Lewentz: Europawahl ist «Desaster für die deutsche Sozialdemokratie»

11.06.2024 03:35

Der rheinland-pfälzische SPD-Chef Lewentz benennt nach der
Europawahl-Schlappe seiner Partei Fehler der Bundesregierung - und
drängt auf Veränderungen.

Mainz (dpa/lrs) - Die Europawahl war nach Ansicht des
rheinland-pfälzischen SPD-Landeschefs Roger Lewentz «ein Desaster für

die deutsche Sozialdemokratie». «Wir haben Fehler gemacht», sagte
Lewentz der Deutschen Presse-Agentur in Mainz mit Blick auf die
Bundesregierung. «Wir haben die Bevölkerung stark verunsichert.» Das

Heizungsgesetz und das Bürgergeld nannte der 61-Jährige als
Beispiele. In Berlin müsse sich «Gewaltiges ändern». «Jetzt die
Ärmel
hochkrempeln, einen deutlich besseren Wahlkampf organisieren als bei
der Europawahl, gutes Regierungshandeln, klare Ansagen des Kanzlers -
das kann uns wieder offensiv werden lassen.» Es müsse «sehr vieles
geändert werden, aber die Zeit ist noch da». 

«Für uns alle ist spürbar gewesen, wie verärgert und wütend die
Menschen heute noch sind über die Verunsicherung, die wir mit dem
Heizungsgesetz angerichtet haben.» Das Bürgergeldgesetz empfänden
viele als ungerecht. «Inhaltlich glaube ich das nicht», betonte
Lewentz. Aber es sei nicht gelungen, «genau zu erklären, was drin
ist». 

Die Kampagne für die Europawahl sei nach seiner Einschätzung in
Teilen schlecht vorbereitet gewesen. Das Material sei für die
Wahlkämpfer zu spät gekommen. Und: «Die Plakate waren nicht
werbewirksam. Sie waren düster in der Anmutung.» Man habe erkennen
können, dass es kein gemeinsames Foto von Kanzler Olaf Scholz und der
SPD-Spitzenkandidatin Katarina Barley gegeben habe. «Wenn man es auf
einem Plakat nicht schafft, Optimismus zu verströmen, dann ist es
schwierig, die Menschen optimistisch mit der eigenen Kampagne
mitzunehmen.» Für Barley sei es schwer gewesen, in einer Wahl, die so
stark von bundespolitischen Akzenten geprägt gewesen sei, eigene
Akzente zu setzen.

«Wir haben auch als rheinland-pfälzische Sozialdemokratie einen
schweren Sonntag erleben müssen», sagte Lewentz mit Blick auf die
Ergebnisse der Kommunalwahlen. Auf kommunaler Ebene sei man aber so
nah an den Menschen, dass man diese durch eigenes Handeln überzeugen
könne, sagte Lewentz, der auch wieder in den Kreistag
(Rhein-Lahn-Kreis) gewählt worden ist. «Bei der Kommunalwahl kannst
Du wieder kommen, das liegt an Dir selbst, das hast Du in der Hand»,
betonte Lewentz. «Ich rate dazu, bei den Wählerinnen und Wählern ganz

genau hinzuhören und daraus Politik für die nächsten fünf Jahre zu

organisieren.» 

Der Wahltag sei «unglaublich bundespolitisch aufgeladen» gewesen. Es
sei kaum um landespolitische oder lokale Themen gegangen, sondern um
«Bundespolitik, Bundespolitik, Bundespolitik». Lewentz kündigte an,
dennoch zu schauen, was sich aus den lokalen Ergebnissen herauslesen
lasse. «Wir marschieren in der zweiten Hälfte der Legislaturperiode
in Rheinland-Pfalz langsam aber kontinuierlich auf den Wahltermin zu,
haben aber noch die Bundestagswahl vor uns. Bis zur Bundestagswahl
wird Bundespolitik der beherrschende Moment sein.» 

Der Landtag wird 2026 gewählt, der Bundestag 2025. Lewentz war im
Zusammenhang mit der Flutkatastrophe im Ahrtal im Oktober 2022 nach
mehr als zehn Jahren als Innenminister zurückgetreten. Als Parteichef
wurde er im November 2023 wieder gewählt und will seine Nachfolge in
diesem Amt spätestens bis Ende 2025 einvernehmlich organisieren. Als
mögliche Nachfolger werden immer wieder genannt: Innenminister
Michael Ebling, Sozial- und Arbeitsminister Alexander Schweitzer
sowie die Fraktionsvorsitzende Sabine Bätzing-Lichtenthäler.