Fregatte «Hessen» zu geplantem Einsatz gegen Huthi-Angriffe gestartet Von Lennart Stock, Jörg Blank und Ansgar Haase, dpa

08.02.2024 15:05

Ein deutsches Kriegsschiff soll dabei helfen, Handelsschiffe im Roten
Meer zu beschützen. Der Marine-Inspekteur spricht vom ernsthaftesten
Einsatz der deutschen Marine seit langem.

Wilhelmshaven/Berlin (dpa) - Die deutsche Fregatte «Hessen» ist zu
einem geplanten EU-Militäreinsatz im Roten Meer ausgelaufen, um dort
die Handelsschifffahrt gegen Angriffe der militant-islamistischen
Huthi-Miliz zu sichern. Das Kriegsschiff mit rund 240 Soldatinnen und
Soldaten an Bord verließ am Donnerstag den größten Stützpunkt der
deutschen Marine in Wilhelmshaven. Marine-Inspekteur Jan Christian
Kaack sagte in Berlin: «Das ist der ernsthafteste Einsatz einer
deutschen Marineeinheit seit vielen Jahrzehnten.» Er versicherte: «Es
gibt keine Einheit in der deutschen Marine, die besser vorbereitet,
besser ausgebildet und besser dafür ausgestattet ist.»

Die Fregatte «Hessen» ist unter anderem mit Flugabwehrraketen
ausgerüstet. Das 143 Meter lange Schiff wurde speziell für den
Geleitschutz und die Seeraumkontrolle konzipiert. Mit seinem Radar
kann es nach Angaben der Bundeswehr einen Luftraum von der Größe der
gesamten Nordsee überwachen. Die Flugabwehrraketen reichen demnach
mehr als 160 Kilometer weit. An Bord sind neben der Stammbesatzung
und zwei Hubschraubern auch weitere Einsatzkräfte, darunter ein
Ärzteteam und ein Militärpfarrer.

Mit der Verlegung des Kriegsschiffes will die Bundeswehr die
Voraussetzungen für eine deutsche Beteiligung an dem EU-Einsatz zur
Sicherung der Handelsschifffahrt schaffen. Ein Mandat des Bundestages
steht noch aus - es wurde im Laufe des Februars erwartet. 

Angesichts der Gefahren durch die Huthi meiden große Reedereien
zunehmend die kürzeste Verbindung auf dem Seeweg zwischen Asien und
Europa durch das Rote Meer und den Suezkanal. Dies hat mittlerweile
erhebliche Auswirkungen auf die Weltwirtschaft. Die USA und
Großbritannien haben deswegen zuletzt Ziele der Huthi im Jemen
angegriffen.

Kommandant: Bedrohung ist konkret

Der Kommandant der Fregatte, Fregattenkapitän Volker Kübsch, sagte
einer Mitteilung der Marine zufolge: «Ein potenzieller Einsatz im
Roten Meer wird für Schiff und Besatzung einen erneuten Härtetest
darstellen.» Der 44-Jährige sagte weiter: «Die Bedrohung dort ist nun

nicht mehr abstrakt, sie ist ganz konkret und besteht aus einer
Vielzahl an Waffen, die dort regelmäßig zum Einsatz gebracht wurden.»

Marine-Inspekteur Kaack sagte, die Besatzung der «Hessen» gehe «mit
professioneller Gelassenheit in diesen Einsatz». Er fügte hinzu: «Ich

wünsche Ihnen den Erfolg des Tüchtigen und dass Sie alle heil
zurückkehren.» Die Dauer des Einsatzes ist zunächst bis etwa Ende
April ausgelegt.  

EU beschließt Mission «Eunavfor Aspides» im Roten Meer 

Die EU-Staaten beschlossen unterdessen den geplanten Militäreinsatz
im Roten Meer. Mit der Entscheidung werden unter anderem der Auftrag
und der Sitz des Hauptquartiers für die Operation «Eunavfor Aspides»

festgelegt, wie die Deutsche Presse-Agentur von Diplomaten in Brüssel
erfuhr. Aspides ist die Mehrzahl des griechischen Wortes «Schild».
Der formale Beschluss zum Start des Einsatzes soll bei einem
Außenministertreffen am 19. Februar in Brüssel gefasst werden. Das
operative Hauptquartier der Operation wird in der griechischen Stadt
Larisa eingerichtet.

Die Pläne für die EU-Mission sehen vor, mehrere europäische
Kriegsschiffe und luftgestützte Frühwarnsysteme zum Schutz von
Frachtschiffen zu entsenden. Die Huthi-Miliz will mit dem Beschuss
von Schiffen, die eine Verbindung zu Israel haben sollen, ein Ende
der israelischen Angriffe im Gazastreifen erzwingen. Auslöser des
Gaza-Krieges war ein Massaker der islamistischen Hamas und anderer
extremistischer Palästinensergruppen in Israel am 7. Oktober.

Fregatte «Hessen war schon Flaggschiff der Nato-Speerspitze

In den letzten fünf Monaten des vergangenen Jahres war die Fregatte
«Hessen» nach Angaben von Vizeadmiral Kaack das Flaggschiff der
sogenannten Nato-Speerspitze, der Joint Task Force Maritime. Damals
habe die Fregatte bis zu zehn Schiffe geführt und auch Übungen mit
scharfer Munition zur Drohnenabwehr gemacht. 

Angesichts eines möglichen «scharfen Waffengangs» im Roten Meer sei
der Marine klar gewesen, «dass wir nur eine besonders
durchhaltefähige und gut ausgebildete Einheit» in den Einsatz
entsenden könnten, sagte Kaack. «Die «Hessen» ist dieses Schiff.»
Man
erwarte ein Mandat des Bundestages für den Einsatz Ende Februar -
voraussichtlich für zunächst ein Jahr. Das Schiff werde sich dann
bereits im Einsatzgebiet befinden.  

 

Angriffe mit Raketen, Drohnen  und Kamikaze-Booten erwartet

Auf die Frage, auf welche Attacken sich die Besatzung einstellen
müsse, sagte Kaack, man rechne etwa mit Angriffen mit ballistischen
Flugkörpern großer Reichweite, «normalen Flugkörpern» bis hin zu

Drohnen, aber auch mit ferngesteuerten Kamikaze-Booten. Die Fregatte
könne sich wie eine Art Torwart neben einem zu schützenden
Handelsschiff aufhalten, um anfliegende Geschosse abzufangen. 

Einsatz «im Kriegsmarsch»

Für die Besatzung bedeute der Einsatz eine psychische wie physische
Belastung, sagte Kaack. Die Fregatte werde «im sogenannten
Kriegsmarsch» fahren. Es sei immer die Hälfte der Mannschaft auf den
Stationen, da die erwarteten Bedrohungen sehr schnell auftauchen
könnten und dann auch sehr schnell reagiert werden müsse. «Den
Kriegsmarsch kann ein Schiff über einen längeren Zeitraum
durchhalten, braucht dann aber auch eine gewisse Ruhephase», sagte
der Inspekteur - etwa «ein Wochenende mal im Hafen, um dann auch mal
wieder die Batterien zu regenerieren». 

Auf die Frage, ob die deutsche Fregatte auch Ziele im Jemen bekämpfen
würde, falls das Schiff von den Huthi von Land aus beschossen werde,
sagte Kaack, dies sei nicht Teil des EU-Mandates. Das EU-Mandat sieht
nicht vor, dass an dem Einsatz beteiligte EU-Kriegsschiffe
Huthi-Stellungen im Jemen direkt angreifen. Für ihn sei der Einsatz
im Roten Meer angesichts der Bedrohungen für die Warenströme in der
Region so etwas wie «erweiterte Landes- und Bündnisverteidigung»,
betonte Kaack. «Wenn wir das nicht hinbekommen, dann, dann werden wir
Europa auch nicht verteidigen können.»