EU-Parlament: Von der Leyen soll Personalentscheidung zurücknehmen

11.04.2024 17:02

Gibt es in der EU-Kommission von Ursula von der Leyen
Vetternwirtschaft? Eine Mehrheit im EU-Parlament hegt diesen Verdacht
und hat nun einen brisanten Antrag durchgebracht.

Brüssel (dpa) - Eine große Mehrheit im Europaparlament hat sich wegen
des Verdachts der Günstlingswirtschaft gegen die Ernennung des
deutschen CDU-Politikers Markus Pieper zum Beauftragten der EU für
kleine und mittelgroße Unternehmen gestellt. Die Abgeordneten
forderten die zuständige EU-Kommission von Ursula von der Leyen am
Donnerstag dazu auf, die Personalentscheidung zugunsten des 60 Jahre
alten Parteifreundes aus dem Münsterland rückgängig zu machen.  Ein

von Grünen, Sozialdemokraten und Liberalen verfasster Antrag dazu
wurde im Plenum mit 382 Stimmen angenommen. 144 Abgeordnete votierten
dagegen, 80 enthielten sich.

Als Grund für ihren Vorstoß hatten die Abgeordneten Zweifel daran
genannt, ob bei der Ernennung Piepers «die Grundsätze der Leistung,
der Ausgewogenheit der Geschlechter und der geografischen
Ausgewogenheit» berücksichtigt wurden. Indirekt wurde der
Kommissionspräsidentin vorgeworfen, mit Pieper gezielt einen
Parteifreund ausgewählt zu haben. Mit dem Antrag wird die Kommission
nun aufgefordert, «ein wirklich transparentes und offenes Verfahren»
für die Auswahl des Beauftragten einzuleiten.

Hintergrund der Vorwürfe ist unter anderem, dass in der Anfangsphase
des Bewerbungsverfahrens zwei Bewerberinnen aus Schweden und
Tschechien besser bewertet worden waren als der 60 Jahre alte Pieper.
Der aus dem Münsterland stammende CDU-Politiker setzte sich demnach
erst in den Auswahlgesprächen durch.

Von der Leyen will an Pieper festhalten

Parteifreunde von Pieper sowie Sprecher der EU-Kommission weisen den
Verdacht der Günstlingswirtschaft als vollkommen unbegründet zurück.

Sie sehen hinter dem Vorgehen der Abgeordneten eine politische
Kampagne gegen von der Leyen, die nach der Europawahl im Juni erneut
zur EU-Kommissionspräsidentin gewählt werden will. Dafür spreche,
dass EU-Kommissare aus Reihen der nun kritischen Parteifamilien
Einspruchsmöglichkeiten im behördeninternen Verfahren nicht
wahrgenommen hätten, heißt es.

Ein Sprecher von der Leyens machte am Donnerstag kurz nach der
Entscheidung deutlich, dass es keine Pläne gebe, die
Personalentscheidung rückgängig zu machen. Er betonte, dass bei dem
Auswahlverfahren alle Regeln eingehalten worden seien und dass jede
EU-Institution autonom über die Besetzung von Stellen entscheiden
könne.

CDUler soll fünfstelliges Monatsgehalt bekommen

Nach Angaben der Kommission soll Pieper den Posten der
Besoldungsgruppe AD 15 in der kommenden Woche wie geplant antreten.
Er wird dann laut der EU-Gehaltstabelle auf ein Monatsgrundgehalt von
mehr als 18 000 Euro kommen.

Mitarbeiter von der Leyens hatten bereits in den vergangenen Wochen
wiederholt darauf verwiesen, dass es in Bewerbungsprozessen
vollkommen normal sei, dass sich Kandidaten am Ende nicht
durchsetzten, die in den ersten Runden in Test noch besonders gut
abgeschnitten hätten. Zudem wurde unter anderem auf die jahrelange
Erfahrung Piepers in der Mittelstandspolitik verwiesen.

Christdemokraten  werfen Grünen Doppelmoral vor

Die christdemokratischen Abgeordneten Ivan Stefanec und Monika
Hohlmeier warfen am Donnerstag insbesondere den bei dem Antrag
federführenden Grünen Doppelmoral vor. In einigen Fällen hätten gr
üne
Minister aus EU-Mitgliedstaaten Personen ohne formelle
Bewerbungsverfahren eingestellt, argumentierte der Slowake Stefanec.
Die CSU-Abgeordnete Monika Hohlmeier verwies auf den Fall des wegen
Belästigungsvorwürfen zurückgetretenen deutschen Europaabgeordneten
Malte Gallée.  Sie kritisierte, die Grünen mahnten ständig eine
wirksamere Anti-Harrassment-Politik an, hätten in dem genannten Fall
aber selbst nicht die offiziellen Stellen eingeschaltet.