CDU-Politiker Pieper verzichtet nach Kritik auf Topjob in Brüssel

16.04.2024 02:23

Gibt es in der EU-Kommission von Ursula von der Leyen
Vetternwirtschaft? Eine Mehrheit im EU-Parlament hegt diesen
Verdacht. Ein deutscher Politiker zieht nun frustriert Konsequenzen.

Brüssel (dpa) - Der CDU-Politiker Markus Pieper verzichtet nach
heftiger Kritik an seiner Ernennung zum Beauftragten der
EU-Kommission für kleine und mittelgroße Unternehmen auf das
prominente Amt. Das teilte die Behörde unter der Leitung von Ursula
von der Leyen am späten Montagabend in Brüssel mit.

«Die Präsidentin respektiert und bedauert die Entscheidung von Markus
Pieper, sein Amt als KMU-Beauftragter nicht wie geplant am 16. April
anzutreten», erklärte ein Sprecher von der Leyens. Den Angaben
zufolge soll es für den Tobjob mit einem Monatsgrundgehalt von mehr
als 18 000 Euro nun eine Neuauflage des Auswahlverfahrens geben -
allerdings erst nach der Europawahl im Juni.

Pieper wirft Kritikern schlechten Stil vor

Das Europaparlament hatte die EU-Kommission zuvor wegen des Verdachts
der Günstlingswirtschaft aufgefordert, die Ernennung Piepers
rückgängig zu machen. Ein von Grünen, Sozialdemokraten und Liberalen

verfasster Antrag dazu wurde am Donnerstag im Plenum mit großer
Mehrheit angenommen. Kritik hatte es zuvor auch schon von
EU-Kommissaren aus dem Lager der Sozialdemokraten und Liberalen
gegeben - insbesondere von Thierry Breton, dem für den Binnenmarkt
zuständigen Ressortchef.

Vor allem den Protest des Franzosen nannte Pieper nun als Begründung
für seinen Rückzieher. «So, wie Breton meinen Amtsantritt schon im
Vorfeld innerhalb der Kommission boykottiert, sehe ich zurzeit keine
Möglichkeit, die mit dem Amt verbundenen berechtigten Erwartungen zu
erfüllen», sagte er dem «Handelsblatt». Dass ausgerechnet der für

Mittelstand und Bürokratieabbau verantwortliche Kommissar das
Verfahren infrage stelle, sei «schlechter Stil und ausschließlich
parteipolitisch motiviert». 

Vorwurf der Vetternwirtschaft

Die Europaabgeordneten hatten als Grund für ihren Antrag Zweifel
angeführt, ob bei der Ernennung Piepers «die Grundsätze der Leistung,

der Ausgewogenheit der Geschlechter und der geografischen
Ausgewogenheit» berücksichtigt wurden. Indirekt wurde der
Kommissionspräsidentin vorgeworfen, mit Pieper gezielt einen
Parteifreund ausgewählt zu haben. Mit dem Antrag wurde die Kommission
auch aufgefordert, «ein wirklich transparentes und offenes Verfahren»
für die Auswahl des Beauftragten einzuleiten.

Hintergrund der Vorwürfe ist unter anderem, dass in der Anfangsphase
des Bewerbungsverfahrens zwei Bewerberinnen aus Schweden und
Tschechien besser bewertet worden waren als der 60 Jahre alte Pieper.
Der aus dem Münsterland stammende CDU-Politiker und langjährige
Europaabgeordnete setzte sich demnach erst in den Auswahlgesprächen
durch.

Kampagne vor allem gegen von der Leyen?

Der Sprecher von der Leyens betonte am Montagabend erneut, dass
Pieper ein ausgewiesener Experte für KMU sei, der sich in einem
mehrstufigen Auswahlverfahren durchgesetzt habe. Zudem kritisierte er
indirekt den Antrag des Europaparlaments, indem er betonte, die
Entscheidungsfreiheit aller EU-Institutionen bei der Auswahl der
eigenen herausgehobenen Managementpositionen müsse respektiert
werden.

Die Kommission hatte noch in der vergangenen Woche betont, dass es
keine Pläne gebe, die Personalentscheidung rückgängig zu machen.
Ihren Angaben zufolge wurden bei dem Auswahlverfahren alle Regeln
eingehalten. Parteifreunde Piepers sehen hinter der Kritik eine
politische Kampagne gegen von der Leyen, die nach der Europawahl im
Juni erneut zur EU-Kommissionspräsidentin gewählt werden will. Dafür

spreche auch, dass EU-Kommissare aus Reihen der nun kritischen
Parteifamilien Einspruchsmöglichkeiten im behördeninternen Verfahren
nicht wahrgenommen hätten, heißt es.

Verbände hatten Ernennung Piepers begrüßt

Fraglich bleibt, wie die Wirtschaft auf die Neuvergabe des Postens
und Piepers noch zu benennenden Ersatz reagieren wird. Verbände
hatten die Ernennung des CDU-Politikers zuletzt gefeiert. «Markus
Pieper spricht sich seit Jahren für den dringend notwendigen
Bürokratieabbau aus und kennt die deutsche KMU-Landschaft mit ihren
vielen Stadtwerken und kommunalen Unternehmen», kommentierte der
Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft.  Der Zentralverband
des Deutschen Handwerks (ZDH) hatte Anfang Februar geschrieben, es
sei eine «gute Nachricht», dass nun explizit ein KMU-Beauftragter der
EU-Kommission benannt sei. Man setze darauf, dass sich Pieper als
«erfahrener Mittelstandspolitiker» schnell Herausforderungen wie dem
Bürokratieabbau annehmen werde.