«Die AfD ist in Sachsen eine Macht»: Wahlen für Sachsen ein Fingerzeig

10.06.2024 19:10

Die AfD bekommt in Sachsen erneut die meisten Stimmen bei der
Europawahl. Sie liegt auch bei den Kreistagswahlen vorn. Wird der
Freistaat nach der Landtagswahl im September unregierbar?

Dresden/Kamenz (dpa/sn) - Nach dem deutlichen Wahlsieg bei der
Europawahl sieht sich Sachsens AfD im Aufwind und fordert ein
Umdenken der anderen Parteien. «Die Partei, die die meiste
Wählerzustimmung hat, kann man nicht auf Dauer ignorieren», sagte
AfD-Landeschef Jörg Urban am Montag in Dresden. Er hoffe nach diesem
Ergebnis nun auf «Bewegung im Parteienspektrum». Ohne die AfD werde
man keine konservative Politik mehr machen können. Er forderte die
anderen Parteien auf, die Brandmauer gegen seine Partei zu
überdenken. Die Blockadehaltung sei am Ende eine schädliche Haltung
für das Land.

Nach dem vorläufigen Ergebnis holte die vom Landesverfassungsschutz
als rechtsextremistisch eingestufte Partei 31,8 Prozent der Stimmen.
Die CDU musste sich mit 21,8 Prozent geschlagen geben. Das Bündnis
Sahra Wagenknecht kam aus dem Stand auf 12,6 Prozent, dahinter
landeten mit einigem Abstand SPD (6,9), Grüne (5,9) und Linke (4,9).

Auch bei der Wahl der neuen Kreistage lag die AfD in allen zehn
Landkreisen vorn, ebenso in den Stadträten der Großstädte Dresden und

Chemnitz. Nur in Leipzig musste sie sich CDU und Linken geschlagen
geben und kam auf Platz 3. 

In den Landkreisen erzielte die CDU ihr bestes Ergebnis im
Erzgebirgskreis mit 29,3 Prozent. Dort war das vorläufige Ergebnis
äußerst knapp: Die Christdemokraten lagen nur 0,1 Prozentpunkte
hinter der AfD. Im Kreis Görlitz war der Abstand dagegen mit 12,5
Prozentpunkten am größten. Vor fünf Jahren hatte die CDU noch acht
von zehn Landkreisen gewonnen.

Nach den Ergebnissen vom Sonntag könnte es nach der Landtagswahl in
Sachsen am 1. September eine komplizierte Regierungsbildung geben,
sagte der Dresdner Politikwissenschaftler Hans Vorländer. Man müsse
die Möglichkeit in Betracht ziehen, dass nur die AfD, die CDU und das
BSW in den Landtag einziehen. «Dann hat die CDU ein großes Problem.»

Laut Vorländer gibt es nach dem jetzigen Ergebnis Zweifel, dass die
CDU es schaffe, nochmals vor die AfD zu ziehen. «Die AfD ist in
Sachsen eine Macht. Sie ist stark verwurzelt und hat sich bei dieser
Wahl noch einmal behauptet. Das gilt vor allem für Ostsachsen.»

Derweil lehnt die sächsische CDU eine Kooperation mit der AfD weiter
strikt ab. «Wir haben klare inhaltliche Gründe, warum es keine
Zusammenarbeit mit dieser Partei geben kann», sagte Generalsekretär
Alexander Dierks am Montag in Dresden. Alle hätten beobachten können,
wie diese Partei sich in den vergangenen Jahren aufgestellt habe. Sie
profitiere von einer Stimmung und Ohnmachtserfahrung vieler Menschen.
In ganz Ostdeutschland sei es nicht gelungen, die Stimmung in der
Bevölkerung in eine Stimmung für die Union umzumünzen.

Da SPD, Grüne und Linke nicht weit von der Fünf-Prozent-Hürde
entfernt seien, könne man auch ein Parlament mit drei Fraktionen -
AfD, CDU und BSW - nicht ausschließen, sagte der Leipziger
Politikwissenschaftler Hendrik Träger der Deutschen Presse-Agentur in
Dresden. «Dann hätte die CDU die Wahl, ob sie mit der neuen Partei
von Sahra Wagenknecht oder mit der AfD zusammenarbeitet.» Nun müssten
die Parteien der politischen Mitte im Wahlkampf überlegen, inwieweit
sie im jeweils anderen den Hauptkonkurrenten sehen und sich
aufeinander einschießen. BSW und AfD brauchten in diesem Fall nicht
viel machen und könnten trotzdem ein gutes Ergebnis einfahren,
erläutert Träger.

Für BSW-Landeschef Jörg Scheibe ist das Wahlergebnis ein Beleg dafür,

dass viele Bürger mit der herrschenden Politik sehr unzufrieden seien
und sich dort nicht wiederfänden. Das Bündnis Sahra Wagenknecht habe
von den Wählern einen großen Vertrauensvorschuss erhalten. Das
Ergebnis gebe Rückenwind für die Landtagswahl. Es gehe für das BSW
nun darum, mit möglichst vielen Kandidaten in den Landtag
einzuziehen. «Uns geht es um Inhalte. Wir wollen von unseren Inhalten
so viel wie möglich umsetzen.» Einen Ministerpräsidenten der AfD
könne man sich nicht vorstellen. Man sehe sich in der Mitte der
Gesellschaft verortet. 

Sachsens Grüne appellierten an den Zusammenhalt der anderen Parteien,
es stehe schließlich die «demokratische Regierbarkeit» Sachsens auf
dem Spiel. Es müsse Schluss sein mit gegenseitigen Fingerzeigen und
Schuldzuweisungen, betonte Landeschefin Marie Müser. «Wir dürfen
jetzt das politische Klima nicht weiter vergiften, denn die Lage ist
ernst.»