Regierung: Entscheidung zu CO?-Standards für Lkw und Busse verschoben

07.02.2024 16:38

Uneinigkeit in der Bundesregierung zum CO?-Ausstoß von Fahrzeugen:
Die Ampel streitet - mal wieder - um eine gemeinsame Haltung zu einem
EU-Gesetz.

Berlin (dpa) - Innerhalb der Bundesregierung gibt es Streit um neue
CO?-Emissionsnormen für Busse und Lkw - jetzt ist eine Abstimmung in
Brüssel verschoben worden. Regierungssprecher Steffen Hebestreit
bestätigte am Mittwoch in Berlin, dass über die deutsche Position zu
den Plänen noch verhandelt werde. Statt - wie ursprünglich vorgesehen
an diesem Mittwoch - stehe das Thema nun für Freitag auf der
Tagesordnung des zuständigen EU-Gremiums. Ob die für das Projekt
erforderlichen Stimmen ohne Deutschland zustande kommen, gilt als
ungewiss.

Eigentlich war man in Brüssel fest davon ausgegangen, dass die
deutsche Regierungskoalition aus SPD, Grünen und FDP den Plänen für
die neuen CO?-Emissionsnormen zustimmt. Nach Informationen der
Deutschen Presse-Agentur legte jetzt aber überraschend die FDP ein
Veto ein und will ein deutsches Ja zu dem Projekt verhindern.
Zunächst hatte am Dienstag «Frankfurter Allgemeinen Zeitung» darübe
r
berichtet.

Eigentlich hatten sich Unterhändlerinnen und Unterhändler der
EU-Staaten bereits am 18. Januar darauf geeinigt, dass die neuen
Vorgaben für sogenannte Flottengrenzwerte kommen sollen. Mit diesen
Grenzwerten ist geregelt, wie viel klimaschädliches CO? die Fahrzeuge
künftig ausstoßen dürfen. Die CO?-Emissionen von Reisebussen und Lkw

sollen bis 2040 um 90 Prozent sinken - verglichen mit 2019.  

In der Zwischenzeit hatte die FDP aber einen Europaparteitag, auf dem
sich die Teilnehmer strikt gegen Flottengrenzwerte aussprachen.
Konkret hieß es dort: «Wir werden die Flottengrenzwerte ersatzlos
abschaffen.»

In Brüssel löst die Positionierung der FDP Erinnerungen an den Streit
um das Verbrenner-Aus aus. Auf ein weitgehendes Verbot von Neuwagen
mit Verbrennungsmotoren hatte sich die EU eigentlich vergangenes Jahr
geeinigt. In der Bundesregierung hatte daraufhin allerdings vor allem
die FDP darauf gedrungen, ausschließlich mit E-Fuels betankte Autos
vom sogenannten Verbrenner-Aus auszunehmen. 

Daraufhin gab es teils vehemente Kritik an der Bundesregierung und
die Verlässlichkeit Berlins in europäischen Verhandlungen wurde
infrage gestellt. Der ehemalige lettische Ministerpräsident Krisjanis
Karins sprach auf einem EU-Gipfel von einem «sehr, sehr schwierigen
Zeichen für die Zukunft». Die gesamte Architektur der
Entscheidungsfindung würde auseinanderfallen, wenn alle das täten.

Der Verband der Automobilindustrie erklärte, die deutsche
Automobilindustrie begrüße grundsätzlich, dass EU-Rat und
EU-Parlament hinsichtlich der CO?-Flottenregulierung für schwere
Nutzfahrzeuge zu einer Einigung gekommen seien. «Sie setzt einen
klaren Zeitplan, um die Implementierung emissionsfreier Lösungen auf
dem europäischen Markt voranzutreiben. Verlässlichkeit ist für die
Unternehmen der deutschen Automobilindustrie von großer Bedeutung.
Alle politischen Akteure sollten möglichst bald zu einer gemeinsamen
Lösung kommen, damit die CO?-Flottenregulierung für schwere
Nutzfahrzeuge noch in dieser Legislaturperiode zu einem Abschluss
kommen kann und die Unternehmen rasch Planungssicherheit erhalten.»

Die von EU-Rat und -Parlament erzielte Einigung zur
CO?-Flottenregulierung für schwere Nutzfahrzeuge setze ambitionierte
Ziele, so der Branchenverband. «Umso wichtiger ist es, dass die
gesetzten Ziele und die dafür benötigten Rahmenbedingungen
zusammengedacht werden. Damit die ehrgeizigen Ziele auch tatsächlich
erreicht werden können, ist vor allem ein ausreichend dichtes Netz an
Elektrolade- und Wasserstofftankinfrastruktur mit begleitendem
Anschluss an Strom- und Wasserstoffnetze für schwere Nutzfahrzeuge in
ganz Europa entscheidende Voraussetzung. Dieses ist jedoch aktuell
noch nicht einmal annähernd vorhanden.»

EU-Parlamentspräsidentin Roberta Metsola sagte, ohne Deutschland
explizit zu nennen, dass man keine Abmachung rückgängig machen könne.

Es gehe um Vertrauen zwischen den Mitgesetzgebern und um die
Glaubwürdigkeit des Verfahrens. 

Es ist daher nicht das erste Mal, dass eine deutsche Position bis zum
letzten Moment ungewiss bleibt. Ein EU-Diplomat sagte der Deutschen
Presse-Agentur, dass die anderen EU-Staaten in den vergangenen
Monaten zwar gelernt hätten damit umzugehen. «Besonders schmerzlich»

sei es aber, dass es deutsche Enthaltungen anderen Ländern
erleichterten, ausreichende Mehrheiten zu finden, um Entscheidungen
zu blockieren. Wie im Bundesrat wirken Enthaltungen bei Abstimmungen
unter den EU-Staaten wie Gegenstimmen.