E-Auto-Zölle: EU und China stehen intensive Gespräche bevor

05.07.2024 04:27

Seit Mitternacht sind vorläufige Zusatzzölle auf E-Autos aus China in
Form einer Sicherheitsleistung in Kraft. Nun müssen beide Seiten
Verhandlungen führen, um einen fairen Wettbewerb zu sichern.

Brüssel (dpa) - Nach der Einführung vorläufiger Zusatzzölle auf
Elektroautos aus China stehen Brüssel und Peking intensiven
Verhandlungen bevor. Beide Seiten haben zwar ihr Interesse bekundet,
eine Lösung zu finden - ob das gelingt, ist aber offen. So hatte auch
Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) vor knapp zwei Wochen persönlich in
China verhandelt, jedoch keinen Durchbruch erzielt. Vier Monate haben
die Parteien jetzt Zeit, dann muss eine Entscheidung getroffen
werden, ob auch endgültig hohe Sonderabgaben verlangt werden. 

Die EU-Kommission hatte zuvor in einer aufwendigen Untersuchung
geprüft, inwiefern E-Autos aus China von Subventionen profitieren,
die den Wettbewerb verzerren. Das Ergebnis veröffentlichte die
Behörde gestern in einer mehr als 200 Seiten langen Verordnung. Aus
EU-Sicht ist die Sache klar: Es gibt unfaire Subventionen, der
europäischen Autoindustrie drohen Schäden. Das sieht die deutsche
Autoindustrie aber ganz anders. 

Viele Märkte gehen stärker gegen China vor

Dabei gehen andere Drittstaaten noch deutlich vehementer gegen
Importe aus Fernost vor. China ist zwar der größte Automarkt der Welt
- aber für Peking selbst sind viele Märkte bereits kostspieliger
geworden. Die Vereinigten Staaten hatten im Mai Sonderzölle von 100
Prozent auf E-Autos verhängt, was den Markt für Importe aus China
regelrecht versperrt.

«Die Amerikaner schotten ihren Markt jetzt ab, ebenso Brasilien,
Mexiko und die Türkei», sagte jüngst Kommissionspräsidentin Ursula

von der Leyen dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Somit bleibt Europa
vorerst für chinesische Firmen ein attraktiver Markt. Eine
Verhandlungslösung mit Peking wird in Brüssel Chancen eingeräumt. 


Die vorläufigen Zölle der EU-Behörde sind teils deutlich niedriger
als etwa die der USA: 17,4 Prozent für den Hersteller BYD, 19,9
Prozent für Geely und 37,6 Prozent für SAIC. Für andere Firmen sind
20,8 Prozent vorgesehen, und für Unternehmen, die bei der
Untersuchung nicht kooperiert hatten, würde ein Strafzoll in Höhe von
37,6 Prozent fällig. Die Zölle kommen auf einen bereits bestehenden
Zollsatz von zehn Prozent hinzu. 

Positive Reaktionen von deutschen Europaabgeordneten 

Deutsche Europaabgeordnete sehen das Vorgehen der Kommission - anders
als etwa deutsche Politiker in Regierungsverantwortung - eher
positiv. Der Vorsitzende der CDU/CSU-Gruppe im Europäischen
Parlament, Daniel Caspary, sprach von einer klaren Botschaft: «Die EU
lässt sich im Welthandel nicht naiv an der Nase herumführen.» Die
Vorsitzende des Binnenmarktausschusses im EU-Parlament, Anna
Cavazzini, sieht in den Zöllen ebenfalls eine richtige Entscheidung,
um die Industrie vor unfairem Dumping zu schützen. 

Damit widerspricht sie offen ihrem Parteifreund und
baden-württembergischen Verkehrsminister Winfried Hermann. Er hatte
gesagt: «Das ist mit Abstand die dümmste Idee der EU-Kommission.» Er

fürchtet Nachteile für die deutsche Industrie. Wirtschaftsminister
Habeck hatte ähnlich wie Finanzminister Christian Lindner (FDP)
darauf gedrängt, dass man auf Dumping reagieren müsse, aber vor einem
möglichen Zollwettlauf gewarnt. 

Der Vorsitzende des Handelsausschusses im Europaparlament, Bernd
Lange, betonte, ein konstruktiver Dialog zwischen Peking und Brüssel
sei wichtig. «Bei solchen Handelsstreitigkeiten gibt es nie
Gewinner», sagte der SPD-Politiker. 

In Deutschland sorgt das Vorgehen der EU-Kommission für Sorgen, weil
etwa Vergeltungsmaßnahmen befürchtet werden, die vor allem deutsche
Autohersteller treffen könnten. Zudem stellen deutsche Firmen in
China Autos für den Export her. FDP-Fraktionsvize Lukas Köhler
betonte, dass die Strafzölle auf E-Autos nur eine vorläufige Maßnahme

bleiben dürfen. 

Abstimmung über endgültige Zölle

Solange keine endgültige Einführung der Strafzölle beschlossen wird,

müssen diese nicht gezahlt, sondern nur Sicherheitsleistungen
hinterlegt werden. Sollten die Verhandlungen mit China nicht
zufriedenstellend verlaufen, könnte die EU-Kommission einen Vorschlag
für die Einführung von endgültigen Strafzöllen vorlegen. Die
EU-Staaten könnten die dann vorgeschlagenen Zölle nur stoppen, wenn
sich eine sogenannte qualifizierte Mehrheit gegen den Vorschlag
ausspricht.

Sollte es dazu kommen, dass Sonderzölle eingeführt werden, befürchten

einige, dass E-Autos mehr kosten werden. Der Vizepräsident des
Zentralverbands deutsches Kraftfahrzeuggewerbe (ZDK), Thomas
Peckruhn, sagte: «Für die Verbraucherinnen und Verbraucher werden
dadurch die zur Verfügung stehenden Elektrofahrzeuge deutlich teurer,
zumal der Wettbewerbsdruck für europäische Hersteller abnimmt.»