Expertin: Phthalat in vielen Urinproben vielleicht von Sonnencremes

08.02.2024 13:43

Es gibt erste Hinweise, woher ein in Urinproben entdeckter Schadstoff
stammen könnte. Umweltbundesamt-Daten ergaben einen Zusammenhang mit
Sonnencremes. Verzichten sollte man darauf aber nicht.

Dessau-Roßlau (dpa) - Ein in Urinproben entdeckter Schadstoff könnte
nach Angaben aus dem Umweltbundesamt möglicherweise aus
Sonnenschutzmitteln stammen. Das Phthalat MnHexP
(Mono-n-hexyl-Phthalat) war kürzlich im Urin zahlreicher Menschen
gefunden worden. «In unseren ersten, sondierenden Analysen sehen wir
einen Zusammenhang zwischen der Belastung mit MnHexP und Kosmetika,
darunter insbesondere Sonnenschutzmitteln», sagte Kolossa vom
Umweltbundesamt am Donnerstag. Auch viele Cremes, darunter
Nachtcremes, enthalten laut Kolossa Sonnenschutzmittel.  «Man sollte
nun aber auf gar keinen Fall auf Sonnenschutzmittel verzichten»,
warnte sie zugleich. Die Krebsgefahr durch Sonnenstrahlen sei zu
hoch. «Unsere Erkenntnisse reichen zu diesem Zeitpunkt nicht für eine
Maßnahmenempfehlung», sagte sie. Zuvor hatte der «Spiegel» darübe
r
berichtet. 

Das Uba habe in einer noch laufenden Umweltstudie zur Gesundheit nach
neuesten Daten in etwa 37 Prozent der Proben den Metabolit MnHexP
entdeckt, sagte Kolossa. Er ist nach Uba-Angaben ein Abbauprodukt des
nicht zugelassenen Weichmachers DnHexP (Di-n-hexyl-Phthalat).  Der
fortpflanzungsschädigende Stoff MnHexP sei erstmals 2023 entdeckt
worden. Das Uba hatte ihn im Urin Erwachsender nachgewiesen, eine
Behörde in Nordrhein-Westfalen in dem von Kindergartenkindern. 

Der Stoff DnHexP darf laut Uba in der EU seit 2023 ohne Zulassung
grundsätzlich nicht mehr verwendet werden. Zulassungsanträge seien
nicht gestellt worden. Nicht auszuschließen sei, dass er in Altlasten
oder DnHexP-haltigen Importerzeugnissen stecke. Schon seit vielen
Jahren ist DnHexP in der EU stark beschränkt beziehungsweise
verboten.

Die Suche nach der Herkunft des Schadstoffs sei eine Detektivarbeit,
sagte Kolossa. «Wir haben den Fragebogen in der noch laufenden 6.
Deutschen Umweltstudie zur Gesundheit so aufgesetzt, dass wir
aufgrund von Hypothesen Fragen stellen.» Aufgrund von Erkenntnissen
zu anderen Phthalaten sei unter anderem gefragt worden: "Wie häufig
benutzen Sie Sonnenschutzmittel?" Das UBA arbeite eng mit EU-Behörden
zusammen, um das Ausmaß des Problems in Europa zu erfassen und
Maßnahmen zu ergreifen.  

MnHexP sei nach Ergebnissen von Tierversuchen ein
fortpflanzungsschädigender Stoff, sagte Kolossa kürzlich. Er wirke
vor allem auf die Fortpflanzungsorgane männlicher Föten im
Mutterleib. Stoffe dieser Gruppe könnten aber auch für Erwachsene
schädlich sein und das Risiko für Diabetes, Bluthochdruck und
Fettleibigkeit erhöhen, was aus weiteren Tierversuchen hervorgehe. In
einzelnen Menschen seien Konzentrationen entdeckt worden, «die so
hoch sind, dass eine Gesundheitsgefährdung nicht auszuschließen ist.»


Die Gesundheitsschädlichkeit sei zudem additiv mit anderen
Phthalaten, das heißt die Wirkungen einzelner Phthalate addieren sich
zu einer Gesamtwirkung, betonte Kolossa. Endergebnisse der aktuellen
deutschlandweiten Studie erwartet sie im nächsten Jahr.

In Nordrhein-Westfalen hatten Experten des Landesamtes für Natur,
Umwelt und Verbraucherschutz (Lanuv) rückwirkend alte Urinproben von
Kindergartenkindern untersucht. Ergebnis: Der Anteil der mit MnHeP
belasteten Proben hatte sich von 26 Prozent (2017/18) auf 61 Prozent
(2020/21) erhöht, heißt es einer Mitteilung des Lanuv vom 31. Januar.
Die Konzentration bei hochbelasteten Kindern habe sich in etwa
verzehnfacht.