SPD sieht Europawahl als «Weckruf für die Bundesebene»

10.06.2024 15:28

Die SPD verlor auf Bundesebene und auch in Niedersachsen an
Wählerstimmen. Der Blick des Landesverbandes geht nach der Europawahl
verstärkt auf die Bundesebene.

Hannover (dpa/lni) - Niedersachsens SPD schaut besorgt auf das
Abschneider der Partei bei der Europawahl. Generalsekretärin Dörte
Liebetruth bezeichnete das Ergebnis als «Denkanstoß oder Weckruf für

die Bundesebene» und äußerte Kritik am Auftreten der Ampelregierung
unter Kanzler Olaf Scholz (SPD). 

«Was wir uns wünschen, ist, dass diese Bundesregierung die Probleme
dieses Landes gemeinsam löst und dass sie gemeinsam, wenn es
koalitionsinterne Probleme gibt, die hinter verschlossenen Türen
klärt und dann nach außen geht und weiter diese Probleme löst», sag
te
Liebetruth am Montag in Hannover.

Ministerpräsident Weil: Richtig schlechtes Ergebnis 

Ministerpräsident Stephan Weil hatte sich bereits am Sonntag
enttäuscht gezeigt vom Abschneiden der SPD. «Das ist für die SPD
insgesamt im Bund und in allen Ländern ein richtig schlechtes
Ergebnis», sagte Weil im NDR. 

Von den in Berlin regierenden Koalitionsparteien fiel die SPD auf
13,9 Prozent und damit auf ihr schlechtestes Ergebnis bei einer
bundesweiten Wahl zurück. Auf Landesebene verloren die
Sozialdemokraten ebenfalls - und holten mit 19,5 Prozent 1,6
Prozentpunkte weniger als noch bei der Europawahl 2019. 

CDU-Landeschef: 2027 Ministerpräsident stellen

Die CDU legte im Vergleich zur Wahl 2019 um 1,5 Prozentpunkte zu und
kam in Niedersachsen auf 31,4 Prozent der Wählerstimmen. Die AfD
wurde drittstärkste Kraft und konnte ihr Ergebnis um mehr als 5
Prozentpunkte auf 13,2 Prozent verbessern. Die Grünen waren ein
großer Wahlverlierer und halbierten ihr Ergebnis fast - sie kamen
noch auf 12,2 Prozent. 

Der CDU im Land dürfte das Ergebnis Rückenwind geben. Landeschef
Sebastian Lechner sagte im NDR, es sei der Anspruch der Union, das
Europawahl-Ergebnis weiter auszubauen und 2027 im Bundesland den
Ministerpräsidenten zu stellen. Lechner gilt als aussichtsreicher
Kandidat bei der Landtagswahl in drei Jahren. 2026 sind zudem
Kommunalwahlen in Niedersachsen. 

Grünen-Landesvorsitzende Greta Garlichs sagte am Wahlabend zu den
deutlichen Verlusten ihrer Partei: «Es war voraussehbar, dass wir das
Ergebnis von 2019 angesichts eines schwierigen, polarisierenden
Wahlkampfes nicht wieder erreichen werden. Die Ausgangslage war mit
dominierenden bundespolitischen Themen und viel Desinformation im
Netz eine völlig andere.» Dennoch könne man nicht zufrieden sein. 


AfD-Fraktionsvorsitzender fordert Reform der EU

Klaus Wichmann, Fraktionsvorsitzender der AfD im niedersächsischen
Landtag, sagte im NDR, es sei wichtig, dass in der EU kritische
Stimmen vertreten seien. Er kritisierte etwa einen
«Bürokratiewahnsinn». Die EU liefere bei Themen nicht - etwa bei
sicheren Außengrenzen, sagte er. Eine Reform der EU ist aus Sicht von
Wichmann notwendig. Wenn diese nicht gelinge, müsse man über die
Option nachdenken, die EU zu verlassen, betonte der AfD-Politiker.
Die AfD erreichte bundesweit mit 15,9 Prozent ihr bislang bestes
Ergebnis bei einer bundesweiten Abstimmung, in Ostdeutschland wurde
die Partei mit Abstand stärkste Kraft. 

Neun Abgeordnete aus Niedersachsen - aber Veränderungen

Im EU-Parlament werden unterdessen weiterhin neun Abgeordnete aus
Niedersachsen sitzen. Sie vertreten dort die CDU, SPD, Grüne, FDP,
AfD sowie Volt, wie die Landeswahlleitung am Montag mitteilte. Auf
die CDU entfielen dabei drei Plätze, auf die Sozialdemokraten zwei
und auf die übrigen Parteien jeweils ein Platz im Parlament. 

Die CDU vertreten weiterhin David McAllister, Jens Gieseke und Lena
Düpont, bei der SPD gibt es mit Tiemo Wölken und Bernd Lange
ebenfalls keine Veränderungen. Für die Grünen arbeitet weiterhin
Katrin Langensiepen im Parlament, die Partei verliert allerdings
einen Platz. Für die FDP zieht erneut Jan-Christoph Oetjen ein. Neu
sind Anja Regine Arndt (AfD) und Kai Tegethoff (Volt). 

In Niedersachsen waren mehr als sechs Millionen Menschen aufgerufen,
ihre Stimme abzugeben. Die Wahlbeteiligung lag bei 64,1 Prozent, das
waren 2,6 Prozentpunkte mehr als 2019. Jugendliche ab 16 Jahren
konnten erstmals ihre Stimme bei einer Europawahl in Deutschland
abgeben, bislang lag das Mindestwahlalter bei 18 Jahren. Rund 138 000
Menschen im Alter von 16 und 17 Jahren konnten in Niedersachsen somit
erstmalig ihr Kreuz bei einer Europawahl machen.