Nach Putin-Gespräch: Orban schließt russischen Angriff auf Nato aus

08.07.2024 12:53

Der ungarische Regierungschef Orban sieht sich auf «Friedensmission»
für einen Waffenstillstand im Ukraine-Krieg. Verhandlungen über einen
möglichen Frieden will er aber nicht führen.

Berlin/Budapest (dpa) - Der ungarische Ministerpräsident Viktor Orban
hält es für ausgeschlossen, dass Russlands Präsident Wladimir Putin
einen Angriff auf die Nato beabsichtigt. «Kein ernsthafter Mensch
kann davon sprechen, dass Russland die Absicht hat, die Nato
anzugreifen», sagte Orban der «Bild»-Zeitung. Die Nato anzugreifen
sei - nicht nur für Russland, sondern für irgendjemanden auf der Welt
- völlig unmöglich, da sie die bei weitem stärkste
Militärgemeinschaft sei, sagte Orban.

Voraussetzung sei allerdings, dass die Einheit der Nato erhalten
bleibe und Artikel fünf des Nato-Vertrages von allen respektiert
werde. Dieser regelt die Beistandsverpflichtung in der Allianz und
besagt, dass ein bewaffneter Angriff gegen einen oder mehrere
Alliierte als ein Angriff gegen alle angesehen wird. Orban verwies
laut «Bild» zudem auf die vielen Probleme, die Russland an der Front
bereits mit der Ukraine habe.

Die Russen hätten eine andere Geschichte und Kultur sowie ein
unterschiedliches Verständnis von Freiheit und nationaler
Souveränität als die Europäer, sagte Orban weiter. «Aber sie sind
rational, sie sind hyperrational», meinte er. Auf den Einwand, dass
der Überfall auf die Ukraine nicht rational gewesen sei, entgegnete
er: «Irrationalität ist etwas anderes, als sich bei einer rationalen
Kalkulation zu verrechnen.» 

Orban: Stelle Fragen und sammle Informationen

Nach Besuchen in Kiew und in Moskau vergangene Woche war Orban am
Montag in China und traf Staats- und Parteichef Xi Jinping. Auf der
als «Friedensmission» inszenierten Reise hatte Orban neben dem
ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj auch Putin getroffen.

Über seine viel kritisierte Reise nach Moskau sagte Orban, dessen
Land seit Anfang Juli die EU-Ratspräsidentschaft innehat: «Die
EU-Ratspräsidentschaft kann es sich einfach nicht leisten, sich nicht
mit der Frage zu beschäftigen, wie man dem Frieden näher kommen
kann.» Er betonte, nicht zu verhandeln, weil er kein Mandat dazu
habe. «Ich versuche, den europäischen Staats- und Regierungschefs die
Chance auf einen Frieden vor Augen zu führen.» Er stelle Fragen,
sammele Informationen und werde darüber berichten.

Erneut Lobrede über Trump

Mit Blick auf die US-Präsidentschaftswahl im November sagte Orban, er
gehe davon aus, dass US-Präsident Joe Biden kein weiteres Mal ins
Weiße Haus einziehen werde. Er streute dem republikanischen
Präsidentschaftsbewerber Donald Trump gleichzeitig erneut Rosen. «Er
ist ein Geschäftsmann, er ist ein Self-Made-Mann, er hat eine andere
Herangehensweise an alles. Und ich glaube: Das ist gut für die
Weltpolitik», meinte Orban. «Vergessen wir nicht, dass er der Mann
des Friedens ist.» Während seiner vierjährigen Amtszeit habe Trump
keinen einzigen Krieg begonnen und viel getan, um Frieden in alten
Konflikten zu schaffen.

Trump und Orban halten regelmäßig öffentliche Lobreden übereinander
.
Orban war der einzige Regierungschef eines EU-Landes, der sich
bereits vor Trumps Wahl zum Präsidenten 2016 offen zur Unterstützung
des Republikaners bekannte. Die beiden Rechtspopulisten haben
politisch viel gemeinsam.