Orbans EU-Rechtsbündnis vor Erlangung von Fraktionsstatus

06.07.2024 22:18

Ungarns Regierungschef will sich in Europas Volksvertretung mit einer
neuen Rechtsfraktion Gehör verschaffen. Vom Zulauf Gleichgesinnter
erhofft er sich Stärke im Kampf gegen die «Brüsseler Eliten».

Kopenhagen/Den Haag/Brüssel (dpa) - Das von Ungarns
Ministerpräsidenten Viktor Orban vor knapp einer Woche aus der Taufe
gehobene Rechtsbündnis «Patrioten für Europa» könnte im neuen
EU-Parlament Fraktionsstatus erlangen. Die radikal-rechte Partei des
Niederländers Geert Wilders, die rechtspopulistische Dänische
Volkspartei und Belgiens Vlaams Belang erklärten, sich der Allianz
anschließen zu wollen. Mit dem Zusammenschluss von Abgeordneten aus
mindestens sieben Ländern wäre eine wichtige Bedingung für die
Gründung einer Fraktion in dem am 9. Juni gewählten Europaparlament
erfüllt.

Orban, zugleich Vorsitzender der ungarischen Regierungspartei Fidesz,
der Chef der rechten österreichischen FPÖ, Herbert Kickl, und der
Vorsitzende der liberal-populistischen tschechischen ANO, Andrej
Babis, hatten am vergangenen Sonntag in Wien das Bündnis «Patrioten
für Europa» angekündigt. «Ein neues Zeitalter beginnt», hatte Orb
an
gesagt. Die neue Fraktion werde Europa «auch gegen den Willen der
Brüsseler Eliten verändern». Die Gruppierung werde zur «größten

Fraktion der rechtsgerichteten Kräfte Europas» aufsteigen. 

Ein zeitgleich veröffentlichtes «Patriotisches Manifest» beinhaltet
die bekannten Positionen rechter, rechts-populistischer und
rechtsextremer Parteien: Ablehnung von Migration und «Green Deal»,
keine Unterstützung der von Russland angegriffenen Ukraine sowie
Rückbau der Integration in der EU zwecks Stärkung der Souveränität

der Nationalstaaten. 

Für die Gründung einer Fraktion im Europaparlament sind mindestens 23
Abgeordnete aus mindestens 7 Ländern erforderlich. Das erste
Kriterium würden Orbans Fidesz, die FPÖ und die ANO zusammen mit
ihren 24 Abgeordneten erfüllen. Am vergangenen Sonntag hatten die
portugiesische Rechts-Partei Chega und die spanische VOX erklärt, in
das Bündnis eintreten zu wollen. 

Rechte Niederländer und Dänen stoßen dazu

Wilders, Chef der Partei für die Freiheit (PVV), teilte am Freitag
auf X mit: «Wir wollen unsere Kräfte bündeln und werden uns mit Stolz

den Patrioten für Europa anschließen.» 

Wenige Stunden später folgte ihm Anders Vistisen, ein
Europa-Abgeordneter der Dänischen Volkspartei (DVP). «Die Dänische
Volkspartei wird sich der Gruppe Patrioten für Europa anschließen»,
schrieb er auf X. Als künftig drittstärkste Fraktion «können wir ei
n
deutliches Signal an die föderalistischen Extremisten senden und das
Europa der Nationalstaaten verteidigen». 

 

Die österreichische FPÖ, die niederländische PVV, die dänische DVP

und die portugiesische Chega gehörten im letzten Europaparlament der
ultra-rechten Fraktion Identität und Demokratie (ID) an, die sie mit
dem Beitritt zu den «Patrioten» verlassen würden. Stärkste Kraft in

der ID ist das Rassemblement National (RN) der Französin Marine Le
Pen. Sie wollte sich erst am Montag, dem Tag nach der zweiten Runde
der französischen Parlamentswahl, zu einer möglichen Mitgliedschaft
im neuen Rechtsbündnis äußern. Orban, der ihre russlandfreundliche
Haltung teilt, rechnet fest mit ihr. Nur zusammen mit den
Abgeordneten des RN hätten die «Patrioten für Europa» die Aussicht,

drittstärkste Fraktion hinter der konservativen Europäischen
Volkspartei (EVP) und den Sozialdemokraten (SD) zu werden oder, wie
von Orban angekündigt, die andere Rechtsfraktion, die Europäischen
Konservativen und Reformer (EKR), zu überflügeln. 

Die AfD bleibt außen vor

Die deutsche AfD, die vor der Europawahl aus der Fraktion ID
ausgeschlossen worden war, sieht ihren Platz nicht in den Reihen der
neuen Allianz um Orban. AfD-Chefin Alice Weidel hatte dies am letzten
Dienstag ausgeschlossen. Man sei im Austausch, aber momentan sei das
keine Option. Sie sprach von einem strategisch langfristigen Projekt.
«Wir sind in Freundschaft verbunden, wir haben unglaubliche
inhaltliche Schnittmengen, aber sowohl die eine als auch die andere
Partei unterliegt politischen und auch außenpolitischen und
außenwirtschaftlichen Zwängen, auf die wir momentan Rücksicht nehmen

müssen», sagte die AfD-Chefin auf die Frage, ob ihre Partei in dem
Bündnis nicht gewollt sei. 

In der AfD-Spitze wird hinter vorgehaltener Hand die Theorie
vertreten, die deutsche Regierung könnte Orban in seiner Rolle als
ungarischer Regierungschef davon abhalten, dass es zu einer
Zusammenarbeit mit der AfD kommt. Von «Erpressungspotenzial» ist die
Rede. Das laufe hinter den Kulissen, sei nicht beweisbar, aber keine
Verschwörungstheorie, heißt es.

Achtungserfolg für isolierten Ungarn

Für Orban, der in der EU wegen seines autoritären Regierungsstils und
seiner Nähe zum Kreml weitgehend isoliert ist, stellt das Schmieden
einer neuen Fraktion im Europaparlament einen gewissen Achtungserfolg
dar, insbesondere, wenn dafür auch Frankreichs Rechtspopulisten
gewonnen werden können. Orbans Fidesz war seit dem EU-Beitritt
Ungarns 2004 und der Europawahl im selben Jahr Mitglied der EVP, der
auch CDU und CSU angehören. Nach jahrelangen Streitigkeiten verließ
der Fidesz die EVP, um einem drohenden Ausschluss zuvorzukommen. Die
Fidesz-Abgeordneten waren in der Folge fraktionslos geblieben.