Brandenburg rückt nach rechts - AfD sieht Rückenwind für Landtagswahl Von Monika Wendel, Oliver von Riegen und Wilhelm Pischke, dpa

10.06.2024 17:20

Die AfD siegt nicht nur bei der Europawahl, sondern erstmals bei
Kommunalwahlen in Brandenburg. Sie nimmt Kurs auf die Landtagswahl im
September. Die SPD gibt sich nicht geschlagen.

Potsdam (dpa/bb) - Die AfD blickt nach dem Sieg bei der Europa- und
Kommunalwahl in Brandenburg am Montag selbstbewusst auf die
Landtagswahl. Die Abstimmungen vom Sonntag über die EU-Abgeordneten,
aber vor allem über die Kommunalparlamente, bringen der AfD in weiten
Teilen deutlich mehr Macht. «Damit haben wir im Grunde genommen
Geschichte geschrieben», sagte Landeschef René Springer. «Wir haben
die SPD als führende Kraft in diesem Land abgelöst.» Trotz Verlusten

hofft die langjährige Regierungspartei SPD noch auf einen Erfolg im
Herbst. Als Blaupause für die Landtagswahl am 22. September taugen
Europa- und Kommunalwahl nicht - zu unterschiedlich sind sie. Die
Europawahl hat einen deutschlandweiten Fokus, die Wahl der
Kommunalparlamente ist von regionalen Themen und Menschen bestimmt. 

AfD liegt fast überall vorn

Die AfD gewann erstmals die Kommunalwahlen in Brandenburg mit 25,7
Prozent der Stimmen, wie Landeswahlleiter Herbert Trimbach am Montag
mitteilte. Das ist nach dem vorläufigen Ergebnis ein Plus von knapp
10 Prozentpunkten im Vergleich zur Wahl vor fünf Jahren. Nur in
Potsdam und Potsdam-Mittelmark lag sie nicht vorn. Die CDU, die 2019
Wahlsieger war, folgt auf Platz zwei mit 19,3 Prozent, sie legte
einen Punkt zu. Die SPD verlor leicht und kam auf 16,6 Prozent
Zustimmung. Die Sozialdemokraten stellen in Brandenburg seit 1990 den
Regierungschef. Sie regieren seit 2019 mit CDU und Grünen.

Bei den Wahlen zu 14 Kreistagen und den Stadtverordnetenversammlungen
der vier kreisfreien Städte rutschten Linke und Grüne besonders
deutlich ab. Die Linke landete bei 7,8 Prozent und büßte 6,3
Prozentpunkte ein. Die im Land mitregierenden Grünen kamen auf 6,7
Prozent, das ist ein Minus von 4,4 Punkten. Die Freien Wähler
erreichten 7,4 Prozent, 1,1 Punkte mehr als 2019. Die Wahlbeteiligung
war mit 66,1 Prozent höher als vor fünf Jahren. Das Bündnis Sahra
Wagenknecht (BSW) trat nicht unter diesem Namen an. 

Bei der Europawahl waren die Zugewinne der AfD und die Verluste der
SPD noch deutlicher. Die AfD konnte nach dem vorläufigen Ergebnis in
Brandenburg stark auf 27,5 Prozent wachsen. Die CDU erzielte 18,4
Prozent und legte leicht zu. Klarer Gewinner ist das neue BSW, das
auf 13,8 Prozent kam und sich auf den dritten Platz vor die SPD
schob, die auf 13,1 Prozent kam. Die Grünen erreichten 6,0 Prozent,
die Linke kam auf 4,4 Prozent und die FDP auf 3,2 Prozent. Die
Wahlbeteiligung lag mit 67,5 Prozent deutlich höher als 2019 - in
Kleinmachnow waren es sogar 81,5 Prozent.

Elon Musk stellt sich hinter AfD 

Der Verfassungsschutz stuft den AfD-Landesverband als rechtsextremen
Verdachtsfall ein. US-Tech-Milliardär Elon Musk, der als Tesla-Chef
zu den großen Arbeitgebern in Brandenburg gehört, äußerte sich
dennoch lobend über die AfD. Die Partei werde als rechtsextremistisch
bezeichnet, schrieb Musk am Sonntag auf seiner Online-Plattform X.
«Aber die politischen Positionen der AfD, von denen ich gelesen habe,
klingen nicht extremistisch».

Die Rechtsextremismusforscherin Heike Radvan sieht in den hohen
Zustimmungswerten der AfD bei der Europa- und der Kommunalwahl in
Brandenburg «ein erschreckendes Ergebnis». «Aber es war
vorhersehbar», sagte die Forscherin an der Brandenburgischen
Technischen Universität Cottbus-Senftenberg (BTU). Das Aktionsbündnis
gegen Gewalt, Rechtsextremismus und Rassismus warnte vor einer
Normalisierung rechtsextremer Politik. Die Präsidentin der Industrie-
und Handelskammer Potsdam, Ina Hänsel, sagte: «Brandenburgs
Wirtschaft erwartet von der Politik Verlässlichkeit.»

Die AfD hält die Strategie einer Ausgrenzung durch andere Parteien
für gescheitert. Der Fraktionschef und stellvertretende Landeschef
Hans-Christoph Berndt forderte die anderen Parteien auf, Brandmauern
abzubauen. «Es wird nicht funktionieren, gegen die stärkste Kraft im
Land, in den Kreisen, in den Städten (...) weiterzuregieren», sagte
Berndt.

Die Spitzenwerte der Parteien

Bei den Kommunalwahlen kam die AfD landesweit im Landkreis
Spree-Neiße mit 38,2 Prozent auf ihr bestes Ergebnis. In der kleinen
Gemeinde Jämlitz-Klein Düben gingen sogar 57 Prozent der Stimmen an
die AfD. In Spree-Neiße war die AfD schon bisher stark, aber sie hat
noch zugelegt. Dorthin - in die Lausitz - fließen so viele
Förder-Milliarden wie nirgendwohin sonst in Brandenburg.

Die CDU punktete besonders stark in Rückersdorf im Landkreis
Elbe-Elster mit 53 Prozent. Bei der SPD entpuppte sich Steinreich im
Landkreis Dahme-Spreewald mit 34 Prozent Zustimmung als Hochburg. Die
Grünen erreichten in Kleinmachnow im Kreis Potsdam-Mittelmark mit 23
Prozent den höchsten Zuspruch.

SPD setzt auf Sieg - CDU attackiert SPD

Die SPD hält es für möglich, das Steuer für sich noch herumzureiß
en.
«Es geht um die Frage, ob Dietmar Woidke weiter Ministerpräsident
hier ist, wie es die Mehrheit der Brandenburgerinnen und
Brandenburger wünscht den Umfragen nach», sagte SPD-Generalsekretär
David Kolesnyk. Angesichts von Unmut in der Bevölkerung über die
Ampel-Parteien im Bund sagte er: «Es ist die Verantwortung der
Bundespolitik, ihre Politik zu erklären.» 

Die CDU sieht sich gestärkt und attackiert die Koalitionspartner. SPD
und Grüne hätten mit ihrer Politik auf Bundesebene die Menschen in
die Arme von Populisten getrieben, sagte CDU-Generalsekretär Gordon
Hoffmann. Das Wahlkampfthema der SPD, gegen Rechts zu sein, reiche
allein nicht mehr.

Grünen-Landeschefin Alexandra Pichl sprach von einem
besorgniserregenden Ergebnis für Brandenburg, «wenn ein Drittel der
Bevölkerung Rechtsextremisten wählt». Die Linke sieht trotz der
Verluste Lichtblicke. Die Partei sei in den Kommunen noch stark
verankert über sieben Prozent, sagte Landeschefin Katharina Slanina.
Die Freien Wähler empfahlen sich als neuer Koalitionspartner. An
BVB/Freie Wähler führe kein Weg vorbei, wenn man eine Landesregierung
bilden wolle, die anders strukturiert sei, sagte Landeschef Péter
Vida.