Deutlich härtere Regeln? EU-Parlament stimmt Asylreform zu Von Stella Venohr, dpa

10.04.2024 19:13

Das EU-Parlament macht den Weg frei für schärfere Regeln im
Asylrecht. Was bedeutet das für die Migration nach Deutschland?

Brüssel (dpa) - Jahrelang wurde über das europäische Asylrecht
gestritten - nun hat das EU-Parlament einer Reform zugestimmt.
Geplant ist insbesondere ein deutlich härterer Umgang mit Menschen
aus Ländern, die als relativ sicher gelten. Antworten auf wichtige
Fragen.

Warum soll die Asylpolitik in der EU reformiert werden?

An einer Reform wird bereits seit 2015 und 2016 intensiv gearbeitet.
Damals waren Länder im Süden Europas wie Griechenland mit einer
Vielzahl von ankommenden Menschen aus Ländern wie Syrien überfordert.
Hunderttausende kamen unregistriert in andere EU-Staaten. 

Dies hätte eigentlich nicht passieren dürfen, denn nach der
sogenannten Dublin-Verordnung sollen Asylbewerber da registriert
werden, wo sie die Europäische Union zuerst betreten haben.

Wie soll es in Zukunft ablaufen, wenn Geflüchtete an einer
EU-Außengrenze ankommen? 

Die Reform sieht einheitliche Grenzverfahren an den Außengrenzen vor.
Geplant ist insbesondere ein deutlich härterer Umgang mit Menschen
aus Ländern, die als relativ sicher gelten. Bis zur Entscheidung über
den Asylantrag sollen diese Menschen bis zu zwölf Wochen unter
haftähnlichen Bedingungen in Auffanglagern untergebracht werden
können.

Menschen, die aus einem Land mit einer Anerkennungsquote von unter 20
Prozent kommen, sowie solche, die als Gefahr für die öffentliche
Sicherheit gelten, müssen künftig verpflichtend in ein solches
Grenzverfahren. Ankommende Menschen können dem Vorhaben nach mit
Fingerabdrücken und Fotos registriert werden, auch um zu überprüfen,

ob sie eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit sein könnten.

Was passiert bei Ankunft besonders vieler Asylsuchender?

Bei einem besonders starken Anstieg der Migration könnte von den
Standard-Asylverfahren mit der sogenannten Krisenverordnung
abgewichen werden. Zum Beispiel kann der Zeitraum verlängert werden,
in dem Menschen unter haftähnlichen Bedingungen festgehalten werden
können. Zudem könnte der Kreis derjenigen vergrößert werden, der f
ür
die geplanten strengen Grenzverfahren infrage kommt. Das gälte dann
für Menschen aus Herkunftsländern mit einer Anerkennungsquote von
maximal 50 Prozent.

Sind Familien mit Kindern vom Grenzverfahren ausgenommen?

Nein, und das, obwohl die Bundesregierung gefordert hatte, Familien
mit Kindern aus humanitären Gründen von den Grenzverfahren
auszunehmen. Dieses zentrale Anliegen scheiterte jedoch. Nur
unbegleitete minderjährige Flüchtlinge bilden eine Ausnahme.
Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) bedauerte dies und sagte,
dass nun bei der Umsetzung des neuen Asylsystems umso mehr darauf
geachtet werden müsse, «dass es fair, geordnet und solidarisch
zugeht».

Wie werden die Geflüchteten dann verteilt?

Die Verteilung der Schutzsuchenden auf die EU-Staaten wird den Plänen
zufolge mit einem «Solidaritätsmechanismus» neu geregelt: Wenn die
Länder keine Flüchtlinge aufnehmen wollen, müssen sie Unterstützung

leisten, etwa in Form von Geldzahlungen.

Ab wann soll das neue Recht gelten?  

Die Einigung muss noch von den EU-Staaten bestätigt werden. Das ist
normalerweise eine Formalität. Dann haben die EU-Staaten zwei Jahre
Zeit, um die Vorgaben umzusetzen. Das soll den Staaten an den
Außengrenzen genügend Zeit geben, entsprechende Einrichtungen zur
Unterbringung von Menschen aus Staaten mit einer Anerkennungsquote
von weniger als 20 Prozent zu schaffen.

EU-Innenkommissarin Ylva Johansson beteuerte, dass die
Mitgliedstaaten um Schnelligkeit bemüht seien. «Einige der
Mitgliedsstaaten haben bereits mehr oder weniger mit der Umsetzung
begonnen.»

Was heißt das jetzt für Deutschland?

Kurzfristig wird sich an der Situation in Deutschland nichts ändern.
Denn bis die nun politisch geeinten Regelungen in die Praxis
umgesetzt werden, kann es noch dauern. Die Analyse des konkreten
Anpassungsbedarfs in Deutschland sei noch nicht abgeschlossen, sagte
ein Sprecher des Bundesinnenministeriums auf Nachfrage. 

Dabei gehe es um rechtliche, praktische, technische und sonstige
Anpassungen. Die rechtlichen Anpassungen betreffen laut
Innenministerium voraussichtlich das Asylgesetz und das
Aufenthaltsgesetz, liegen zum Teil aber auch in den
Zuständigkeitsbereichen anderer Ressorts und der Länder. Gespräche
mit den anderen betroffenen Bundesressorts und den Ländern seien
geplant.

Könnte die Reform die Zahl der Geflüchteten in Deutschland
verringern?

Ja, denn ein Teil der Schutzsuchenden wird dann von den Außengrenzen
direkt zurückgeschickt, und die verschärften Regeln könnten
abschreckend wirken. Darauf hoffen neben den Verhandlern auch CDU und
CSU sowie Länder und Kommunen. 

Der Deutsche Städtetag dringt jedoch weiterhin auf sofortige
Unterstützung bei der Unterbringung der Geflüchteten. «Die Verordnung

soll ab 2026 von den Mitgliedstaaten angewendet werden. Doch schon in
einigen Monaten müssen sie mit der Vorbereitung und Umsetzung
beginnen. Das könnte sich dann schon auf die Migrationszahlen
auswirken, deutliche Effekte wird es aber von heute auf morgen nicht
geben», sagte Hauptgeschäftsführer Helmut Dedy der Deutschen
Presse-Agentur. «Bund und Länder bleiben deshalb weiterhin in der
Pflicht, auch die in Deutschland beschlossenen Maßnahmen zur
Flüchtlingsfinanzierung und zur besseren Steuerung von Migration
konsequent umzusetzen. Die Städte müssen dringend entlastet werden.»