EU-Staaten wollen strengere Zoll-Vorgaben für ukrainische Agrarwaren

27.03.2024 20:31

Geplante Zoll-Regeln zulasten der Ukraine gehen manchen EU-Staaten
nicht weit genug. Um ihre Bauern weiter zu entlasten, will eine
Mehrheit geringere Kontingente, die zollfrei in die EU dürfen.

Brüssel (dpa) - Unter dem Druck von Bauern will eine Mehrheit der
EU-Staaten strengere Zollvorgaben für bestimmte Lebensmittel aus der
Ukraine. Die Botschafter der EU-Staaten einigten sich am
Mittwochabend auf einen neuen Kompromiss zu Zollvorgaben für
ukrainische Agrarprodukte, wie die belgische EU-Ratspräsidentschaft
mitteilte. Er sieht nach Angaben von Diplomaten vor, dass weniger
Waren als ursprünglich vorgesehen zollfrei in die EU verkauft werden
dürfen. Das dürfte zum Nachteil der ukrainischen Landwirtschaft
werden. Betroffen sind unter anderem Eier, Geflügel, Zucker und Mais.
Die Verschärfung der Vorgaben braucht auch im Europaparlament eine
Mehrheit. 

Eigentlich hatten sich bereits vergangene Woche Unterhändler der
Mitgliedsstaaten und des Europaparlaments auf neue Zoll-Vorgaben für
ukrainische Waren geeinigt. Konkret sollen von den Regeln betroffene
Waren nur noch bis zu einer bestimmten Menge zollfrei in die EU
importiert werden dürfen. Wenn diese Menge erreicht ist, werden
wieder Zölle fällig. Der zwischen Parlament und EU-Staaten vergangene
Woche erzielte Kompromiss sah vor, dass sich diese Menge nach dem
Schnitt der Importe in den Jahren 2022 und 2023 richtet. Diese
Referenzperiode soll nach Angaben aus Diplomatenkreisen nun auch das
zweite Halbjahr 2021 umfassen, als noch weniger der betroffenen
ukrainischen Waren in die EU verkauft wurden.

Hintergrund der Debatte ist, dass die EU kurz nach Beginn des
russischen Angriffskriegs auf sein Nachbarland ukrainische Waren von
Zöllen befreit hat. Damit sollte die Wirtschaft des Landes gestärkt
werden. Nach Angaben des für Handel zuständigen EU-Kommissars Valdis
Dombrovskis gab es nie zuvor derartige Maßnahmen zur
Handelserleichterung. Ein weiterer Vorteil: Wenn die ukrainische
Wirtschaft besser läuft, können die EU und ihre Mitgliedsstaaten auch
weniger Hilfsgelder an das angegriffene Land überweisen. Im Sommer
laufen die derzeit geltenden Zollerleichterungen für die Ukraine aus.
Wenn bis dahin keine neue Regelung gefunden wird, würden die
Handelserleichterungen ganz wegfallen. 

Diese Unterstützung ist vielen Bauern, vor allem im Osten der EU,
aber ein Dorn im Auge. Sie sehen sich durch günstige Agrarimporte aus
der Ukraine unverhältnismäßiger Konkurrenz ausgesetzt. Aber auch aus

Frankreich gibt es Stimmen, die strengere Zollregeln fordern. Wie
schlimm diese Auswirkungen der ukrainischen Exporte auf den Markt in
der EU aber tatsächlich sind, darüber wird gestritten. 

Noch am Dienstag hatte Bundesagrarminister Cem Özdemir (Grüne)
gesagt, die Verteidigung der Ukraine finde auch darüber statt, «dass
man sich an putinscher Propaganda nicht beteiligt». Das Problem
sinkender Getreidepreise liege nicht an ukrainischen Lieferungen.
«Dafür gibt es einfach keinerlei Belege. Wer das sagt, soll es bitte
schön durch Fakten, durch Zahlen belegen», so der Grünen-Politiker.
 

Vehemente Kritik an dem Vorstoß der EU-Staaten kommt aus dem
EU-Parlament. «Ich finde das unsäglich», sagte der Vorsitzende des
Handelsausschusses des Europaparlaments, Bernd Lange, der Deutschen
Presse-Agentur. Auf der einen Seite werde die unverrückbare
Solidarität mit der Ukraine proklamiert, aber wenn es um die
wirtschaftliche Stabilität gehe, würden die Schrauben angezogen.
«Diese Maßnahme ist rein emotional begründet, um die Diskussion mit
Landwirten zu Hause zu befrieden», so der SPD-Politiker. Dafür
zusätzliche Last den Ukrainern aufzuerlegen, sei inakzeptabel. 

Ein EU-Diplomat sagte der dpa zudem: «Die heutige Sitzung ist ein
harter Realitäts-Check für die EU-Solidarität und, was noch schlimmer

ist, ein düsterer Ausblick darauf, wie ein EU-Beitritt aussehen
wird.» Für viele Mitgliedstaaten gingen die jüngsten Forderungen
bereits zu weit. Die Ukraine hätte nach derzeitigen Regeln nach einem
Beitritt Anspruch auf einen großen Teil der Agrar-Fördergelder. 

Das Land ist ein weltweit wichtiger Produzent von Weizen, vor allem
Menschen in ärmeren Ländern sind auf günstiges Getreide aus dem
osteuropäischen Staat angewiesen. Wegen des russischen Angriffs auf
das EU-Nachbarland konnte zeitweise kein Weizen auf dem für den
Handel wichtigen Seeweg aus dem Land gebracht werden. Die Preise für
Weizen waren zwischenzeitlich deutlich gestiegen.

Auch wenn etwa Ungarn gefordert hatte, dass auch für Weizen
Kontingente eingeführt werden sollen, bleibt die Einfuhr von Weizen
aus der Ukraine zunächst zollfrei. Allerdings sollen unter bestimmten
Bedingungen Maßnahmen ergriffen werden können. Der Generalsekretär
des Deutschen Bauernverbandes, Bernhard Krüsken, sieht das kritisch.
Er hatte vergangene Woche mitgeteilt, das sei nicht nachvollziehbar.
Auch Weizen hätte stärker einbezogen werden sollen.