Viel Schwarz und lokale Unterschiede - Europawahl in Rheinland-Pfalz Von Christian Schultz, dpa

10.06.2024 16:45

Die Europawahl hat eindeutige Gewinner und Verlierer, die Parteien
schneiden je nach Region sehr unterschiedlich ab. Dafür gibt es nach
Einschätzung einer Analyse des Landeswahlleiters einige Gründe.

Mainz/Bad Ems (dpa/lrs) - Die Europawahl in Rheinland-Pfalz hat
einige Verschiebungen mit sich gebracht. Die CDU hat ihre
Spitzenposition ausgebaut, die AfD kräftig zugelegt. Auch ein Neuling
der politischen Landschaft schlug sich beachtlich. Ein Überblick: 

Wer waren die Sieger der Europawahl in Rheinland-Pfalz?

Da ist zuerst die CDU zu nennen mit landesweit 30,7 Prozent der
Stimmen. Das waren zwar 0,6 Prozentpunkte weniger als vor fünf
Jahren, und doch wurde die Union in allen zwölf kreisfreien Städten
sowie allen 24 Landkreisen stärkste Partei. 2019 hatten die Grünen
noch in den Städten Mainz, Trier und Landau vorn gelegen, die SPD im
westpfälzischen Kusel. Rechnet man die zwölf kreisfreien Städte, die

29 verbandsfreien Gemeinden sowie die 129 Verbandsgemeinden im Land
zusammen, war die Union diesmal in 169 dieser 170 kommunalen
Einheiten vorn. 

Einzige Ausnahme ist das pfälzische Germersheim, hier setzte sich die
AfD mit 27,2 Prozent als stärkste Partei durch. Landesweit wurde die
AfD bei der Europawahl mit 14,7 Prozent (plus 4,9) drittstärkste
Kraft und zählt damit ebenfalls zu den Siegern des Urnengangs - wie
auch die neue Partei BSW von Sahra Wagenknecht, die auf Anhieb bei
der Europawahl auf 4,7 Prozent in Rheinland-Pfalz kam. Die im
rheinland-pfälzischen Landtag vertretenen Freien Wähler erhielten 5,2
Prozent und konnten sich über ein Plus von 2,3 Prozentpunkten
freuen. 

Wer zählte zu den Verlierern? 

Das größte Minus mussten mit 7,4 Prozentpunkten die Grünen hinnehmen,

sie landeten am Ende bei 9,3 Prozent nach dem fulminanten Ergebnis
bei der Europawahl von 2019. Nach unten ging es auch für die SPD, um
3,8 Prozentpunkte auf 17,5 Prozent. Die Sozialdemokraten verlieren
laut Landeswahlleiter bereits seit 1994 bei Europawahlen
kontinuierlich Stimmenanteile. Die 17,5 Prozent nun sind demnach der
niedrigste Stimmenanteil der SPD bei einer Europa-, Bundes- oder
Landtagswahl in Rheinland-Pfalz. Die Linken sind mit nunmehr 1,7
Prozent nahezu in der Bedeutungslosigkeit verschwunden. 

 Wer schlug sich wo am besten?

Die Ergebnisse der Parteien bei der Europawahl in Rheinland-Pfalz
sind regional sehr unterschiedlich. Nach einer Analyse des
Landeswahlleiters war die CDU im Nordwesten des Landes sehr stark.
Ihr bestes Ergebnis holte sie mit 47,2 Prozent der gültigen Stimmen
in der Verbandsgemeinde Adenau in der Eifel - und ist dort fast
doppelt so stark wie die SPD mit ihrem stärksten Ergebnis von 25,7
Prozent in der Verbandsgemeinde Loreley. 

Für die AfD lief es im Nordosten und der Pfalz am besten. Da sind zum
einen die 27,2 Prozent in Germersheim knapp vor der CDU, in Pirmasens
kommt die AfD auf 25,3 Prozent. Dort erhalten die Grünen wiederum mit
4,4 Prozent den geringsten Zuspruch. Die meisten Stimmen gibt es für
die Grünen mit 21,6 Prozent in der Landeshauptstadt Mainz. Die FDP
kommt in Rheinhessen und den Kreisen Ahrweiler und Bad Dürkheim auf
ihre besten Resultate, spitze sind 9 Prozent in der Verbandsgemeinde
Wachenheim im Kreis Bad Dürkheim. 

Die Freien Wähler können anteilig in der Eifel und an der Grenze zu
Luxemburg die meisten Wähler überzeugen, der Spitzenwert beträgt 26
Prozent in der Verbandsgemeinde Bitburger Land. Die neue Partei BSW
von Sahra Wagenknecht kam in der Südwestpfalz und im Raum
Kaiserslautern zu ihren stärksten Ergebnissen, in der
Verbandsgemeinde Weilerbach im Kreis Kaiserslautern holte das Bündnis
mit 7,9 Prozent ihr bestes Resultat. 

Was sind mögliche Erklärungen für die Stimmenverteilungen?

Unter dem Strich hat sich laut Landeswahlleiter gezeigt, dass die AfD
und das BSW vor allem in strukturschwachen Regionen stark
abgeschnitten haben. Je höher der Anteil arbeitsloser Menschen an der
Bevölkerung sei und je mehr Menschen in einem Verwaltungsgebiet auf
Sozialleistungen angewiesen seien, desto besser fielen die Ergebnisse
dieser beiden Parteien aus. «Sozioökonomische Aspekte dürften bei der

Wahlentscheidung der Rheinland-Pfälzerinnen und Rheinland-Pfälzer
somit eine wichtige Rolle gespielt haben.» Außerdem habe sich ein
Zusammenhang zwischen einem hohen Bevölkerungsanteil jüngerer
Menschen von 15 bis 19 Jahren und den Stimmenanteilen von AfD und BSW
gezeigt. 

Auch die Konfession spielt laut Landeswahlleiter weiter eine
deutliche Rolle. Während CDU und Freie Wähler in Gebieten mit einem
hohen Katholikenanteil überdurchschnittliche Ergebnisse erzielen,
erreichen SPD und AfD ihre höchsten Stimmergebnisse in
Verwaltungseinheiten mit einem hohen Anteil an Protestanten. Grüne
und Linke wiederum punkten demnach in Gebieten, in denen viele
Menschen leben, die weder katholisch noch evangelisch sind.

Wie sah die Wahlbeteiligung aus?

Sie lag bei der Europawahl in Rheinland-Pfalz diesmal bei 66,7
Prozent, 1,9 Prozentpunkte mehr als bei der vorangegangenen
Europawahl 2019. Erstmals hatten diesmal auch die 16- und 17-Jährigen
im Land ihre Stimme abgeben dürfen. Laut Landeswahlleiter holten die
AfD, die Linke und das BSW dort eher wenige Stimmen, wo die
Wahlbeteiligung höher ausfiel. 

Welche Rheinland-Pfälzer werden nun Teil des neuen EU-Parlaments? 

Insgesamt werden es sechs sein, darunter zwei in Brüssel neue
Gesichter. Wieder dabei ist die CDU-Politikerin Christine Schneider
(52), die Pfälzerin ist bereits seit 2019 EU-Abgeordnete und war
zuletzt parlamentarische Geschäftsführerin der CDU/ CSU-Gruppe. Der
zweite Unionsvertreter ist der 52-jährige Ralf Seekatz aus dem
Bezirksverband Koblenz-Montabaur. Die bisherige Vizepräsidentin des
Europäischen Parlaments, Katarina Barley aus dem Raum Trier, zieht
wieder für die SPD in das Parlament ein. Die 55-Jährige war
Spitzenkandidatin der Bundes-SPD. 

Die Stimme der Grünen aus Rheinland-Pfalz in Brüssel ist erneut Jutta
Paulus. Die 57-Jährige gehört dem EU-Parlament ebenfalls seit 2019
an. Die Kandidatur des ehemaligen Landrats (Eifelkreis Bitburg-Prüm)
und aktuellen Fraktionsvorsitzenden der Freien Wähler im Landtag,
Joachim Streit, war im ersten Anlauf erfolgreich. Der 59-Jährige
stellvertretende Bundesvorsitzende der Freien Wähler kandidierte auf
Platz drei der Bundesliste. 

Für die AfD, die bei der Europawahl deutlich zulegen konnte, ist nach
Parteiangaben Alexander Jungbluth dabei. Der 37-Jährige ist ebenfalls
ein Neuling in Brüssel. Nicht geschafft hat es neben anderen der
parteilose Mainzer Arzt und Sozialmediziner Gerhard Trabert, der für
die Linke auf Platz vier der Bundesliste kandidiert hatte. «Es ist
nicht wichtig, dass ich nicht den Einzug ins Europäische Parlament
geschafft habe», sagte er der Deutschen Presse-Agentur. «Es
erschüttert mich, dass es zu so einem erneuten Rechtsruck gekommen
ist.»