CSU in Bayern stärkste Kraft bei Europawahl Von Christoph Trost, Frederick Mersi und Michael Donhauser, dpa

09.06.2024 20:26

Die CSU fährt in Bayern ein solides, aber kein überwältigendes
Ergebnis bei der Europawahl ein. Zulegen können vor allem AfD und
Freie Wähler. Die Grünen werden abgestraft.

München (dpa/lby) - Bei der CSU hält sich der Jubel in Grenzen, bei
den Grünen bleibt er ganz aus: Die Europawahl hat am Sonntag ein
Stimmungsbild für die aktuelle politische Lage in Bayern geliefert.
Nach der jüngsten Hochrechnung von Infratest Dimap im Auftrag des
Bayerischen Rundfunks ist die CSU mit 39,5 Prozent der Stimmen klar
die stärkste Kraft. Die Christsozialen haben demnach ihr Ergebnis von
vor fünf Jahren (40,7 Prozent) nicht halten können, ihr Ergebnis von
der Landtagswahl 2023 von 37,0 Prozent aber übertroffen. Auf den
Plätzen folgen der Hochrechnung mit Stand 19.38 Uhr zufolge die
Grünen mit 12,3 Prozent der Stimmen (2019: 19,1 Prozent) im
Freistaat, vor der AfD mit 11,5 Prozent (2019: 8,5 Prozent). 

CSU-Chef Markus Söder wertete das Europawahlergebnis als klares Votum
gegen die amtierende Bundesregierung. «Die Ampel ist de facto von den
Bürgerinnen und Bürgern abgewählt worden», sagte Söder am
Sonntagabend in München. SPD, Grüne und FDP hätten zusammen fast ein

Viertel ihrer Wähler verloren. «Die Halbwertszeit der Ampel ist
maximal noch ein Jahr.» Dann müsse der «Spuk» vorbei sein. Für di
e
Union sei das Ergebnis eine gute Rampe für die Bundestagswahl. Das
CSU-Minus im Vergleich zu 2019 führte er unter anderem auf die
Tatsache zurück, dass es damals einen Schub durch die Ambitionen des
CSU-Mannes Manfred Weber auf das Amt des Kommissionspräsidenten
gegeben habe. 

Söder beklagte allerdings, dass das nationale AfD-Ergebnis - und das
trotz der Skandale der Partei - zu hoch sei. Das bleibe ein «harter
Arbeitsauftrag». Die AfD legte ersten Hochrechnungen zufolge
bundesweit noch mehr zu als in Bayern. Zum Ergebnis der Freien Wähler
sagte Söder, die nationalen und europäischen Träume der Partei seien

geplatzt und beendet: Diese werde weder in Europa noch in Deutschland
etwas bewegen. Die Freien Wähler sollten sich besser aufs Land und
die Kommunen konzentrieren.

Der CSU-Spitzenkandidat bei der Europawahl, Manfred Weber,
bezeichnete das Abschneiden seiner Partei am Sonntag als «tolle
Leistung». Dass die Christsozialen unter der 40-Prozent-Marke liegen
könnten, «das ärgert uns nicht», sagte Weber am Abend im Bayerische
n
Rundfunk. Seine Partei liege über dem Stimmenanteil bei der
Landtagswahl im Oktober 2023 von 37,0 Prozent, betonte Weber. «Wenn
wir jetzt darüber liegen, dann stärkt das die CSU.» Er kündigte e
in
«bürgerliches Europa» an.

In der CSU wird das Ergebnis tatsächlich aber auch differenziert
bewertet: Das absolute Mindestziel, nicht noch unter das vergangene
Landtagswahlergebnis von 37 Prozent zurückzufallen, wurde zwar
erreicht. Mehr aber auch nicht. Die 40,7 Prozent von der Europawahl
2019 werden wohl unterschritten. Und auch Umfragen hatten die CSU ja
vor kurzem noch bei 41 bis 43 Prozent gesehen. 

Bundesweit lag die Partei am Sonntagabend Hochrechnungen zufolge bei
mehr als sechs Prozent. Damit droht ihr zumindest bei der nächsten
Bundestagswahl angesichts der Fünf-Prozent-Hürde und des neuen
Wahlrechts nach aktuellem Stand keine Gefahr. Nur ein schwacher Trost
ist aber auch, dass der bayerische Regierungspartner - die Freien
Wähler - im Vergleich zur Landtagswahl deutlich schwächer
abgeschnitten hat. Denn diese Wähler sind eben offenbar auch nicht in
Scharen zur CSU gewandert.

Die jüngste Hochrechnung für Bayern sah die SPD am Sonntagabend auf
Rang vier mit 8,8 Prozent (2019: 9,3 Prozent) vor den Freien Wählern
mit 7,0 Prozent (2019: 5,3 Prozent). Die FDP (2019: 3,4 Prozent)
folgte mit 4,0 Prozent vor dem BSW mit 3,6 Prozent. Die
Wahlbeteiligung lag laut Infratest Dimap bei 64 Prozent und damit
deutlich höher als 2019 (60,8). 

Freie-Wähler-Parteichef Hubert Aiwanger begrüßte, dass seine Partei
künftig einen dritten Abgeordneten nach Brüssel schicken können wird.

«Nach obenhin ist natürlich immer Luft, aber ich bin ja schon froh,
dass wir nicht verloren haben», sagte Aiwanger am Sonntagabend im
Bayerischen Rundfunk. «Viele andere müssen Wunden lecken. Wir können

feiern.»

Für das Ziel der Freien Wähler, in den Bundestag einzuziehen, dürfte

das Abschneiden bei der EU-Wahl aber eher ein Dämpfer sein.
Bundesweit erhielt die Partei den ersten Prognosen zufolge deutlich
weniger als drei Prozent der Stimmen. Für den Einzug in den Bundestag
reiche ein solches Ergebnis noch nicht, räumte Aiwanger ein. «Aber
wir haben noch mehr als ein Jahr Zeit und wir werden natürlich einen
Bundestagswahlkampf ganz anders führen wie diesen Europawahlkampf.»

Die Fraktionschefin der Grünen im bayerischen Landtag, Katharina
Schulze, bezeichnete das Abschneiden ihrer Partei als nicht
zufriedenstellend. Das Ergebnis müsse nun in Ruhe analysiert werden,
sagte sie. Der Landesvorsitzende der AfD, Stephan Protschka, sah
seine Partei dagegen im Aufwind. Man werde eine starke Delegation
nach Brüssel schicken, deren Stimmen im Parlament auch willkommen
seien. Protschka reagierte damit auf die Distanz anderer europäischer
Rechtspolitiker gegenüber der deutschen AfD, etwa der Französin
Marine Le Pen. 

Zur Europawahl waren in Bayern bis zu 10,4 Millionen Menschen
aufgerufen. Darunter sind rund 220 000 16- und 17-Jährige, die nach
der Absenkung des Wahlalters erstmals mitwählen dürfen. Neben 9,57
Millionen Deutschen waren auch etwa 822 000 Personen mit einer
anderen EU-Staatsangehörigkeit zur Wahl in Bayern berechtigt. Sie
konnten entscheiden, ob sie in Bayern oder in ihrem
Herkunftsmitgliedstaat wählen wollten.