Russland kündigt Manöver seiner Nuklearstreitkräfte an Von Hannah Wagner, dpa
06.05.2024 17:01
Es ist eine neue Drohgebärde aus Moskau: Mitten im Krieg ordnet Putin
eine Übung seiner Atomstreitkräfte an. In Berlin sieht man dadurch
allerdings keine Veränderung der Lage.
Moskau (dpa) - Mehr als zwei Jahre nach Beginn des Angriffskriegs
gegen die Ukraine hat Russland auf Befehl von Präsident Wladimir
Putin ein Manöver seiner taktischen Nuklearstreitkräfte angekündigt.
Und auch, wenn es keine Hinweise darauf gibt, dass die Raketen im
Rahmen der Übung tatsächlich Atomsprengköpfe tragen: Es handelt sich
wohl um einen Einschüchterungsversuch der russischen Führung im
Kreml, die sich über Gedankenspiele westlicher Politiker über
mögliche Truppenentsendungen in die Ukraine ärgert.
Moskau will «Einsatz nicht strategischer Atomwaffen» üben
«Im Zuge der Übung wird eine Reihe von Aktivitäten durchgeführt, um
die Vorbereitung und den Einsatz nicht strategischer Atomwaffen zu
üben», teilte das Verteidigungsministerium in Moskau am Montag mit.
In der Mitteilung war allerdings keine Rede davon, dass bei dem
Manöver auch mit Raketen geübt wird, die tatsächlich Atomsprengköpf
en
tragen. Wann und wo genau die Übung beginnen soll, war zunächst
unklar. An der Übung teilnehmen sollen der südliche Wehrbezirk sowie
die Seestreitkräfte.
Bereits in der Vergangenheit hatte Russland seine Nuklearstreitkräfte
ohne Atomsprengköpfe trainieren lassen. So wurden etwa im Oktober zu
Übungs- und Abschreckungszwecken zwei Interkontinentalraketen und
mehrere Marschflugkörper abgefeuert.
Russland verärgert über Macrons Äußerungen zu Bodentruppen
Russische Vertreter wiederum versuchen seit Kriegsbeginn immer
wieder, im Westen Angst vor einem Atomkrieg zu schüren und so die
internationale Unterstützung für die Ukraine zu schwächen. Wegen
stockender Munitions- und Waffenlieferungen sind die Ukrainer derzeit
stark in die Defensive geraten.
Die nun angekündigte Übung begründete Moskau mit vermeintlich
«provokativen Äußerungen und Drohungen einzelner westlicher Beamter
gegen die Russische Föderation». Kremlsprecher Dmitri Peskow
bekräftigte auf Nachfrage von Journalisten, konkreter Anlass seien
unter anderem Äußerungen von Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron
gewesen, der einen Einsatz westlicher Bodentruppen in der Ukraine
nicht grundsätzlich ausschließen will. Solche Aussagen zeigten «die
Absicht, bewaffnete Kontingente in die Ukraine zu schicken»,
behauptete Peskow.
Tatsächlich aber hatte Macron zuletzt in einem Interview nur gesagt:
«Wenn die Russen die Frontlinien durchbrechen sollten, wenn es eine
ukrainische Bitte gäbe - was heute nicht der Fall ist -, dann sollten
wir uns die Frage berechtigterweise stellen.» Dies aber von
vornherein auszuschließen, bedeute, keine Lehren aus den vergangenen
beiden Kriegsjahren zu ziehen.
Macron hatte zuerst Ende Februar einen Einsatz von Bodentruppen in
der Ukraine nicht ausgeschlossen. Damals erntete er für seine Worte
auch innerhalb Europas Kritik. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) etwa
erteilte einer Entsendung westlicher Soldaten in die Ukraine damals
eine Absage.
Berlin sieht keine veränderte Lage
Ein Sprecher des Verteidigungsministeriums in Berlin sagte, dies sei
keine veränderte Lage. Von Änderungen in der Bereitschaft der
russischen Atomstreitkräfte sei nichts bekannt. Grünen-Chef Omid
Nouripour sprach von einer Provokation. Die Rücksichtslosigkeit im
Kreml sei groß. Es gehe darum, «uns einzuschüchtern», sagte Nouripo
ur
in Berlin. Dies werde aber nicht gelingen. Ein Sprecher des
EU-Außenbeauftragten Josep Borrell warf Moskau vor, nur an einer
weiteren Eskalation der Situation interessiert zu sein. Man fordere
Russland auf, das «Säbelrasseln» einzustellen und die Aggression
gegen die Ukraine zu beenden.
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen richtete ihren Blick
auf China, das gute Beziehungen zu Russland hat und sich schon in der
Vergangenheit einmal gegen Atomdrohungen ausgesprochen hatte. Nach
einem Treffen mit Frankreichs Präsident Emmanuel Macron und Chinas
Staats- und Parteichef Xi Jinping in Paris sagte von der Leyen, Xi
habe eine wichtige Rolle dabei gespielt, Russlands nukleare Drohungen
zu deeskalieren. «Ich bin zuversichtlich, dass Präsident Xi vor dem
Hintergrund der anhaltenden nuklearen Drohungen Russlands dies weiter
tun wird.»