Gericht erklärt EU-Genehmigung deutscher Condor-Hilfen für nichtig
08.05.2024 13:56
Die Beihilfen Deutschlands für die angeschlagene Fluggesellschaft
Condor sind ein Dauerbrenner vor den europäischen Gerichten. Nun
haben die Richter erneut ein deutliches Urteil gesprochen.
Luxemburg (dpa) - Das Gericht der Europäischen Union hat die
Genehmigung der millionenschweren deutschen Hilfen für den
Ferienflieger Condor für nichtig erklärt. Die EU-Kommission hätte ein
förmliches Prüfverfahren einleiten müssen, entschieden die Richter
am
Mittwoch in Luxemburg. Der deutsche Staat hatte die Condor 2019 mit
einem Kredit der Förderbank KfW gerettet, nachdem der damalige
Mutterkonzern Thomas Cook in die Pleite gerutscht war.
Die Brüsseler Behörde habe nicht ausreichend geprüft, ob Deutschland
durch die Beihilfe ein angemessener Anteil am künftigen Wertgewinn
von Condor zugesichert werde, befanden die Richter. Das wäre aber
erforderlich gewesen.
Dass das Gericht die Genehmigung gekippt hat, heißt nicht
zwangsläufig, dass die Gesellschaft das Geld sofort zurückzahlen
muss. Zum einen kann gegen das Urteil noch vor dem höchsten
europäischen Gericht, dem EuGH, vorgegangen werden. Außerdem könnte
die EU-Kommission unter bestimmten Umständen einen neuen Beschluss
erlassen.
«Das Urteil hat keine Auswirkungen auf die Geschäftslage und den
Flugbetrieb von Condor», sagte eine Sprecherin des Unternehmens in
Frankfurt. Die Kommission müsse nun die vom Gericht verlangte
vertiefte Prüfung der Beihilfe nachholen. Bei der Beihilfe sei es um
Darlehen gegangen, um den Flugbetrieb von Condor auch nach der
Insolvenz des früheren Mutterkonzerns Thomas Cook fortzusetzen. Für
den Ferienflieger habe stets eine positive Fortführungsprognose
bestanden.
Mit Hilfe des 2021 eingestiegenen Finanzinvestors und
Mehrheitseigners Attestor modernisiert Condor aktuell die Flotte. Die
Rückzahlung der Staatshilfen verlaufe nach Plan, betonte die
Sprecherin, ohne auf Details einzugehen. Laut früheren Äußerungen
soll die vollständige Übernahme durch Attestor spätestens 2026
erfolgen. Zunächst ist noch der deutsche Staat mit der
Treuhandgesellschaft «SG Luftfahrtgesellschaft» an Bord.
Mit einer sogenannten Umstrukturierungsbeihilfe wollte Deutschland
die Fluggesellschaft in Form von zwei Abschreibungen in Höhe von 90
und 20,2 Millionen Euro unterstützen, die Teil des im Oktober 2019
gestarteten Restrukturierungsplans von 321,2 Millionen Euro waren.
Die EU-Kommission, die als oberste Wettbewerbshüterin darauf achtet,
dass Unternehmen durch Staatshilfen keine unfairen Vorteile bekommen,
hatte das Vorhaben 2021 genehmigt. Dagegen wehrte sich die irische
Fluggesellschaft Ryanair vor dem Gericht der EU.
Die Richter gaben dem Antrag von Ryanair nun statt - allerdings nur
in Bezug auf eine Verletzung der Verfahrensrechte im Rahmen des
erforderlichen Prüfverfahrens. Die Richter stellten klar, dass
Ryanair die inhaltliche Rechtmäßigkeit des Beschlusses nicht
beanstanden konnte. Denn die irische Airline habe nicht nachgewiesen,
dass ihre wettbewerbliche Stellung durch die fragliche Beihilfe
spürbar beeinträchtigt werden könne und dass sie vom Beschluss der
Kommission individuell betroffen sei. Ryanair begrüßte das Urteil:
«Das Eingreifen des EU-Gerichts ist ein Triumph für den fairen
Wettbewerb und die Verbraucher in der gesamten EU», teilte ein
Ryanair-Sprecher mit. Die EU-Kommission betonte, sie werde das Urteil
sorgfältig prüfen und über mögliche nächste Schritte nachdenken.
Condor wurde in einem Schutzschirmverfahren saniert, und Anfang 2020
stand mit der LOT-Mutter PGL ein Investor bereit. Doch unmittelbar
nach dem Ausbruch der Corona-Pandemie sprangen die Polen ab - und der
deutsche Ferienflieger benötigte erneut staatliche Hilfe. Condor
wandte anschließend die drohende Insolvenz ab und verließ zum 1.
Dezember 2020 das Schutzschirmverfahren. 2021 fand sich dann ein
neuer Investor.
Es ist nicht das erste Mal, dass Beihilfen für Condor vor
europäischen Gerichten Thema sind. Ein früherer Beschluss der
EU-Kommission zu Corona-Beihilfen Deutschlands für Condor wurde
zunächst durch eine Ryanair-Klage zu Fall gebracht. Daraufhin
genehmigte die Brüsseler Behörde 2021 die Corona-Hilfen erneut - und
mit ihnen auch die Umstrukturierungsbeihilfe, um die es nun ging.
Eine weitere Klage Ryanairs gegen ein 380 Millionen Euro schweres
Rettungsdarlehen für Condor nach der Cook-Insolvenz wurde vom Gericht
der EU jedoch abgewiesen.
Der Fall Condor ist einer von vielen, in denen Ryanair gegen
staatliche Beihilfen für Konkurrenten vorgeht. Bisher hatte die
irische Airline in einigen Fällen Erfolg, in anderen aber nicht.
Condor und Ryanair hatten auch schon im vergangenen Jahr zusammen
erfolgreich gegen die deutsche Corona-Finanzspritze für die Lufthansa
geklagt, die die Lufthansa längst zurückgezahlt hat. In diesem Fall
steht ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) noch aus.