Deutsche Spitzenkandidaten für Europa Von den dpa-Korrespondenten

09.06.2024 05:30

Als Zugpferde für den Europawahlkampf setzen in diesem Jahr viele
Parteien auf altbekannte politische Gesichter. Es gibt aber auch
Neulinge auf dem EU-Parkett - sogar eine Kapitänin ist mit dabei.

Berlin (dpa) - Bei der Europawahl sind an diesem Sonntag Millionen
Menschen in Deutschland dazu aufgerufen, den zukünftigen Kurs der EU
mitzubestimmen. Die großen Parteien schicken in diesem Jahr folgende
Frauen und Männer an Spitzenpositionen in den Wahlkampf:

CDU & CSU: Die wohl bekannteste deutsche Spitzenkandidatin ist die
frühere Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen. Im Gegensatz zu
den anderen Kandidaten bewirbt sich die 65-jährige CDU-Politikerin
allerdings nur um eine zweite Amtszeit als Präsidentin der
EU-Kommission und nicht um einen Sitz im Europäischen Parlament. In
der Regel kann den Spitzenposten diejenige europäische
Parteienfamilie besetzen, die bei der Europawahl insgesamt am besten
abschneidet.

Von der Leyen ist bereits seit 2019 Kommissionspräsidentin und in
dieser Funktion Chefin von rund 32 000 Mitarbeitern, die unter
anderem Vorschläge für neue EU-Gesetze machen und die Wahrung der
Europäischen Verträge überwachen. Zudem sitzt die aus Niedersachsen
stammende Politikerin bei fast allen großen internationalen
Gipfeltreffen wie G7 oder G20 als EU-Repräsentantin mit am Tisch. Das
US-Magazin «Forbes» kürte von der Leyen erst jüngst wieder zur
«mächtigsten Frau der Welt». Bevor sie Karriere in der Politik
machte, arbeitete die Mutter von sieben mittlerweile erwachsenen
Kindern als Medizinerin. 

Spitzenkandidat der CSU ist Manfred Weber. Der Politiker aus
Niederbayern war vor fünf Jahren auch Spitzenkandidat der
christdemokratischen Parteienfamilie EVP für den Posten des
Kommissionspräsidenten gewesen. Ihm gelang es letztlich aber nicht,
bei den Staatschefs im Europäischen Rat eine Mehrheit für seine Wahl
hinter sich zu vereinen, weswegen dann von der Leyen zum Zuge kam.
Der 51-jährige Weber ist heute Fraktionschef der Christdemokraten im
Europaparlament sowie Vorsitzender der Europäischen Volkspartei.
Bevor er hauptberuflicher Politiker wurde, studierte der
Hobby-Gitarrist physikalische Technik mit Schwerpunkt technischer
Umweltschutz an der Fachhochschule München. 

SPD: Katarina Barley führt die SPD als Spitzenkandidatin in die
Europawahl. Für die Juristin ist es die zweite Spitzenkandidatur nach
der Europawahl 2019. Bislang ist die 55-Jährige Vizepräsidentin des
Europäischen Parlaments. Sie war Bundesjustizministerin, zuvor
Familienministerin und SPD-Generalsekretärin. Die zweifache Mutter
ist seit 1994 Mitglied der SPD. «Ich bin Europäerin durch und durch»,

versichert Barley auf ihrer Internetseite. Die Mutter der gebürtigen
Kölnerin ist Deutsche, der Vater Brite. Studiert hat Barley unter
anderem in Paris. Im EU-Parlament hat sie sich für
Rechtsstaatlichkeit starkgemacht und ist als Kritikerin von Ungarns
Regierungschef Viktor Orban aufgefallen. 

FDP: Die 66 Jahre alte Marie-Agnes Strack-Zimmermann hat sich in den
vergangenen Jahren vor allem als streitbare Verteidigungspolitikerin
einen Namen gemacht. In ihrer Wahlkampagne wirbt sie für sich als
«Eurofighterin» - in Anlehnung an das Kampfflugzeug Eurofighter. Sie
wurde in Düsseldorf unter dem Namen Marie-Agnes Jahn geboren und ist
derzeit Vorsitzende des Verteidigungsausschusses im Bundestag.
Studiert hat sie an der LMU München Publizistik, Politik und
Germanistik. Privat fährt sie gern Motorrad. 

Grüne: Terry Reintke sieht sich als Kind des Ruhrgebiets, gilt als
selbstbewusste Feministin und Verfechterin einer starken
Sozialpolitik. Die 37-Jährige ist Vorsitzende der Grünen im
EU-Parlament und hat sich zum Ziel gesetzt, dass die Grünen im Süden
und Osten der EU punkten. Sollte von der Leyen nicht noch mal
Kommissionspräsidentin werden, könnte sie Deutschlands nächste
EU-Kommissarin werden. Reintke war in der Vergangenheit vor allem als
Kämpferin für Gleichberechtigung in Erscheinung getreten und lebt in
einer lesbischen Beziehung mit der französischen Senatorin Mélanie
Vogel. In der Affäre um den Rücktritt des Grünen-Europaabgeordneten
Malte Gallée war Kritik an ihr laut geworden, Gerüchten um
Belästigungsvorwürfe nicht genug nachgegangen zu sein.

AfD: Die AfD-Liste zur Europawahl führt Maximilian Krah (47) an, der
die Unterstützung des Rechtsaußen-Flügels der Partei genießt. Der
gebürtige Dresdner ist seit 2019 Europaabgeordneter. 2023
veröffentlichte der Rechtsanwalt ein Buch mit dem Titel «Politik von
rechts. Ein Manifest». Es erschien im Verlag von Götz Kubitschek, der
nach Einschätzung des Verfassungsschutzes zu den wichtigsten Akteuren
der sogenannten Neuen Rechten zählt. 

In den vergangenen Wochen war Krah mehrfach in die Schlagzeilen
geraten. Die AfD-Spitze erteilte ihm am 22. Mai ein Auftrittsverbot
im Wahlkampf. Konkreter Anlass waren umstrittene Äußerungen Krahs zur
SS. Doch Krah stand schon vorher unter Druck wegen der Spionageaffäre
um einen ehemaligen Mitarbeiter und wegen seiner Nähe zu Russland und
China. Er hatte beispielsweise der prorussischen Internetplattform
«Voice of Europe» Interviews gegeben. Diese steht unter Verdacht,
prorussische Propaganda in der EU verbreitet und Geld an europäische
Politiker gezahlt zu haben. Krah bestreitet, Geld aus dem Umfeld von
«Voice of Europe» angenommen zu haben.

Linke: Spitzenkandidat auf der Liste für die Europawahl ist
Parteichef Martin Schirdewan zusammen mit der parteilosen
Flüchtlings- und Klimaaktivistin Carola Rackete. Schirdewan ist
Bundesvorsitzender der deutschen Linken und bereits Co-Chef der
Linksfraktion GUE/NGL im Europaparlament. Der promovierte
Politikwissenschaftler wurde 1975 in Ostberlin geboren und war 2019
schon einmal Spitzenkandidat zur Europawahl. Rackete (36) wurde 2019
als Kapitänin international bekannt, als sie mit dem Schiff «Sea
Watch 3» mit aus Seenot geretteten Flüchtlingen trotz eines Verbots
der italienischen Behörden die Insel Lampedusa anlief.

Bündnis Sahra Wagenknecht: Für die Wagenknecht-Partei treten der
ehemalige Linken-Politiker Fabio De Masi und der ehemalige
SPD-Politiker Thomas Geisel als Spitzenkandidaten an. Der 44-jährige
De Masi saß von 2014 bis 2017 für die Linke im Europaparlament, bevor
er für die Linke in den Bundestag nach Berlin wechselte. 2021 schied
er aus dem Bundestag aus und erklärte 2022 seinen Austritt aus der
Partei die Linke. Der studierte Volkswirt machte sich einen Namen als
Aufklärer in Finanzskandalen, darunter der Cum-Ex-Skandal. Der
60-jährige Thomas Geisel war von 2014 bis 2020 Oberbürgermeister von
Düsseldorf und hat Jura und Politik studiert.