Von bedrückend bis sehr zufrieden - Reaktionen auf die Europawahl

10.06.2024 15:03

Das Europawahl-Ergebnis hallt im politischen Rheinland-Pfalz nach,
ganz unterschiedlich. Es wird nach Berlin gezeigt und über
Mediennutzung geredet. Abwarten ist bei den Kommunalwahlen angesagt.

Mainz (dpa/lrs) - Großer Wahlsieger CDU, erstarkte AfD, lange
Gesichter bei SPD und Grünen. So lassen sich das Ergebnis der
Europawahl in Rheinland-Pfalz und dessen Folgen grob zusammenfassen.
Entsprechend fielen die Reaktionen in der Landespolitik aus, die
zudem noch auf Ergebnisse der Kommunalwahlen wartet. 

Die CDU holte bei der Europawahl am Sonntag 30,7 Prozent der Stimmen.
Das waren zwar 0,6 Prozentpunkte weniger als vor fünf Jahren, und
doch wurde die Union in allen zwölf kreisfreien Städten sowie allen
24 Landkreisen stärkste Partei. 2019 hatten noch die Grünen in den
Universitätsstädten Mainz, Landau und Trier die meisten Stimmen
eingefahren. 

Mit der Marke um die 30 Prozent sei er sehr zufrieden, sagte Gordon
Schnieder, CDU-Generalsekretär und Vorsitzender der CDU-Fraktion im
Landtag, am Montag in Mainz. Es sei aber durchaus noch Luft nach
oben.

AfD sieht sich auf Weg zur Volkspartei

Der zweite Wahlgewinner war die AfD, die mit 14,7 Prozent (plus 4,9)
drittstärkste Kraft wurde. In Germersheim landete sie bei der
Europawahl sogar mit 27,2 Prozent auf Rang eins. Landeschef Jan
Bollinger nannte den Wahlausgang am Sonntagabend einen «wichtigen
Meilenstein» auf dem Weg, in Rheinland-Pfalz eine Volkspartei zu
werden. 

Die im rheinland-pfälzischen Landtag vertretenen Freien Wähler
erhielten 5,2 Prozent (plus 2,3), für den stellvertretenden
Landesvorsitzenden Christian Zöpfchen ein herausragendes Ergebnis.
Besonders erfreulich sei, dass der rheinland-pfälzische
Spitzenkandidat Joachim Streit den Einzug in das Europaparlament
geschafft habe. Damit muss auch der Posten des Fraktionschefs der
Freien Wähler im Landtag in Mainz neu vergeben werden. 

Ganz anders die Gemütslage beim Gros der Ampel-Parteien, die in
Rheinland-Pfalz die Landesregierung stellen. Die SPD erzielte ein
Ergebnis von 17,5 Prozent (minus 3,8), die Grünen kamen auf 9,3
Prozent (minus 7,4) und die FDP auf 5,9 Prozent (plus 0,1). Die
SPD-Fraktionschefin Sabine Bätzing-Lichtenthäler nannte das
Abschneiden der Sozialdemokraten enttäuschend, mit Blick auf die
Werte der AfD bedrückend. 

Bätzing-Lichtenthäler: Menschen haben Ventil gesucht

Ein Stück weit hätten die Menschen ein Ventil gesucht für den Frust,

den sie mit der Ampel im Bund verspürten, sagte Bätzing-Lichtenthäler

am Montag. Sie hoffe, dass nun verstanden werde, dass offener Streit
einzudämmen sei. «Man kann um die besten Lösungen ringen, aber nicht

in der Öffentlichkeit.» Gleichzeitig halte sie nichts davon, nun
kurzfristig über Personalwechsel nachzudenken. 

Grünen-Fraktionschefin Pia Schellhammer bezeichnete das Resultat der
Europawahl als «herben Dämpfer». Die Verluste etwa bei jungen Wähle
rn
schmerzten. Entscheidend werde, wie junge Menschen wieder erreicht
werden könnten. Richtung Bundes-Ampel müsse klar gemacht werden, dass
die Art der Kommunikation deutlich besser werden müsse. Bei allem
dürfe aber auch nicht vergessen werden, dass die Grünen bei der
Europawahl 2019 ein herausragendes Ergebnis eingefahren hätten, auf
dem Höhepunkt der Klimaproteste. 

Deutlich positiver reagierte FDP-Fraktionschef Philipp Fernis auf den
Ausgang der Europawahl. In einer Gemengelage, in der der FDP auch
Existenzfragen gestellt worden seien, nehme er das Ergebnis mit
Zufriedenheit zur Kenntnis, sagte Fernis am Montag. Seine Partei habe
das Thema der Entlastungen von Bürgerinnen und Bürgern richtig
gesetzt. Dagegen müsse sich die SPD ganz andere Fragen stellen. Das
Thema Sozialstaat etwa sei für arbeitende Menschen ein viel kleineres
als für die organisierte Sozialdemokratie. 

Mehrere Politiker haben Tiktok im Blick

Er habe die Hoffnung, Menschen, die diesmal AfD gewählt hätten,
zurückzugewinnen. «Gerade bei jungen Menschen sind die Chancen enorm
hoch», sagte Fernis. Eine zentrale Frage sei, wie mit der Veränderung
des Mediennutzungsverhaltens umgegangen werde. Wenn man sehe, dass
die AfD auf Tiktok mehr Follower habe als alle anderen Parteien,
müsse man sich fragen, inwieweit das an der Logik und dem
Funktionieren des Netzwerks liege. 

CDU-Fraktionschef Schnieder sagte, auch wenn es noch zu früh für eine
eingehende Analyse sei, müsse über Tiktok geredet werden, wo sehr oft
einfache und kurze vermeintliche Antworten gegeben würden. Insgesamt
sei ein enormer Vertrauensverlust in alle etablierten Parteien zu
spüren, es brauche wieder mehr Verlässlichkeit in der Politik. Eine
Europawahl sei immer ein Stück weit eine Protestwahl. 

Als Protest wertete Schnieder auch das Abschneiden der neuen Partei
BSW von Sahra Wagenknecht, die auf Anhieb bei der Europawahl auf 4,7
Prozent in Rheinland-Pfalz kam. Parteimitglied Andreas Hartenfels,
der als fraktionsloser Abgeordneter auch im Landtag sitzt, sprach mit
Blick auf das Gesamtergebnis der Europawahl von einer «klaren roten
Karte für die Ampelregierung in Berlin». 

Anders als das Ergebnis der Europawahl lag das landesweite Resultat
der Kommunalwahl in Rheinland-Pfalz noch nicht vor. Bei der
Abstimmung für die Kreistage, Stadt- und Gemeinderäte sowie
Ortsbeiräte war es möglich, mehrere Stimmen zu vergeben. Die
Wählerinnen und Wähler konnten ihre Stimmen auf verschiedene
Kandidaten verteilen oder einem einzelnen Bewerber mehrere geben.
Wegen dieses komplizierten Systems wird erst Mitte der Woche mit dem
abschließenden Ergebnis gerechnet. 

Klar ist bereits, dass die CDU-Fraktion einen neuen Parlamentarischen
Geschäftsführer braucht. Der bisherige, Martin Brandl, wurde am
Sonntag bereits im ersten Wahlgang zum neuen Landrat des pfälzischen
Kreises Germersheim gewählt, mit 50,0 Prozent der gültigen Stimmen.
«Es ist ein Traumjob, Verantwortung für den Heimatkreis zu
übernehmen», sagte Brandl am Montag der Deutschen Presse-Agentur. Das
sei seine Hauptmotivation gewesen, von Mainz nach Germersheim zu
wechseln.