EU will wieder Zölle für bestimmte Agrarprodukte aus der Ukraine Von Marek Majewsky, dpa

20.03.2024 13:46

Die EU will zulasten der Ukraine einen weiteren Schritt auf ihre
Bauern zugehen. Wegen des russischen Angriffskriegs setzte die EU
Zölle auf ukrainische Importe aus, jetzt sollen einige wieder kommen.

Brüssel (dpa) - Die EU will zur Unterstützung europäischer Landwirte

wieder Zölle auf hohe Mengen bestimmter Lebensmittel aus der Ukraine
einführen. Darauf einigten sich Unterhändler der EU-Staaten und des
Europaparlaments in am frühen Mittwochmorgen in Brüssel. Konkret geht
dabei um Eier, Geflügel und Zucker sowie Mais, Hafer, Grütze und
Honig, wie beide Institutionen mitteilten. Für diese Waren soll es
künftig ein gewisses Kontingent geben, das zollfrei in die EU
verkauft werden darf. Wenn diese Menge erreicht ist, werden wieder
Zölle fällig. Die Kontingente richten sich danach, wie hoch der
Import der Waren im Schnitt in den Jahren 2022 und 2023 war.

Die Regeln sollen nach der vorläufigen Einigung bis Juni 2025 gelten
und müssen noch formell von den EU-Staaten und dem Parlament
bestätigt werden. Kurz nach Beginn des russischen Angriffskrieges war
beschlossen worden, der Ukraine zollfreien Zugang zum EU-Markt zu
gewähren. Die Maßnahmen galten jeweils für ein Jahr. Nach Angaben des

für Handel zuständigen EU-Kommissars Valdis Dombrovskis hat die EU
nie zuvor derartige Maßnahmen zur Handelserleichterung ergriffen.

Keine harte Grenze für Weizen

Für die Einfuhr von Weizen sollen zunächst weiter keine Zölle gelten,

allerdings sollen unter bestimmten Bedingungen Maßnahmen ergriffen
werden können. Für den Generalsekretär des Deutschen Bauernverbandes,

Bernhard Krüsken, ist das nicht nachvollziehbar. Auch Weizen hätte
stärker einbezogen werden sollen, so der Bauernvertreter.

Die Ukraine ist ein weltweit wichtiger Produzent von Weizen, vor
allem Menschen in ärmeren Ländern sind auf günstiges Getreide aus dem

osteuropäischen Staat angewiesen. Wegen des russischen Angriffs auf
das EU-Nachbarland konnte zeitweise kein Weizen auf dem für den
Handel wichtigen Seeweg aus dem Land gebracht werden. Die Preise für
Weizen waren zeitweise deutlich gestiegen.  

Mit der Aussetzung der Zölle wollte die EU die Wirtschaft des
angegriffenen Landes stärken. Nach Angaben des Vorsitzenden des
Handelsausschusses des EU-Parlaments, Bernd Lange, werden der Ukraine
dadurch rund 2,1 Milliarden Euro an Zöllen pro Jahr erlassen, nun
könnten es rund 500 Millionen weniger werden. Das Parlament
garantiere der Ukraine trotzdem einen umfassenden zollfreien Zugang
für ein weiteres Jahr. 

«Das ist ein gutes Ergebnis der Solidarität und der wirtschaftlichen
Unterstützung der Ukraine», sagte der SPD-Politiker. Es
berücksichtige auch Absicherung gegen Verwerfungen in einigen
Regionen. Der handelspolitische Sprecher der Linken im
Europaparlament, Helmut Scholz, begrüßte das Ergebnis ebenfalls und
sprach von einem gelungenen Drahtseilakt. Der Vorsitzende der
CDU/CSU-Gruppe im EU-Parlament, Daniel Caspary, sagte, es sei nie
angedacht gewesen, dass Agrarprodukte den europäischen Markt fluteten
und heimische Landwirtschaft vor Probleme stellten. Der gefundene
Kompromiss bekomme die Interessen europäischer Landwirte sowie
ukrainischer Bauern unter einen Hut.  

Bauern im Osten der EU auf den Barrikaden

Mit der geplanten Wiedereinführung von Handelsbeschränkungen für
bestimmte Agrarwaren aus der Ukraine ab einer bestimmten Menge geht
die EU ein weiteres Mal auf Bäuerinnen und Bauern zu. Nach auch
gewaltsamen Protesten der Landwirte hatte etwa die EU-Kommission
bereits temporär weniger strenge Umweltauflagen ermöglicht. 

Im Zuge der andauernden Bauernproteste in der EU hatten etwa
besonders Landwirte aus Polen Änderungen der ukrainisch-europäischen
Handelspolitik gefordert. Seit Monaten kritisieren polnische Bauern
die Einfuhr günstigerer Agrarprodukte aus der Ukraine. Sie wollen
etwa verhindern, dass billigeres ukrainisches Getreide auf den
heimischen Markt gelangt. 

Landwirte aus vier weiteren östlichen EU-Ländern sahen sich durch
gestiegene Importe von Waren aus der Ukraine einer
unverhältnismäßigen Konkurrenz ausgesetzt. Jüngst wuchs aber auch d
er
Druck aus Frankreich. Getreideerzeuger seien durch einen Preisverfall
und explodierende Kosten geschwächt, sie würden seit Monaten unter
erheblichen Marktverzerrungen leiden, die durch den Zustrom von
ukrainischem Getreide in die EU verursacht worden seien, teilten die
französischen Agrarverbände AGPB und AGPM Mitte Februar mit. 

Der Druck der Bauern auf der Straße scheint damit weitere Wirkung zu
zeigen. Noch im September hatte Handelskommissar Dombrovskis mit
Blick auf östliche EU-Staaten gesagt: «Wir sehen derzeit keine
Marktverzerrungen in diesen fünf Mitgliedsstaaten.» Ungarn, Polen,
Slowakei, Rumänien und Bulgarien hatten die Einfuhren bestimmter
Agrarprodukte zeitweise eigenständig beschränkt. Eigentlich ist für
EU-Handelspolitik die EU-Kommission zuständig. EU-Staaten dürfen in
der Regel etwa nicht eigenständig bestimmte Importe verbieten. 

Aus Deutschland gab es bislang keine große Kritik an den
Handelserleichterungen für die Ukraine. Staatsministerin Anna
Lührmann (Grüne) hatte am Dienstagmorgen in Brüssel gesagt die
Bundesregierung setze sich dafür ein, dass die Ukraine weiterhin
Agrarprodukte exportieren könne.