Neue rechte Fraktion im EU-Parlament gründet sich - ohne AfD Von Marek Majewsky, dpa

08.07.2024 17:18

Die Rechtsausleger im Europaparlament schließen sich zu einer neuen
Fraktion zusammen. Die Idee geht auch auf einen Politiker zurück, der
aktuell eine wichtige Position in der EU einnimmt.

Brüssel (dpa) - Das von Ungarns Ministerpräsidenten Viktor Orban vor
knapp einer Woche aus der Taufe gehobene Rechtsbündnis «Patrioten für

Europa» bildet eine neue Fraktion im Europaparlament. Neben Orbans
Partei Fidesz sind unter anderem das rechtsnationale Rassemblement
National aus Frankreich, die an Italiens Regierung beteiligte
nationalistische Lega und die einwanderungsfeindliche FPÖ aus
Österreich Teil der Fraktion, wie Vertreter des neuen
Zusammenschlusses nach der Gründungssitzung in Brüssel sagten. Die
deutsche AfD wird vorerst kein Mitglied sein.

Fraktionschef soll der Franzose Jordan Bardella werden. Nun muss die
Fraktion Parlamentspräsidentin Roberta Metsola über die Gründung
informieren. Offiziell bestätigt wird sie dann voraussichtlich bei
der kommenden Plenarsitzung nächste Woche in Straßburg. Für die
Gründung einer Fraktion im Europaparlament sind mindestens 23
Abgeordnete aus mindestens 7 Ländern erforderlich. Die neue Fraktion
wird nach eigenen Angaben die drittstärkste hinter Sozialdemokraten
und dem mitte-rechts Bündnis EVP sein, zu dem auch CDU und CSU
zählen. Nach eigener Rechnung umfasst die Fraktion 84 Abgeordnete.
Sie setzt sich aus Abgeordneten aus zwölf Ländern zusammen. 

Orban, zugleich Vorsitzender der ungarischen Regierungspartei Fidesz,
der Chef der rechten österreichischen FPÖ, Herbert Kickl, und der
Vorsitzende der populistischen tschechischen ANO, Andrej Babis,
hatten vor gut einer Woche in Wien das Bündnis «Patrioten für Europa
»
angekündigt. Die neue Fraktion soll laut Orban Europa «auch gegen den
Willen der Brüsseler Eliten verändern». Orban hatte erst jüngst mit

einer Reise nach Moskau die Kritik vieler EU-Staaten auf sich
gezogen. Ungarn übernahm am 1. Juli den alle sechs Monate rotierenden
EU-Ratsvorsitz.

Ein «Patriotisches Manifest» des Bündnisses beinhaltet die bekannten

Positionen rechter, rechts-populistischer und rechtsextremer
Parteien: Ablehnung von Migration und «Green Deal», keine
Unterstützung der von Russland angegriffenen Ukraine sowie Rückbau
der Integration in der EU zwecks Stärkung der Souveränität der
Nationalstaaten. 

Zusammenschluss vieler Rechtsaußenparteien 

Die FPÖ ist in Österreich seit Jahrzehnten etablierte politische
Kraft und aktuell auf dem Höhenflug. Dank ihrer
Anti-Migrations-Haltung haben die Rechtspopulisten bei der
Nationalratswahl im Herbst gute Chancen, auf Platz eins zu landen.
Der ANO-Gründer, Ex-Ministerpräsident und Milliardär Andrej Babis
suchte bereits seit längerem den Schulterschluss mit Viktor Orban.
Wären heute Parlamentswahlen in Tschechien, würde die populistische
ANO mit Abstand stärkste Kraft werden. 

Das Rassemblement National von Marine Le Pen wurde bei der Europawahl
mit deutlichem Vorsprung stärkste Kraft in Frankreich. In der
darauffolgenden Neuwahl des französischen Parlaments landeten die
Rechtsnationalen allerdings unerwartet nur auf dem dritten Platz.
Seit Jahren ist Le Pen bemüht, das RN zu «entteufeln», und von seiner

rechtsextremen Geschichte und der Holocaust-Verharmlosung des
Parteigründers Jean-Marie Le Pen zu entkoppeln. Damit hat sie die
Partei bis weit in die bürgerliche Mitte hinein wählbar gemacht.

Die Partei Fidesz regiert in Ungarn seit 2010 ununterbrochen. Sie
musste bei der Europawahl deutlich Federn lassen, ist aber dennoch
stärkste Partei geblieben. Die Rechtspopulisten stellen sich gegen
die Aufnahme von Flüchtlingen und steht etwa wegen eines Abbaus des
Rechtsstaats, Klientelismus und Gängelung der freien Medien in der
Kritik. 

Seit Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine wurde die
Kremlfreundlichkeit des Parteichefs und Ministerpräsidenten Orban
immer deutlicher, vor wenigen Tagen auch durch seinen überraschenden
Besuch bei Putin. 

Auch Parteien aus Italien, Spanien und der Niederlande dabei

Die Lega von Italiens Vize-Ministerpräsident Matteo Salvini ist seit
Oktober 2022 zusammen mit zwei anderen Rechtsparteien in Rom an der
Regierung. Der Rechtspopulist Salvini wurde in früheren Jahren als
Innenminister durch ein äußerst hartes Vorgehen gegen Flüchtlinge auf

dem Mittelmeer und gegen Hilfsorganisationen bekannt. Seine Hoffnung,
Ministerpräsident zu werden, erfüllte sich bislang nicht. Bei der
Europawahl stürzte die Lega von 34 Prozent (2019) auf nur noch neun
Prozent ab.

Vox ist in Spanien in der Opposition und will ein Europa «freier und
souveräner Vaterländer». Die Partei propagiert Stolz auf die eigene
Nation, Bevorzugung heimischer Produkte, Einschränkung des
Freihandels und Beendigung illegaler Einwanderung. Zudem fällt sie
durch Diffamierung von Einwanderern auf, die oft als kriminell und
nur an Sozialleistungen interessiert beschrieben werden. Die
traditionelle Familie soll Keimzelle eines Staates sein, der straff
zentralistisch geführt wird und nur die nationalen Interessen im
Augen haben soll. 

Auch aus weiteren kleineren EU-Ländern wollen Parteien mitmachen.
Dazu zählt etwa die radikal-rechte Partei des Niederländers Geert
Wilders, die rechtspopulistische Dänische Volkspartei und Belgiens
radikal rechter Vlaams Belang. Zudem hat die 2019 gegründete
rechtspopulistische Partei Chega (Es reicht) aus Portugal ihr
Interesse bekundet. 

Die AfD bleibt außen vor

Die deutsche AfD, die vor der Europawahl aus der
rechtsnationalistischen Fraktion ID ausgeschlossen worden war, sieht
zunächst ihren Platz nicht in den Reihen der neuen Allianz um Orban.
AfD-Chefin Alice Weidel hatte dies am letzten Dienstag
ausgeschlossen. Man sei im Austausch, aber momentan sei das keine
Option. Sie sprach von einem strategisch langfristigen Projekt. «Wir
sind in Freundschaft verbunden, wir haben unglaubliche inhaltliche
Schnittmengen, aber sowohl die eine als auch die andere Partei
unterliegt politischen und auch außenpolitischen und
außenwirtschaftlichen Zwängen, auf die wir momentan Rücksicht nehmen

müssen», sagte die AfD-Chefin auf die Frage, ob ihre Partei in dem
Bündnis nicht gewollt sei.

Voraussichtlich drittstärkste Kraft im Parlament 

Der Vorsitzende der deutschen SPD-Abgeordneten, René Repasi, sieht in
dem neuen Bündnis vor allem eine Schwächung von Italiens
Regierungschefin Giorgia Meloni. Ihre Partei gehört der
rechtskonservativen Fraktion EKR an, die wegen des neuen rechten
Bündnisses nicht mehr die Drittstärkste Kraft stellt.