Scholz beschwört vor EU-Gipfel Zusammenhalt in Ukraine-Politik

20.03.2024 18:00

Der Kanzler hält eine Regierungserklärung zum EU-Gipfel. Ein
zentrales Thema: der Ukraine-Krieg. Er bestimmt auch die Debatte. Es
gibt zwar kaum neue Argumente - aber einen heftigen Schlagabtausch.

Berlin (dpa) - Vor dem EU-Gipfel in Brüssel hat Bundeskanzler Olaf
Scholz (SPD) den Zusammenhalt der Staatengemeinschaft bei der
Unterstützung der von Russland angegriffenen Ukraine beschworen. «Wir
stehen zusammen», sagte er am Mittwoch in einer Regierungserklärung
im Bundestag. Die Botschaft an Kremlchef Wladimir Putin laute: «Wenn
der russische Präsident glaubt, dass er diesen Krieg nur aussitzen
muss, und wir schwächeln werden in unserer Unterstützung, dann hat er
sich verrechnet.» Russland könne nicht darauf spekulieren, dass der
Westen mit seiner Unterstützung für die Ukraine nachlassen werde.

Die CDU/CSU-Opposition schürte jedoch Zweifel, dass dies tatsächlich
die Position der Bundesregierung ist. Fraktionschef Friedrich Merz
(CDU) und CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt verwiesen dabei
auf die Äußerung des SPD-Fraktionsvorsitzenden Rolf Mützenich in der

vergangenen Woche über ein «Einfrieren» des Krieges in der Ukraine.
«Friedfertigkeit kann das Gegenteil von Frieden bewirken», warnte
Merz und ergänzte mit Blick auf Putin: «Einem solchen skrupellosen
Kriegsverbrecher kann man nicht mit Feigheit begegnen, sondern nur
mit Klarheit und Entschlossenheit.» 

Der Kanzler betonte, dass er sich in der vergangenen Woche mit dem
französischen Präsidenten Emmanuel Macron und dem polnischen
Ministerpräsidenten Donald Tusk noch einmal auf drei Prinzipien
verpflichtet habe. «Wir werden die Ukraine so lange unterstützen, wie
das nötig ist.» Gemeinsam werde man auch dafür sorgen, dass die Nato

nicht Kriegspartei werde. «Und wir werden keinen Diktatfrieden
zulasten der Ukraine akzeptieren.» Dem Dreier-Treffen am vergangenen
Freitag war ein offener Konflikt über die Ukraine-Strategie zwischen
Scholz und Macron vorausgegangen. Dieser war bei dem Dreier-Gipfel
nicht ausgeräumt worden. 

Scholz verlangt kontinuierliche Waffenproduktion

Scholz sprach sich auch für eine engere Kooperation in der
Europäischen Union bei der Beschaffung von Rüstungsgütern aus. «Wir

brauchen eine engere Zusammenarbeit in der Verteidigungswirtschaft,
eine Kooperation bei der Rüstung unserer Länder.» Es seien bereits
große Fortschritte erreicht worden - es sei aber noch mehr nötig.
Dass es jahrelang fast keine Kontakte zwischen den politisch
Verantwortlichen und der Verteidigungsindustrie gegeben habe, sei ein
Fehler gewesen. Dies habe man jetzt geändert. «Aber wir müssen
ausdrücklich sagen: Es muss bei den wichtigen Waffensystemen in
Deutschland und Europa gewährleistet sein, dass wir eine ständige
Produktion haben», sagte Scholz.

Aus Sicht des CDU-Vorsitzenden Merz erledigt die Bundesregierung hier
jedoch ihre Hausaufgaben nicht. «Wir brauchen auch in Deutschland
höhere Verteidigungsausgaben», verlangte der Oppositionsführer im
Bundestag.  

Merz warnt vor gefährlicher Debatte

Merz ging auch darauf ein, dass Scholz zur laufenden Debatte über die
deutsche Unterstützung für die Ukraine gesagt hatte, sie sei «an
Lächerlichkeit nicht zu überbieten». «Die Debatte, die in Ihrer
Koalition und vor allem in Ihrer eigenen Partei spätestens seit der
letzten Woche geführt wird, die ist nicht lächerlich. Diese Debatte
ist gefährlich. Sie ist gefährlich für den Frieden in Europa und sie

ist gefährlich für die Ukraine.» Diese müsse den Eindruck gewinnen,

dass die deutsche Hilfe befristet sei.

Dobrindt nannte die Mützenich-Äußerung ein «verheerendes Signal»
in
Richtung der europäischen Partner. «Zu Recht stellen sich Fragen, ob
Sie in Ihrer Ukraine-Politik, Herr Bundeskanzler, wirklich noch die
volle Unterstützung Ihrer Fraktion haben.»

Grüne wollen mehr Unterstützung der Ukraine

Erneut zeigten sich in der Debatte Dissonanzen unter den
Ampel-Partnern. So verlangte Grünen-Fraktionschefin Katharina Dröge
mehr Unterstützung für die Ukraine. Die Menschen dort zahlten jeden
Tag einen hohen Preis - und die Lage werde schlimmer. «Deswegen
ringen wir miteinander darum, wie wir die Ukraine noch besser
unterstützen werden.» Die Grünen würden hier weitermachen. Daran se
i
nichts lächerlich. Das sei keine Debatte, die man an irgendeiner
Stelle beenden könne. «Das ist am Ende das Mandat, das mich und uns
hier verpflichtet, das Richtige zu tun in außenpolitischen Fragen,
das Richtige am Ende auch zu tun für den Schutz unseres eigenen
Landes.» Viele Grünen-Politiker verlangen, dass Deutschland der
Ukraine auch weitreichende und hochpräzise Taurus-Marschflugkörper
liefern soll, was Scholz aber ablehnt. 

AfD: Bundesregierung macht Deutschland zur Kriegspartei

AfD-Fraktionschefin Alice Weidel warf der Bundesregierung vor,
Deutschland zur Kriegspartei zu machen. «Das Nein zum Taurus reicht
nicht. Faktisch agiert Deutschland wie eine Kriegspartei.» Es
beteilige sich durch die Sanktionen an einem «Wirtschaftskrieg gegen
Russland», liefere Waffen an die Ukraine und leiste in erheblichem
Umfang Finanzhilfen. «Statt mit Kriegstreiberei und Waffenlieferungen
die Eskalation voranzutreiben, muss die deutsche Politik sich wieder
auf ihre Stärken besinnen», forderte die AfD-Parteichefin. «Das
heißt, sie muss alles daransetzen, im Ukraine-Krieg als Vermittler
aufzutreten und Verhandlungen in Gang zu bringen.»

FDP-Fraktionschef Christian Dürr warf der AfD eine große Nähe zu
Putin vor. Ihre Position sei «unpatriotisch», betonte er. «Sie
handeln nicht im Interesse des deutschen Volkes, Sie schaden
Deutschland mit Ihrem Handeln.»  

Linke fordert ebenfalls diplomatische Friedensinitiative

Der Vorsitzende der Linken-Bundestagsgruppe, Sören Pellmann, betonte,
Waffenstillstand heiße nicht Akzeptanz des Unrechts, «es heißt
Beenden des Sterbens». Europa müsse jetzt eine eindrucksvolle, ernste
diplomatische Initiative starten. Parteigründerin Sahra Wagenknecht
forderte den Kanzler auf: «Bemühen Sie sich mit Ihren europäischen
Kollegen um Waffenstillstand und Friedensverhandlungen, damit das
Sterben in der Ukraine endlich ein Ende hat und Europa nicht in einen
Dritten Weltkrieg hineintaumelt.»