Neue Hürde für Neuwagen lässt Modellpalette schrumpfen Von Frank Johannsen, dpa
19.03.2024 08:18
Neue EU-Regeln für die Cybersecurity in Neuwagen dünnen in diesem
Jahr die Modellpalette aus. Um sich das Aufrüsten betagter Modelle zu
ersparen, lichten mehrere Hersteller das Sortiment.
Hannover (dpa) - Den Kleinwagen Up von VW trifft es ebenso wie den
Transporter T6.1 und die Porsche-Verbrenner Macan, Cayman und
Boxster: Wegen strengerer EU-Regeln für die Cyber-Sicherheit im Auto,
die ab Juli gelten, verschwinden sie vom Markt, zum Teil ohne
direkten Nachfolger. Bestellen lassen sich die meisten schon jetzt
nicht mehr.
«Für den deutschen Markt sind bereits alle Up produziert und an den
Handel ausgeliefert», erklärt eine VW-Sprecherin. In anderen
EU-Ländern laufe die Auslieferung der letzten Fahrzeuge dagegen noch
bis Mitte des Jahres. Dann sei auch dort Schluss. Produziert wird der
beliebte Kleinwagen schon seit November nicht mehr. Auch bei VW
Nutzfahrzeuge in Hannover heißt es: «Der T6.1 ist nicht mehr
bestellbar.» Zwar läuft die Produktion dort noch. Doch alle
Fahrzeuge, die bis Ende Juni gebaut werden können, hätten längst
einen Abnehmer, sagt eine Sprecherin. «Wir sind ratzekahl
ausverkauft.»
Schonfrist nur für Wohnmobile
Grund für den harten Schnitt: Um den neuen Regeln zur Cybersecurity,
die ab 7. Juli gelten, zu entgehen, müssen die Autos bis zum Stichtag
nicht nur produziert und ausgeliefert, sondern auch zugelassen sein.
Dadurch habe mein keinerlei Spielraum, heißt es in Hannover. Nur bei
der Camper-Version T6.1 California gebe es noch letzte
Bestellmöglichkeiten. Denn bei Wohnmobilen greifen die neuen Regeln
erst ab 1. September.
Dass es vor allem ältere Modelle wie den seit 2011 gebauten Up oder
den noch auf dem T5 von 2003 aufbauenden T6.1 trifft, liegt an dem
hohen Aufwand, den die Hersteller betreiben müssten, um die Autos fit
zu machen für die neuen Vorschriften. «Wir müssten da sonst noch
einmal eine komplett neue Elektronik-Architektur integrieren», sagt
VW-Markenchef Thomas Schäfer. «Das wäre schlichtweg zu teuer.» Dahe
r
habe man sich entschlossen, den beliebten Kleinwagen Up ohne direkten
Nachfolger einzustellen. «Leider», wie Schäfer hinzufügt. Denn
gefragt sei das Einstiegsmodell nach wie vor.
Nachrüstung würde Millionen kosten
In der Tat sei der Aufwand, den die Hersteller betreiben müssten,
enorm, sagt Stefan Bratzel vom Center of Automotive Management (CAM)
in Bergisch Gladbach. Die Kosten würden pro Fahrzeug in die Millionen
gehen. Für neu entwickelte Modelle gelten die strengeren Regeln
bereits seit Mitte 2022, für Alt-Modelle gab es zwei Jahre
Schonfrist, die jetzt ausläuft. Danach müssen die Hersteller
nachweisen, dass es schon bei der Entwicklung der Fahrzeuge ein
zertifiziertes Managementsystem zur Abwehr von Hackerangriffen gab,
und das nicht nur beim Hersteller selbst, sondern auch bei
Zulieferern. Das sei gerade bei sehr alten Modellen nachträglich nur
schwer zu machen, so der Autoexperte. Diesen Aufwand würden sich die
Hersteller daher lieber sparen.
Volkswagen Nutzfahrzeuge (VWN) verabschiedet sich schweren Herzens
vom T6.1, der bis zuletzt das meistverkaufte Modell der Marke war.
«Wir hätten das Auto sicher noch zehn Jahre lang weiterverkaufen
können», sagt Markenchef Carsten Intra. Doch mit den neuen EU-Regeln
sei das nicht machbar. Anders als beim Up soll es hier zumindest
einen Nachfolger geben, aber nicht nahtlos und nicht mehr aus
Hannover: Der neue Transporter, den VWN zusammen mit Ford entwickelt
hat und auch dort bauen lässt, wird erst im September enthüllt.
Porsche baut Verbrenner-Macan nur noch für Export
Bei Porsche sind die Bestellbücher für die Verbrenner-Versionen von
Macan, Boxster und Cayman ebenfalls geschlossen. Produziert werden
die Modelle in Leipzig und Osnabrück aber weiter - jedoch nur für den
Export. In Deutschland gibt es den Macan künftig nur noch in der
neuen vollelektrischen Generation, die gerade vorgestellt wurde. Den
Plan, beide eine Zeit lang parallel anzubieten, musste Porsche in
Deutschland aufgeben, nachdem sich der Start des Elektro-Macan wegen
Softwareproblemen zwei Jahre verzögert hatte. 2025 sollen dann auch
vollelektrische Nachfolger für Boxster und Cayman starten.
Auch andere Hersteller nehmen kurz vor dem Stichtag alte Modelle aus
dem Programm: Audi ließ das Sportcoupé TT Ende 2023 auslaufen und
schloss beim Sportwagen R8 die Bestellbücher. Mercedes-Benz stellt
Ende März die Produktion des alten Zweisitzers Smart EQ Fortwo ein,
der bisher parallel zum Nachfolger Smart #1 im Programm geblieben
war. Renault verabschiedet sich vom Elektro-Urgestein Zoe. Mit den
neuen Regeln zur Cybersecurity habe das aber nicht zu tun, versichern
alle drei. Die Modelle hätten schlicht das Ende ihres Lebenszyklus
erreicht. Allerdings, so fügt ein Audi-Sprecher hinzu, werde Mitte
Juni der letzte R8 ausgeliefert, damit er noch vor dem Stichtag im
Juli zugelassen werden könne. Eine Zukunft hätte das Modell also
ohnehin nicht gehabt.