Reaktion auf Auto-Zölle: China prüft EU-Brandy-Importe Von Marek Majewsky, Sabina Crisan, Johannes Neudecker und Katharina Redanz, dpa

05.07.2024 15:20

Die vorläufigen Zusatzzölle der EU auf E-Autos aus China sind in
Kraft. Verbraucher könnten das zu spüren bekommen. Und eine Reaktion
Pekings zielt auf Frankreich.

Brüssel (dpa) - China prüft im Handelsstreit mit Brüssel
Gegenmaßnahmen. Nach der Einführung vorläufiger zusätzlicher
EU-Strafzölle auf chinesische Elektroautos nimmt Peking Einfuhren
europäischen Branntweins unter die Lupe. In einer laufenden
Anti-Dumping-Untersuchung von Brandy aus der Europäischen Union will
China heimische Firmen anhören, wie das Handelsministerium
mitteilte. 

Bei einem Treffen am 18. Juli soll über möglichen Schäden für die
chinesische Industrie gesprochen werden. Maßnahmen Pekings könnten
vor allem Hersteller aus Frankreich treffen. Was hingegen auf
europäische Verbraucher zukommt, ist unklar. Große
Wirtschaftsinstitute sehen zumindest auf lange Sicht keine großen
Auswirkungen. 

Institute: E-Auto-Preise dürften sich nicht dramatisch ändern

Nach Simulationen eines Handelsmodells des Kieler Instituts für
Weltwirtschaft (IfW) und des Österreichischen Instituts für
Wirtschaftsforschung (Wifo) dürften die Preise von E-Autos durch die
tatsächliche Einführung von Sonderzöllen langfristig nur wenig
beeinflusst werden. Demnach könnten in der EU die Preise um
durchschnittlich 0,3 bis 0,9 Prozent steigen und in China sinken.
Kurzfristig könnten die Zölle aber größere Auswirkungen auf den Mar
kt
haben.

Die Industrie befürchtet hingegen Nachteile für den deutschen Markt,
wie der Vizepräsident des Zentralverbands Deutsches
Kraftfahrzeuggewerbe (ZDK), Thomas Peckruhn, gestern sagte: «Für die
Verbraucherinnen und Verbraucher werden dadurch die zur Verfügung
stehenden Elektrofahrzeuge deutlich teurer, zumal der
Wettbewerbsdruck für europäische Hersteller abnimmt.» 

Branntwein-Untersuchungen laufen schon länger

China ermittelt seit dem 5. Januar gegen aus der EU importierten
Branntwein. Diese Ermittlungen und solche gegen Schweinefleisch und
Schweinefleischprodukte aus der EU gelten als Reaktion Pekings auf
Untersuchungen in Brüssel gegen E-Autos. 

Bei Anti-Dumping-Ermittlungen steht der Vorwurf im Raum, dass die
untersuchten Produkte zu künstlich niedrigeren Preisen als auf dem
jeweiligen Markt üblich angeboten werden. Mehrere Erzeuger und
Industrieverbände hätten die Anhörung beantragt. Das chinesische
Handelsministerium ließ sie nach eigenen Angaben zu, um Fairness in
dem Verfahren zu wahren. 

EU-Kommission sicher: Es gibt unfaire chinesische Subventionen

Nach einer aufwendigen Untersuchung war die EU-Kommission zu dem
Schluss gekommen: Es gibt unfaire chinesische Subventionen. Die
vorläufigen Zölle der EU-Behörde belaufen sich nun auf 17,4 Prozent
für den Hersteller BYD, 19,9 Prozent für Geely und 37,6 Prozent für
SAIC. Für andere Firmen sind 20,8 Prozent vorgesehen, und für
Unternehmen, die bei der Untersuchung nicht kooperiert hatten, würde
ein Strafzoll in Höhe von 37,6 Prozent fällig. Die Zölle kommen auf
einen bereits bestehenden Zollsatz von zehn Prozent hinzu. 

Dabei ist die Maßnahme nicht unumstritten. Sowohl die deutsche
Autoindustrie als auch die Bundesregierung sehen Strafzölle
skeptisch. Sie sorgen sich, dass Vergeltungsmaßnahmen vor allem
deutsche Autohersteller treffen könnten, für die China ein sehr
wichtiger Markt ist. Zudem sind deutsche Firmen auch von den
EU-Maßnahmen selbst betroffen, da sie in China Autos für den Export
bauen. 

Deutsche Hersteller sind unterschiedlich betroffen. In der
EU-Verordnung zu den Sonderzöllen wird ein Gemeinschaftsunternehmen
von VW mit SAIC derzeit unter dem Höchstsatz von 37,6 Prozent
geführt. BMW Brilliance gehört zu den kooperierenden Unternehmen, die
mit einem Satz von 20,8 Prozent rechnen müssen. Mercedes baut die
Smart-Fahrzeuge zusammen mit seinem Großaktionär Geely vollständig im

chinesischen Xi'an und exportiert sie auch nach Europa. Entsprechend
werden 19,9 Prozent fällig. Die Zollsätze orientieren sich unter
anderem daran, wie viele Subventionen ein Unternehmen aus Sicht der
EU-Kommission bekommt.

Abstimmung über endgültige Zölle

Solange keine endgültige Einführung der EU-Strafzölle beschlossen
wird, müssen diese noch nicht gezahlt, sondern nur
Sicherheitsleistungen hinterlegt werden. Sollten Verhandlungen mit
China nicht zufriedenstellend verlaufen, könnte die EU-Kommission
einen Vorschlag für die Einführung von Strafzöllen vorlegen. Die
EU-Staaten könnten diese nur stoppen, wenn sich eine sogenannte
qualifizierte Mehrheit dagegen ausspricht.

Brüssel und Peking verhandlungsbereit 

Grundsätzlich sind China und die EU-Kommission bereit, in den
kommenden vier Monaten, bis die Maßnahmen endgültig eingeführt
werden, zu einer Lösung zu kommen. Vizekanzler Robert Habeck (Grüne)
hatte vor knapp zwei Wochen in China verhandelt, jedoch keinen
Durchbruch erzielt. Dennoch sieht die EU-Kommission weiter eine
Chance für eine Lösung, auch wenn es anscheinend noch
unterschiedliche Ansichten in Brüssel und Peking zu den Ergebnissen
der Kommissionsuntersuchung gibt. 

Ob die Vorgehensweise der Kommission rechtlich haltbar ist, darüber
gibt es unterschiedliche Ansichten. Während der Automobilexperte
Florian Dudenhöffer «ntv.de» sagte, er halte die Sonderzölle für

angreifbar und sei davon überzeugt, dass Peking eine Klage bei der
Welthandelsorganisation (WTO) einreichen werde, begrüßt Anna
Cavazzini, die Vorsitzende des Binnenmarktausschusses im
EU-Parlament, die Maßnahme. Zölle seien «keine politische
Drohgebärde», sondern ein WTO-konformes Instrument zur Sicherung des
fairen Wettbewerbs, so die Grünen-Politikerin.

Viele Märkte gehen stärker gegen China vor

Dabei sind die EU-Zölle teils deutlich niedriger als etwa die der
USA. Auch andere Staaten gehen hart gegen die Importe aus Fernost
vor. China ist zwar der größte Automarkt der Welt - aber für Peking
selbst sind dadurch viele Märkte bereits kostspieliger geworden. Die
Vereinigten Staaten hatten im Mai Sonderzölle von 100 Prozent auf
E-Autos verhängt, was den Markt für Importe aus China regelrecht
versperrt.

«Die Amerikaner schotten ihren Markt jetzt ab, ebenso Brasilien,
Mexiko und die Türkei», sagte jüngst Kommissionspräsidentin Ursula

von der Leyen dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Somit bleibt Europa
vorerst für chinesische Firmen ein attraktiver Markt. Das zeigt sich
auch daran, dass chinesische Firmen derzeit großangelegt die
Fußballeuropameisterschaft sponsern.