EU-Kommission untersucht Corona-Hilfen für Lufthansa erneut Von Marek Majewsky und Christian Ebner, dpa

08.07.2024 15:15

Die Pandemie ist längst vorbei, doch noch einmal nimmt die EU die
Corona-Hilfen des deutschen Staats für den Lufthansa-Konzern unter
die Lupe. Auch andere Airlines müssen zittern.

Brüssel/Frankfurt (dpa) - Die EU-Kommission untersucht erneut die
Milliardenstaatshilfen für die Lufthansa während der Corona-Pandemie.
In einem vertieften Prüfverfahren soll geklärt werden, ob die längst

zurückgezahlten Hilfen des deutschen Staats aus dem Jahr 2020 im
Einklang mit europäischen Wettbewerbsregeln standen.

Hintergrund der Untersuchung ist ein Urteil des Gerichts der EU von
vor gut einem Jahr, das über Klagen der Lufthansa-Konkurrenten
Ryanair und Condor entschieden hatte. Die Richter in Luxemburg
urteilten damals, dass die Kommission die deutschen Staatshilfen im
Umfang von rund sechs Milliarden Euro nicht hätte genehmigen dürfen.
Den Beamten seien bei ihrer Beurteilung mehrere Fehler unterlaufen,
sodass die Genehmigung der Kommission für nichtig erklärt wurde. 

Auch andere Airlines betroffen 

Mit ähnlichen Urteilen sind auch die Staatshilfen der Niederlande und
Frankreichs für ihre miteinander verbundenen Airlines KLM und Air
France als rechtswidrig bewertet worden. Ob die Kommission wie bei
Lufthansa erneute Untersuchungen wegen der Urteile einleitet, ist
noch offen. Sämtliche Fluggesellschaften haben Rechtsmittel gegen die
jeweiligen Urteile eingelegt. 

Die Wettbewerbshüter hätten im Lufthansa-Fall genauer prüfen müssen
,
ob die Gesellschaft noch eigene Sicherheiten hatte, um sich selbst
Kredite zu verschaffen. Außerdem rügte das Gericht, dass die
Marktmacht der Lufthansa an mehreren Flughäfen zu niedrig geschätzt
wurde.

Neuerliche Untersuchung auch zur Marktmacht an Flughäfen

Jetzt überprüft die Kommission ihre Entscheidung nochmals und will
dabei besonders die Marktmacht der Lufthansa an den Flughäfen in Wien
und Düsseldorf berücksichtigen. Die Behörde betont aber, dass die
Einleitung einer Untersuchung noch nichts über deren Ergebnis
aussagt. 

Offen bleibt zunächst die Frage, welche Folgen ein anderes
Untersuchungsergebnis und eine neue Beihilfeentscheidung haben
könnten. Denkbar sind Nachforderungen zu Zinsen oder auch neuerliche
Auflagen wie die Abgabe von Start- und Landerechten (Slots) an den
beherrschten Flughäfen. 

Lufthansa hat neue Prüfung erwartet

Die Lufthansa hat bereits in ihrem Geschäftsbericht zum Jahr 2023
erklärt, dass sie mit einem förmlichen Prüfverfahren der EU rechne.
Am Montag verwies eine Sprecherin auf die vollständige Rückzahlung
der Hilfen. Die Stabilisierungsmaßnahmen seien bereits zum Zeitpunkt
des Urteils des europäischen Gerichts vollständig beendet gewesen. 

Die Reisebeschränkungen in der Pandemie hatten die Geschäfte der
Lufthansa nahezu zum Erliegen gebracht. In dem Konzern mit rund
138 000 Beschäftigten standen Zehntausende Arbeitsplätze auf der
Kippe. Deswegen unterstützte die Bundesregierung im Frühjahr 2020 die
größte deutsche Fluggesellschaft. 

Staatshilfen nicht vollständig abgerufen - Inzwischen komplett
zurückgezahlt

Deutschland, Österreich, die Schweiz und Belgien hatten dem
Lufthansa-Konzern insgesamt neun Milliarden Euro Hilfen zugesagt, die
aber nicht vollständig abgerufen wurden. Der Löwenanteil der Summe
stammte aus Deutschland, dem Heimatland der Lufthansa. Sechs
Milliarden Euro einschließlich eines 20-prozentigen Aktienpakets und
stillen Beteiligungen entfielen auf den bundeseigenen
Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF), während die staatliche
KfW-Bank einen Kredit über eine Milliarde Euro beisteuerte. Die
europäischen Partner sind erst zu einem späteren Zeitpunkt dem
Hilfspakt beigetreten.

Der gerettete Konzern hatte die Hilfen bis Ende 2022 vollständig
zurückgezahlt und teils mit eigenen Schulden ersetzt. Er sei lieber
am Markt als beim Steuerzahler verschuldet, hatte Lufthansa-Chef
Carsten Spohr dazu erklärt. Der deutsche Staat hat unter dem Strich
kein Geld verloren, sondern sogar einen Gewinn von rund 760 Millionen
Euro aus Zinsen und Aktienverkäufen erzielt.