Orban überraschend zu Besuch bei Putin

05.07.2024 11:52

Ungarns Regierungschef Orban ist zu einem Besuch in Moskau
eingetroffen. Der Russland-Freund will mit Kremlchef Putin über eine
Lösung im Ukraine-Krieg sprechen. Streit in der EU ist
vorprogrammiert.

Moskau/Budapest (dpa) - Ungarns rechtspopulistischer
Ministerpräsident Viktor Orban ist zu Gesprächen mit Russlands
Präsident Wladimir Putin in Moskau eingetroffen. Das teilte Orbans
Sprecher Bertalan Havasi mit. Er bestätigte ein geplantes Treffen mit
Putin. Trotz des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine pflegt
Orban weiter gute Beziehungen zum Kremlchef.

Der ungarische Regierungschef inszenierte die Reise als
Friedensmission. «Man kann Frieden nicht von einem bequemen Sessel in
Brüssel aus schaffen», schrieb Orban vor Bestätigung seiner Reise auf

der Online-Plattform X. «Auch wenn die rotierende
EU-Ratspräsidentschaft kein Mandat hat, im Namen der EU zu
verhandeln, können wir uns nicht zurücklehnen und darauf warten, dass
der Krieg auf wundersame Weise endet. Wir werden ein wichtiges
Instrument sein, um die ersten Schritte in Richtung #Frieden zu
machen.» Ungarn hat vor wenigen Tagen die die rotierende
EU-Ratspräsidentschaft übernommen. 

Von der EU selbst kam Kritik. Orban habe kein Mandat aus Brüssel für
die Reise, erklärte EU-Chefdiplomat Josep Borrell. «Der Besuch von
Ministerpräsident Viktor Orban in Moskau findet ausschließlich im
Rahmen der bilateralen Beziehungen zwischen Ungarn und Russland
statt», teilte der Außenbeauftragte der Europäischen Union mit. Die
Ratspräsidentschaft sehe keine Vertretung der Union nach Außen hin
vor.

Moskau-Visite folgt auf Reise nach Kiew

Erst am Dienstag hatte Orban Kiew besucht - das erste Mal seit
Kriegsbeginn. Dort forderte er den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr
Selenskyj dazu auf, eine Feuerpause in Erwägung zu ziehen, um
Verhandlungen zu ermöglichen. Die Beziehungen zwischen Kiew und
Budapest gelten als gespannt, weil Orban mehrfach Hilfen für die
Ukraine verzögert hat und Sanktionen gegen Russland zu verhindern
suchte.

Ungarn ist weiterhin stark von russischen Gaslieferungen abhängig,
die trotz des Kriegs teilweise durch die Ukraine fließen. Allerdings
will Kiew den zum Jahresende auslaufenden Vertrag zum Gastransit
nicht verlängern.

Öffentlich ließ Selenskyj Orbans Vorschlag unbeantwortet. Derzeit
gibt es keinerlei Friedensverhandlungen zwischen Kiew und Moskau.
Kiew lehnt bisher offiziell eine Waffenruhe vor dem Abzug russischer
Truppen ab, hatte diese Bedingung aber zuletzt nicht mehr in den
Vordergrund gerückt. 

Beide Seiten lehnen Feuerpause ohne Vorbedingungen ab

Auch Kremlchef Wladimir Putin hatte kurz darauf eine Waffenruhe ohne
Vorbedingungen abgelehnt. «Wir können nicht zulassen, dass der Feind
diese Feuerpause nutzt, um seine Lage zu verbessern, sich zu
bewaffnen, seine Armee mit Hilfe einer Zwangsmobilisierung
aufzufrischen und bereit zu sein, den bewaffneten Konflikt
fortzusetzen», sagte Putin am Rande des Gipfels der für
Sicherheitsfragen gegründeten Shanghaier Organisation für
Zusammenarbeit (SCO) in der kasachischen Hauptstadt Astana. Die
Waffen könnten erst schweigen, wenn die Ukraine unumkehrbare Schritte
zur Deeskalation unternehme.

Russland hatte zuletzt als Vorbedingung für Verhandlungen den
vollständigen Abzug Kiewer Truppen aus den von Moskau beanspruchten
ost- und südostukrainischen Gebieten Cherson, Donezk, Luhansk und
Saporischschja gefordert. Dabei haben russische Truppen im Verlauf
des Kriegs Saporischschja nie einnehmen können. Aus Cherson mussten
sie sich nach einer ukrainischen Gegenoffensive im Herbst 2022
zurückziehen. Auch die Kontrolle über das Gebiet Donezk hat das
russische Militär nur teilweise.

Orban war das letzte Mal im September 2022 in Moskau, also mehrere
Monate nach Beginn des russischen Angriffskriegs. Damals besuchte er
jedoch lediglich die Beerdigung des früheren sowjetischen Parteichefs
und Präsidenten Michail Gorbatschow. Direkten Kontakt zu Putin hatte
Orban damals nicht. Die russische Führung hatte für die Veranstaltung
Ex-Präsident Dmitri Medwedew abgestellt. Allerdings trafen sich Orban
und Putin im vergangenen Herbst beim Seidenstraßen-Gipfel in Peking.