Lufthansa darf italienische Staatsairline Ita übernehmen Von Christian Ebner, Marek Majewsky und Christoph Sator, dpa

03.07.2024 15:46

Aufatmen bei der Lufthansa und in Italien: Der Weg für die Übernahme
der Gesellschaft Ita ist nun frei. Lange fürchtete die EU höhere
Ticketpreise. Dem sollen Zugeständnisse entgegenwirken.

Brüssel/Frankfurt/Rom (dpa) - Die Lufthansa darf bei der staatlichen
italienischen Fluggesellschaft Ita einsteigen. Nach langer Prüfung
hat die EU-Kommission grünes Licht dafür gegeben. Zuvor muss das
Traditionsunternehmen aber eine Reihe von Bedingungen erfüllen. Die
Wettbewerbshüter aus Brüssel machen unter anderem zur Voraussetzung,
dass die Partner Start- und Landerechte in Mailand-Linate abgeben
sowie neuen Wettbewerbern auf der Mittel- und Langstrecke Starthilfe
geben. Dazu soll es auch Verhandlungen mit Konkurrenten geben.

In einem ersten Schritt übernimmt der MDax-Konzern bis zum Jahresende
für eine Kapitaleinlage von 325 Millionen Euro zunächst 41 Prozent
der Ita-Anteile. Im Laufe der nächsten Jahre könnte es dann auch zur
kompletten Übernahme der Alitalia-Nachfolgerin kommen. Lufthansa-Chef
Carsten Spohr kündigte eine schnelle Integration der Ita und den
Ausbau des Drehkreuzes Rom Richtung Afrika und Lateinamerika an. Er
sagte laut einer Mitteilung: «Wir werden ITA Airways zu einem starken
und erfolgreichen Teil unseres Unternehmens machen und damit ihre
Zukunft als internationale Fluglinie und starke Marke sichern.»

EU will Auflagen eng kontrollieren

Mit den Zugeständnissen von Lufthansa und Ita gebe es Abhilfen auf
sämtlichen Strecken, auf denen die Kommission Wettbewerbsnachteile
befürchtet hatte, sagte eine Sprecherin im Brüssel. Im Interview mit
der «Frankfurter Allgemeinen Zeitung» berichtete Lufthansa-Chef
Carsten Spohr, dass man im Sommer in Mailand 204 Start- und
Landrechte (Slots) pro Woche abgeben müsse und im Winter 192. 

Auf zehn Kurzstrecken muss das Bündnis zudem sicherstellen, dass
Wettbewerber zum Zuge kommen. Gespräche soll es unter anderem mit
Easyjet geben. Ab Rom soll laut Kommission entweder ein Konkurrent
bestehende Ita-Flüge nach Nordamerika übernehmen oder es muss
verbesserte Umsteigeverbindungen über Drehkreuze außerhalb des
Lufthansa-Konzerns geben. Die Kommission will die Umsetzung der Pläne
eng kontrollieren. 

Langes Tauziehen

Die Verhandlungen und Prüfungen um den Einstieg des umsatzstärksten
Luftverkehrskonzerns Europas bei der bisherigen italienischen
Konkurrenz ziehen sich schon seit mehr als einem Jahr hin. Die Italia
Trasporto Aereo (ITA) ging 2020 aus der staatlichen Fluglinie
Alitalia hervor, die immer wieder in schwere wirtschaftliche
Turbulenzen geraten war. Nach jüngsten Angaben hat das Unternehmen
knapp 4900 Beschäftigte. Zum Vergleich: Der Lufthansa-Konzern zählt
aktuell fast 99 000 Beschäftigte.

Das Unternehmen hat in der Vergangenheit mit Swiss, Austrian und
Brussels Airways bereits drei frühere Staatsairlines integriert. Die
Marken wie auch die Drehkreuze in den Heimatländern Schweiz,
Österreich und Belgien blieben erhalten. Die Ita ist nicht offizielle
Rechtsnachfolgerin der Alitalia, hat sich aber die Rechte an dem
legendären Namen gesichert, der laut Konzernkreisen bald wiederbelebt
werden könnte. Italien soll zum fünften Heimatmarkt des Konzerns
werden. 

Zugang zum italienischen Markt

Die Lufthansa verschafft sich mit der Übernahme Zugang zum
italienischen Markt, der vor allem wegen der engen Beziehungen in die
USA sehr lukrativ ist. Dass mit der Ita eine weitere Airline der von
Air France dominierten Allianz «Sky Team» gebrochen wird, ist ein
erwünschtes Nebenergebnis. 

Ita kann allein nicht überleben

Nach Meinung vieler Experten könnte Ita allein nicht überleben. Im
Heimatmarkt wurde sie von Billigfliegern wie Ryanair und Easyjet in
die zweite Reihe gedrängt. Auf den gewinnbringenden Strecken über den
Atlantik tut sie sich schwer, gegen die Macht der sehr viel größeren
US-Anbieter anzukommen. Das ist in einem starken Verbund wie mit der
Lufthansa erheblich einfacher, wie auch die EU-Kommission anerkannt
hat.

Gerade an diesem Punkt hatten die EU-Wettbewerbshüter Bedenken
angemeldet, weil Lufthansa über dem Nordatlantik in einem Joint
Venture auch Absprachen mit United und Air Canada trifft. Auf dem
lukrativsten Luftverkehrsmarkt der Welt sind aber auch sämtliche
anderen US-Carrier sowie die europäischen Lufthansa-Konkurrenten IAG
um British Airways und Air France-KLM aktiv. 

Zudem hatten die EU-Beamten Bedenken, dass sich bei der Lufthansa
auch auf Kurzstrecken zwischen Italien und mitteleuropäischen Ländern
zu viel Marktmacht konzentrieren könnte. Konkurrenz gebe es zwar - in
erster Linie durch Gesellschaften wie Ryanair. Solche
Billigfluggesellschaften starteten aber oft von abgelegenen
Flughäfen. Lufthansa ist auch seit Jahren mit der eigenen
Regionalgesellschaft Air Dolomiti in Norditalien aktiv. 

Höhere Ticketpreise befürchtet

Die EU-Kommission befürchtete vor allem Nachteile für Verbraucher.
Denn wenn es nur wenig Konkurrenz auf Strecken gibt und sich viel
Marktmacht bei einem Anbieter konzentriert, kann dieser theoretisch
Preise über dem marktüblichen Niveau verlangen. Kundinnen und Kunden
können dann nicht oder nur eingeschränkt auf günstigere Wettbewerber

umsteigen. Auch deswegen gibt es in der EU strenge Wettbewerbsregeln.

Italiens Rechts-Regierung unter Ministerpräsidentin Giorgia Meloni
mutmaßte zwischenzeitlich, dass andere Konkurrenten die Übernahme in
Brüssel ausbremsen wollten. Aus Rom gab es auch offene Vorwürfe in
Richtung Frankreich und Air France. 

Weitere Konzentration in Europa

Mit der Genehmigung aus Brüssel schreitet die Konzentration der
europäischen Luftfahrt voran. Dazu erklärte Spohr: «Die Entscheidung

ist auch ein klares Signal für einen starken Luftverkehr in Europa,
der sich im globalen Wettbewerb erfolgreich behauptet.»

Auch die Lufthansa-Konkurrenten wollen kleinere Gesellschaften
übernehmen. So hat der IAG-Konzern um British Airways und Iberia bei
der EU die Übernahme der spanischen Air Europa beantragt, während Air
France-KLM bei der skandinavischen SAS einsteigen will. Auch Portugal
sucht für seine TAP nach einem Anschluss bei einem größeren Konzern.

«Wir brauchen europäische Airlines, die groß genug sind, um mit
Anbietern aus Amerika oder China auf Augenhöhe zu konkurrieren, sagte
Spohr im FAZ-Interview. Das gehe in Europa nur mit Übernahmen. 

Sparrunden bei Flotte und Personal bereits überstanden 

Ähnlich wie bei der 2007 übernommenen Swiss handelt es sich bei der
Ita um ein saniertes Unternehmen, das schmerzhafte Sparrunden bei
Flotte und Personal hinter sich hat. Mit dem gemeinsamen Einkauf und
besserer Planung könnte sie schnell operativ Gewinne einfliegen,
meinen die Lufthansa-Experten. Und für 2027 sah der gemeinsame
Businessplan von Lufthansa und römischem Finanzministerium aus dem
Vorjahr bereits einen Umsatz von 4,1 Milliarden Euro vor (2022: 1,6
Mrd).

Risikofaktor italienische Regierung 

325 Millionen Euro sollen als erste Rate für 41 Prozent der Anteile
in das Eigenkapital der Airline mit 96 tiefblau lackierten Flugzeugen
fließen. Der italienische Staat, angesichts der schnellen
Regierungswechsel durchaus ein Risikofaktor, bleibt zunächst noch an
Bord. Ab 2025 kann Lufthansa unter genau definierten Bedingungen die
Option für weitere 49 Prozent ziehen und unter Umständen für dann
mehr als 800 Millionen Euro sogar alleiniger Eigentümer der Airline
werden. Für die Übernahme der restlichen 10 Prozent vom Staat muss
die geschäftliche Entwicklung bewertet werden. 

Als neuer Ita-Chef ist Lufthansa-Strategiechef Jörg Eberhart im
Gespräch, der bereits knappe acht Jahre lang die in Norditalien
aktive Regionaltochter Air Dolomiti geleitet hat. Er könnte mit einem
weiteren Lufthanseaten in den fünfköpfigen Ita-Verwaltungsrat
einziehen. Spohr wollte sich nicht zu dieser Personalie äußern.