Rechtsruck im Südwesten

10.06.2024 14:56

Die AfD schneidet stark ab bei der Europawahl - auch im Südwesten.
Sie kann ihre Position in jedem der 44 Stadt- und Landkreise
verbessern. Die Ergebnisse der Kommunalwahl stehen indes noch aus.

Stuttgart (dpa/lsw) - Die AfD hat bei den Europawahlen im Südwesten
in sämtlichen Stadt- und Landkreisen hinzugewonnen. Ihr stärkstes
vorläufiges amtliches Endergebnis erzielte sie bei diesem Vergleich
im Stadtkreis Pforzheim mit 23,2 Prozent der Stimmen, wie das
Statistische Landesamt in Fellbach bei Stuttgart am Montag mitteilte.
In der kleinen Gemeinde Spiegelberg im Rems-Murr-Kreis konnte die
Partei nach vorläufigem Ergebnis mit 29,7 Prozent sogar den höchsten
Stimmenanteil erreichen - sie liegt dort vor der CDU. Vertreter
anderer Parteien hatten ihre Sorge über das starke Abschneiden der
Rechtspopulisten ausgedrückt.

Sieg für CDU, Dämpfer für Grüne

Die CDU hatte die Europawahl in Baden-Württemberg am Sonntag klar
gewonnen, die Grünen sind hingegen deutlich abgestürzt: Die
Christdemokraten kamen laut dem vorläufigen Endergebnis auf 32,0
Prozent der Stimmen. Die Grünen erzielten nach Angaben des
Statistischen Landesamtes nur noch 13,8 Prozent und rutschten auf
Platz drei. Die AfD wurde mit 14,7 Prozent zweitstärkste Kraft im
Land - trotz wochenlanger bundesweiter Negativschlagzeilen über
mögliche Verbindungen der AfD-Kandidaten nach Russland und China. Die
SPD erreichte den Angaben zufolge im Land 11,6 Prozent, die FDP 6,8
Prozent. Die neu gegründete Partei Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW)
kam auf 4,5 Prozent.

Das Ergebnis der Europawahl zeige deutlich, dass linke und grüne
Politik vom Bürger nicht mehr gewünscht werde, sagte AfD-Landeschef
Markus Frohnmaier am Montag auf einer Pressekonferenz in Stuttgart.
Er warf CDU-Landeschef Manuel Hagel vor, weiterhin an dem Bündnis mit
den Grünen von Ministerpräsident Winfried Kretschmann festzuhalten.
«Eigentlich müsste die Union den Weg freimachen, dass wir hier in
Baden-Württemberg eine frühere Landtagswahl haben», sagte
Frohnmaier. 

Kretschmanns Wahlkreis ist CDU-Hochburg

Die CDU erzielte auf Ebene der Stadt- und Landkreise ihr bestes
Ergebnis im Landkreis Sigmaringen mit 41,7 Prozent, dem Wahlkreis von
Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne). Ihr schlechtestes
Ergebnis erhielt die Partei im Stadtkreis Freiburg im Breisgau mit
15,4 Prozent.

Die Grünen verlieren dagegen in allen 44 Stadt- und Landkreisen. Im
Stadtkreis Freiburg im Breisgau erreichen sie ihren höchsten
Stimmenanteil (30,3 Prozent), im Neckar-Odenwald-Kreis ihren
niedrigsten (7,6 Prozent). Die SPD erzielt ihr bestes Ergebnis mit
16,5 Prozent im Stadtkreis Mannheim, ihr schlechtestes im Landkreis
Biberach mit 7,5 Prozent. Die FDP erreichte im Landkreis Reutlingen
mit 8,9 Prozent ihr bestes Ergebnis, ihr schwächstes hingegen im
Neckar-Odenwald-Kreis (4,4 Prozent).

In Tübingen wählen die meisten

Die Wahlbeteiligung bei der Europawahl war im Landkreis Tübingen mit
71,8 Prozent am höchsten. In Pforzheim war sie mit 55,3 Prozent am
niedrigsten, wie das Statistische Landesamt in der Nacht zum Montag
mitteilte. Im Südwesten gibt es 44 Stadt- und Landkreise. Landesweit
war die Wahlbeteiligung in Baden-Württemberg den Angaben zufolge
leicht gestiegen: In diesem Jahr gingen 66,4 Prozent der Menschen
wählen. Vor fünf Jahren waren es 64,0 Prozent gewesen. 

Kommunalwahlergebnisse lassen weiter auf sich warten

Am Tag nach den Kommunal- und Europawahlen in Baden-Württemberg waren
am Montag erste Ergebnisse der Wahlen zu Gemeinderäten,
Ortschaftsräten und Kreistagen erwartet worden. Weil die Wahlen teils
sehr kompliziert sind, hatten die meisten Städte im Land am Sonntag
nur die Europawahl ausgezählt und begannen erst am Montag mit der
Auswertung der Kommunalwahlen. Erste landesweite Ergebnisse will das
Innenministerium am Dienstag bekanntgeben.

Erste Prognosen aus den drei größten Städten des Landes sagten den
Grünen bei der Gemeinderatswahl wie auch bei der Europawahl Verluste
voraus. SWR-Prognosen zufolge fallen die Einbußen aber in Stuttgart,
Karlsruhe und Mannheim nicht so stark aus wie bei den Europawahlen.
Traditionell schneiden die Parteien im Südwesten in den Städten und
auf dem Land unterschiedlich ab.

Die CDU könnte in Stuttgart und Mannheim laut Prognosen stärkste
Kraft werden. In Karlsruhe halten die Grünen diese Position
voraussichtlich trotz Verlusten. Zugelegt hat demnach im Vergleich
zum Ergebnis vor fünf Jahren die AfD. Gestiegen ist laut Prognose
auch die Wahlbeteiligung bei den Kommunalwahlen in den drei
Metropolen.

Kommunalpolitik ist nah dran am Bürger

Bei der Kommunalwahl werden alle fünf Jahre die Gemeinderäte in 1101
Städten und Gemeinden, die Kreisräte in den 35 Landkreisen sowie die
Ortschaftsräte gewählt. Zudem stimmen die Bürger in der Region
Stuttgart über die Mitglieder der Regionalversammlung ab. Deren
Amtsperiode dauert ebenfalls fünf Jahre. Bei den Wahlen waren
landesweit etwa 8,6 Millionen Menschen wahlberechtigt. 

Der Gemeinderat ist die Volksvertretung in einer Gemeinde. Er
beschließt Gesetze, kontrolliert den Bürgermeister und die Verwaltung
und stellt den Haushaltsplan auf. Die Gemeinde bestimmt etwa darüber,
wie oft Busse fahren, wie teuer der Besuch im Hallenbad ist oder wo
neue Häuser gebaut und welche Schulen saniert werden. Auch die
Kindergärten werden meist von den Gemeinden betrieben. Die
Entscheidungen sind für Bürger mitunter also sehr viel spürbarer als

die Gesetze aus Berlin.