaften wie Klima- oder Schädlingsresistenz
erreicht werden», sagte er. Als Arzt sehe er keine unverantwortlichen
Risiken für Mensch und Umwelt. Auch Bundesforschungsministerin
Bettina Stark-Watzinger (FDP) begrüßt es, dass die Regeln für
gentechnisch veränderte Lebensmittel gelockert werden sollen. 

Wie das Parlament weiter mitteilte, fordern die Abgeordneten ein
vollständiges Verbot von Patenten auf jegliche Pflanzen, jegliches
Pflanzenmaterial und Teile davon, wenn diese mit sogenannter neuer
Gentechnik gezüchtet wurden. «Rechtsunsicherheiten, erhöhte Kosten
und neue Abhängigkeiten für Landwirte und Züchter sollen dadurch
vermieden werden.»

Grundsätzlich hat die Manipulation von Nutzpflanzen Tradition. «Seit
der neusteinzeitlichen Revolution vor rund 12 000 Jahren werden
Pflanzen gezüchtet und genetisch so verändert, dass sie ertragreicher
und landwirtschaftlich besser nutzbar sind», schreibt die Nationale
Akademie der Wissenschaften Leopoldina. Ins Genom der Pflanzen - also
die Gesamtheit der Gene - wird etwa eingegriffen, indem etwa die
ertragreichsten ausgewählt und wieder ausgesät wurden. 

Bei der sogenannten neuen Gentechnik geht es vor allem um die vor gut
zehn Jahren entdeckte Genschere. Sie steuert gezielt Gene an, die für
eine bestimmte Eigenschaft verantwortlich sind. Der Genstrang wird an
einer konkreten Stelle geschnitten und dann vom zelleigenen
Reparatursystem wieder zusammengefügt. Dadurch entstehen
Veränderungen im Erbgut, die auch auf natürliche Weise auftreten
können.