Bundestrend bestimmt Wahl im Saarland - Rehlinger: «Das war schlecht» Von Katja Sponholz und Birgit Reichert, dpa

10.06.2024 16:43

Das Ergebnis der Europawahl im Saarland liegt im Bundestrend - bis
auf eine kleine Ausnahme, meint ein Politikexperte. Die CDU fühlt
sich als Gewinnerin, der SPD macht auch das AfD-Ergebnis Sorgen.

Saarbrücken (dpa/lrs) - Das Ergebnis der Europawahl im Saarland
spiegelt nach Einschätzung des Politikwissenschaftlers Uwe Jun die
Stimmung gegenüber der Bundespolitik wider. «Die CDU profitiert
eindeutig vom Bundestrend», sagte Jun am Montag der Deutschen
Presse-Agentur in Trier. «Die Saar-CDU hat den Rückenwind mitgenommen
wie umgekehrt die Saar-SPD den Gegenwind aus Berlin auch hinnehmen
musste.» 
Deswegen müsse die SPD im Saarland zwar Rückgänge hinnehmen. Sie
liege aber mit ihren rund 20 Prozent immer noch deutlich über dem
Bundesschnitt. Die Bundespolitik habe auch «entscheidend darauf
hingewirkt, dass die AfD im Saarland so stark geworden ist», sagte
Jun. Insgesamt habe bei der Wahl «die Europapolitik wenig und die
Landespolitik gar keine nennenswerte Rolle gespielt».

Rehlinger: «In mehrfacher Hinsicht» nicht zufrieden

Nach Ansicht der Ministerpräsidentin und Saar-SPD-Vorsitzenden Anke
Rehlinger kann die Partei mit dem Ergebnis der Europawahl «in
mehrfacher Hinsicht» nicht zufrieden sein. Zum einen, weil es nicht
gelungen sei, einen saarländischen SPD-Abgeordneten ins Europäische
Parlament zu entsenden. Zudem, weil es das historisch schlechteste
Ergebnis war und die SPD hinter der AfD gelandet sei. «Da braucht man
nicht nach positiven Ansatzpunkten zu suchen, sondern das ist einfach
unbefriedigend oder um es deutlich zu sagen: Das ist schlecht.»

Vor allem das AfD-Ergebnis bereite ihr Sorgen: Allerdings sei die
Zeit nicht dafür da, Wähler zu beschimpfen, «sondern Aufgabe an uns
ist, zu gucken - und das ist uns nicht gelungen -, eine demokratische
und sozialdemokratische Alternative zu bieten». Dies müsse künftig
besser gelingen. Gleichzeitig gelte mit Blick auf die
Bundesregierung: «Ein "Jetzt erst recht' ist in Ordnung, aber ein
"Weiter so' wäre die falsche Konsequenz für die weitere Arbeit in
Berlin.»

Politikwissenschaftler Jun führt das überdurchschnittlich gute
Abschneiden vom Bündnis Sahra Wagenknecht BSW im Saarland unter
anderem darauf zurück, dass die Linke im Saarland schon immer stark
und ein Teil von ihr «heimatlos» geworden sei. Dieser Teil sei
Wagenknechts Ehemann Oskar Lafontaine gefolgt, der seit der Gründung
des BSW Anfang des Jahres dort Mitglied ist. Wagenknecht und
Lafontaine leben im saarländischen Merzig.

Toscani: «Wir sind klarer Wahlsieger»

Die CDU wurde bei der Europawahl im Saarland trotz Verlusten klar
stärkste Kraft. Die Christdemokraten holten 29,3 Prozent der Stimmen,
3,2 Punkte weniger als bei der Europawahl 2019. Die im Saarland
allein regierende SPD erhielt 20,5 Prozent (minus 2,6 Punkte). «Wir
sind klarer Wahlsieger», sagte der CDU-Vorsitzende Stephan Toscani.
Es gebe «gewissen Rückenwind» für die Landtagswahlen 2027. Er werte

dies zudem als «Misstrauensvotum gegen die amtierende rote Ampel in
Berlin» und als «Dämpfer» für Rehlinger und ihre SPD.

Drittstärkste Partei wurde die AfD mit 15,7 Prozent (plus 6,0
Punkte). Die Grünen rutschten deutlich ab auf 6,6 Prozent (minus 6,6
Prozent), die FDP holte 4,7 Prozent (plus 1,0). Die neue Partei BSW
erreichte 7,9 Prozent und lag damit klar über dem Bundesergebnis. Die
Wahlbeteiligung lag im Saarland bei 67,9 Prozent (plus 1,6 Punkte).

Parteien: Auch Ampel hat Ergebnis geprägt

Nach Ansicht des Grünen-Landesvorsitzenden Volker Morbe kommuniziert
die Ampel derzeit nicht optimal die guten Dinge, die stattfänden.
«Sie kommen bei der Bevölkerung nicht an oder werden nach draußen
zerredet. Da ist noch Handlungsbedarf.» Auch FDP-Generalsekretär
Marcel Mucker wertete das Ergebnis als «Rückmeldung an die Ampel»,
die Kommunikation zu verbessern. Die Wähler goutierten es generell
selten oder nie, wenn es Streit zwischen den Parteien gebe.
Linken-Vorsitzende Barbara Spaniol meinte, dass ihre Partei bei der
Europawahl auch von dem schlechten Bundestrend getroffen wurde. Zudem
habe es eine zu starke Fokussierung auf dem Klimaschutz gegeben.
Hingegen zeigte sich der AfD-Landesvorsitzende Carsten Becker mit dem
Wahlergebnis «hochzufrieden».