Volkswirte kritisieren Forschungspolitik: EU bei Hightech abgehängt

10.04.2024 11:36

München/Brüssel (dpa) - Volkswirte aus Frankreich, Deutschland und
Italien haben die EU-Forschungspolitik als unzulänglich und
bürokratisch kritisiert. Der Nobelpreisträger Jean Tirole von der
Toulouse School of Economics sagte am Mittwoch: «Die EU verliert den
Wettlauf um Innovationen.» Ihre völlige Abwesenheit in der Gruppe der
Top-20-Tech-Unternehmen und der Top-20-Start-ups sei bedrohlich. Das
gehe zulasten von Wohlstand und geopolitischem Einfluss. 

Im Europäischen Innovationsrat (EIC) säßen zu viele Beamte und zu
wenige Wissenschaftler. Für bahnbrechende Innovationen aus Europa
sollte die EU die politische Kontrolle über wissenschaftliche
Entscheidungen verringern, mehr führende Wissenschaftler einbeziehen
und diesen mehr Ermessensspielraum einräumen, fordern die Volkswirte
in ihrem am Mittwoch in Brüssel veröffentlichten Bericht. Bisher gebe
die EU nicht nur zu wenig für Forschung und Entwicklung aus, sondern
konzentriere sich zudem auf Mid-Tech-Branchen. In wachsenden
Hightech-Branchen wie der digitalen Wirtschaft dagegen werde Europa
«immer weiter abgehängt», sagte Ifo-Präsident Clemens Fuest. 

Mehr Geld könnte durch die Umverteilung eines Großteils des Budgets
des Europäischen Innovations- und Technologieinstituts (EIT) zur
Verfügung gestellt werden - das habe bisher offenbar nur wenig
erreicht, kritisierten die Volkswirte. Im Vergleich zu den USA seien
«die Bewerbungs- und Auswahlverfahren in der EU extrem bürokratisch
und unterliegen einem starren, komplizierten Regelwerk.» Um die
Wettbewerbsfähigkeit der EU zu verbessern, muss sie ihre
Forschungspolitik stärker auf bahnbrechende Innovationen
konzentrieren, sagte Fuest. Der Bericht «EU Innovation Policy - How
to Escape the Middle Technology Trap?» wurde unter der Leitung von
Tirole, Fuest und dem Mailänder Wirtschaftswissenschaftler Daniel
Gros erstellt.