Scholz erleichtert über Wahlausgang in Frankreich

08.07.2024 17:30

Ein Rechtsruck beim großen Partner Frankreich? Die Wahl zur
Nationalversammlung in Paris ging anders aus als erwartet - sehr zur
Freude der Bundesregierung.

Berlin/Nürnberg (dpa) - Der ausgebliebene Durchmarsch der politischen
Rechten bei der Parlamentswahl in Frankreich lässt auch das
politische Berlin aufatmen. Kanzler Olaf Scholz (SPD) ist nach
eigenen Worten gemeinsam mit der gesamten Bundesregierung
«erleichtert» über den Wahlausgang. Es wäre eine große
Herausforderung gewesen, wenn sich Präsident Emmanuel Macron auf eine
Zusammenarbeit mit einer rechtspopulistischen Partei hätte einlassen
müssen, sagte Scholz am Rande eines Besuchs beim Bundesamt für
Migration und Flüchtlinge (Bamf) in Nürnberg. «Das ist jetzt
abgewandt.» 

SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert reagierte euphorischer: «Vielen ist

ein Stein vom Herzen gefallen - mir auch», sagte er im
ZDF-«Morgenmagazin». 

In der entscheidenden Wahlrunde zur Nationalversammlung am Sonntag
landete überraschend das Linksbündnis auf Platz eins und nicht das
als Favorit angesehene Rassemblement National (RN) von Marine Le Pen.
Dieses kam nur auf Platz drei - noch hinter dem Mitte-Lager von
Macron. 

Scholz hofft auf stabile Regierung in Paris

Scholz äußerte die Hoffnung, dass es Macron und den Abgeordneten
gelinge, eine stabile Regierung zu bilden. «Ich jedenfalls freue mich
auch im Hinblick auf die so wichtige deutsch-französische
Freundschaft, ganz persönlich darf ich sagen, ich freue mich auch im
Hinblick auf das gute persönliche Verhältnis, das ich mit dem
französischen Präsidenten habe.» 

Der Kanzler wies auch auf die Bedeutung des Wahlausgangs für die EU
hin. Es gehe um das Miteinander unter den 27 Ländern, aber auch um
die Weiterentwicklung und die Aufnahme neuer Länder. «Das geht nur
zusammen mit Frankreich», sagte Scholz. «Und deswegen ist das
Ergebnis die Grundlage dafür, dass wir dieser Aufgabe auch künftig
nachgehen können.» 

Habeck sieht Wahlergebnis als enorme Herausforderung

Auch Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) begrüßte den Wahlausgang. Ein

Durchmarsch der Rechten habe nicht stattgefunden, sagte der
Wirtschaftsminister. Das Ergebnis stelle eine enorme Herausforderung
dar - vor allem für Frankreich selbst, aber auch für Europa, das sich
gerade in der Phase der Neuaufstellung nach der Europawahl befinde,
und für das deutsch-französische Verhältnis. Er hoffe, dass
Frankreich in dieser schwierigen Zeit schnell wieder zu einer
Aufstellung finde, die man in Europa brauche. Ohne Frankreich gehe es
nicht.

Özdemir erleichtert - aber keine Sektkorken

Bundesagrarminister Cem Özdemir äußerte sich «sehr erleichtert»,
dass
das Rassemblement National nicht als Sieger aus der Wahl
hervorgegangen ist. «Aber ich würde jetzt auch nicht die Sektkorken
knallen lassen», sagte der Grünen-Politiker. Er äußerte sich besorg
t
mit Blick auf die Wirtschaftspolitik und «skurrile Ansichten» des
Gründers der Linkspartei, Jean-Luc Mélenchon, etwa zu Russland,
Deutschland und der Zukunft der Europäischen Union. Er hoffe daher,
dass die in der Mitte orientierten Parteien im Linksbündnis eine
«Koalition der Vernunft» bildeten.

Warnung vor weiter bestehenden Risiken

Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses des Bundestags, Michael
Roth, sieht in dem Wahlergebnis keinen Grund zur Entwarnung. «Der
Durchmarsch der Rechts-Nationalisten und Rechtsextremisten ist
gestoppt worden. Das ist ein großes Verdienst der Französinnen und
Franzosen», sagte der SPD-Politiker dem «Tagesspiegel». 

«Aber es ist noch viel zu früh, um Entwarnung zu geben, denn die
nationalistischen Populisten von rechts und links sind so stark wie
nie. Die Mitte ist so schwach wie nie. Damit ist Emmanuel Macron
krachend gescheitert.» Er habe «die politische Mitte geschreddert.»
Auch der stellvertretende FDP-Fraktionschef Michael Link warnte, in
Frankreich sei die Gefahr der Extreme von Rechts und Links alles
andere als gebannt. 

Deutsche Linke sieht Hoffnungszeichen auch für sich selbst

Die Linke in Frankreich habe glücklicherweise die Wahl gewonnen und
damit das Land vor der «Machtergreifung der extremen Rechten»
bewahrt, sagte der Linke-Vorsitzende Martin Schirdewan. «Das sollte
uns allen Mut geben. Frankreich ist hier ein Hoffnungszeichen für
Europa, aber auch für die deutsche Linke.»