) Kreditnehmer hoffen auf Zinssenkung - «Letzte Meile ist schwierigste» Von Friederike Marx, dpa

11.04.2024 16:13

Die Inflation im Euroraum ist nach dem Preisschock infolge des
Ukraine-Krieges wieder auf dem Rückzug. Das eröffnet der EZB
Spielräume - von Kreditnehmer ersehnt und von Sparern befürchtet.

Frankfurt/Main (dpa) -  Kredite haben sich seit dem Ende der
Nullzinsphase im Euroraum verteuert. Immobilienkäufer, Hausbauer oder
Unternehmen hoffen daher auf eine baldige Senkung der Leitzinsen.
Bislang haben die Euro-Währungshüter die Zinszügel trotz deutlich
gesunkener Inflation allerdings nicht gelockert. Auch am Donnerstag
beließ der Rat der Europäischen Zentralbank (EZB) den Leitzins bei
4,5 Prozent. Volkswirte halten eine Senkung im Sommer aber für
wahrscheinlich.

Wie entwickelt sich die Inflation?

Nach Rekordhöhen infolge des russischen Angriffskrieges auf die
Ukraine hat sich die Teuerung im gemeinsamen Währungsraum der 20
Staaten mittlerweile wieder deutlich abgeschwächt. Im März stiegen
die Verbraucherpreise im Vergleich zum Vorjahresmonat nach einer
ersten Schätzung des Statistikamtes Eurostat um 2,4 Prozent. Im März
2023 lag die Inflationsrate noch bei 6,9 Prozent. Die Inflation sei
weiter zurückgegangen, erläuterte die Notenbank am Donnerstag. «Bei
den meisten Messgrößen der zugrunde liegenden Inflation ist eine
Entspannung zu verzeichnen» und das Lohnwachstum schwächt sich
allmählich ab.

Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer mahnte jüngst allerdings: «Im

Kampf gegen die Inflation ist die letzte Meile die schwierigste.» Die
EZB strebt mittelfristig eine jährliche Inflationsrate von zwei
Prozent an. Bei diesem Wert sehen die Währungshüter Preisstabilität
gewährleistet. Höhere Teuerungsraten schmälern die Kaufkraft von
Verbrauchern. Sie können sich dann für einen Euro weniger leisten. 

Warum zögert die EZB bislang mit Zinssenkungen?

Um die zeitweise hohe Inflation in den Griff zu bekommen, hatten die
Währungshüter im Juli 2022 die Jahre der Null- und Negativzinsen
beendet und die Zinsen zehnmal in Folge erhöht. Die Inflation nähert
sich inzwischen dem 2-Prozent-Ziel, doch die Notenbank möchte
sichergehen, dass die Gefahr stark steigender Preise tatsächlich
gebannt ist. Die jüngste Entwicklung der Teuerungsrate mache die
Währungshüter zuversichtlicher, aber «nicht hinreichend
zuversichtlich», hatte EZB-Präsidentin Christine Lagarde nach der
Ratssitzung im März gesagt. 

Nach Einschätzung von BVR-Chefvolkswirt Andreas Bley spricht vieles
für eine im Trend weiter sinkender Inflation, die Unsicherheiten
blieben aber hoch. Die Energiepreise stiegen aktuell wieder und die
Löhne wüchsen kräftig.  Daher sollte die EZB jeden weiteren
Zinsschritt von der Datenlage abhängig machen. «Ein Auf und Ab des
Leitzinses würde zu einer starken Verunsicherung der Bürgerinnen und
Bürger sowie der Finanzmärkte führen.»

Was bedeuten die Entscheidungen der EZB für Sparer?

Seit ihrem Höhepunkt gegen Ende vergangenen Jahres sind die
Festgeldzinsen nach Daten des Vergleichsportals Verivox bereits
spürbar gesunken.  Bundesweit verfügbare Festgeldanlagen mit zwei
Jahren Laufzeit bringen demnach im Schnitt zurzeit 2,89 Prozent
(Stand: 4. April), Anfang Dezember waren es 3,36 Prozent. Eine
Leitzinssenkung im Sommer sei in den aktuellen Festgeldkonditionen
schon weitgehend eingepreist, erläuterte Verivox-Experte Oliver
Müller. «Sollten die Währungshüter angesichts der gesunkenen
Inflation im Euroraum nicht nur eine, sondern sogar zwei
Leitzinssenkungen in Aussicht stellen, könnten die Festgeldzinsen
noch tiefer in den Keller gehen.»

Auf einem Festgeldkonto wird Erspartes für einen bestimmten Zeitraum
angelegt. Sparer können in dieser Zeit nicht über das Geld verfügen
und Geldhäuser ihre Konditionen nicht anpassen. Die Finanzinstitute
versuchen daher, die erwartete Zinsentwicklung im Voraus zu
berücksichtigen.

Beim Tagesgeld stagnieren die Zinsen bundesweit verfügbarer Angebote
den Verivox-Daten zufolge bei durchschnittlich 1,75 Prozent.
«Perspektivisch rechnen wir auch beim Tagesgeld mit sinkenden
Zinsen», sagte Maier.  Die Zinsen für täglich verfügbare Einlagen

können die Kreditinstitute jederzeit ändern und an die aktuelle
Marktlage anpassen. 

Was bedeuten sinkende Zinsen für Kreditnehmer?

Deka-Bank-Chefvolkswirt Ulrich Kater hält eine Leitzinssenkung im
Euroraum wie viele andere Volkswirte ab Juni für wahrscheinlich.
«Konsumkredite oder Baufinanzierungen werden allerdings nicht mehr
viel billiger werden, da hier bereits eine Reihe von künftigen
Zinssenkungen in den heutigen Konditionen vorweggenommen sind», sagt
Kater. Nach Daten der FMH-Finanzberatung werden beispielsweise für
zehnjährige Baukredite derzeit im Mittel 3,48 Prozent pro Jahr fällig
(Stand: 8. April) - Ende Oktober waren es noch über vier Prozent. 

Wie hängen Zinsen und Konjunktur zusammen?

Höhere Zinsen verteuern Kredite, was die Nachfrage bremsen kann. Das
hilft, die Inflationsrate zu senken. Zugleich sind teurere Kredite
eine Last für die Wirtschaft, weil sich kreditfinanzierte
Investitionen verteuern. Manche Unternehmen überdenken daher ihre
Investitionen. Private Hausbauer ebenso wie große Investoren halten
sich mit Bauprojekten zurück. Das kann neben anderen Faktoren wie
beispielsweise einem schwächeren Welthandel die
Wirtschaftsentwicklung im Euroraum dämpfen. Die Konjunkturaussichten
für den gemeinsamen Währungsraum hatten sich zuletzt eingetrübt. Die

EZB sagte in ihrer jüngsten Prognose im März 0,6 Prozent Wachstum für

dieses Jahr voraus, im Dezember waren noch 0,8 Prozent erwartet
worden. Wegen der Konjunkturschwäche waren Forderungen nach baldigen
Zinssenkungen laut geworden.