EuGH stärkt Rechte von Pauschalreisenden Von Marek Majewsky und Frank Johannsen, dpa

29.07.2024 14:05

Corona war eine Tortur für den Tourismus. Hotelanlagen schlossen,
Reisende sagten ihren Urlaub ab. In bestimmten Fällen macht der EuGH
nun Verbrauchern Hoffnung auf Entschädigung.

Luxemburg (dpa) - Der EuGH stärkt die Hoffnung von Verbraucherinnen
und Verbrauchern, in bestimmten Fällen Geld nach der Insolvenz ihres
Reiseveranstalters zurückzubekommen. Der Europäische Gerichtshof
(EuGH) in Luxemburg entschied, dass eine Absicherung gegen die
Insolvenz eines Veranstalters auch dann greifen kann, wenn der
Verbraucher aufgrund «unvermeidbarer und außergewöhnlicher Umstände

von seiner Reise zurücktritt und der Reiseveranstalter nach diesem
Rücktritt insolvent wird».

Es gebe keinen Grund, Reisende, deren Urlaub abgesagt wird, weil der
Veranstalter pleite ist, anders zu behandeln als Reisende, die wegen
«unvermeidbarer und außergewöhnlicher Umstände» von ihrer Reise
zurückgetreten seien. EU-Recht sehe vor, dass ein Verbraucher, der
seine Pauschalreise wegen «unvermeidbarer und außergewöhnlicher
Umstände» nicht antritt, Anspruch auf volle Erstattung hat.

Fälle aus Österreich und Belgien

Hintergrund des Urteils sind Fälle aus Belgien und aus Österreich -
in beiden waren die Betroffenen wegen der Covid-Pandemie von ihren
für 2020 geplanten Reisen zurückgetreten. Kurz darauf ging der
Reiseveranstalter insolvent. Im österreichischen Fall klagten die
Verbraucher daraufhin gegen HDI, den Versicherer des
Reiseveranstalters. HDI wandte laut Gerichtshof ein, nichts erstatten
zu müssen, weil die Reise wegen Corona und nicht wegen der Insolvenz
abgesagt worden sei. Dieser Argumentation folgte der EuGH nicht. Zum
aktuellen Urteil äußerte sich HDI bisher nicht.

In beiden Fällen müssen nun nationale Gerichte eine finale
Entscheidung treffen und dabei das Urteil des EuGH beachten. Laut
EU-Recht sollen die Mitgliedsstaaten gewährleisten, dass
Pauschalreisende in vollem Umfang vor der Insolvenz des Veranstalters
geschützt sind.

Erst jüngst Hunderttausende von Pleite betroffen

Wenn ein Reiseveranstalter sein Geschäft vor die Wand fährt, ist das
für zahlreiche Verbraucherinnen und Verbraucher ein Problem. Jüngst
hatte etwa die Pleite des Münchener Reiseveranstalters FTI die
Branche erschüttert. Der bisher drittgrößte deutsche Veranstalter
nach Tui und DER Touristik, hatte Anfang Juni Insolvenz angemeldet
und kurz danach alle bereits gebuchten Reisen storniert.

Anders als in den nun vor dem EuGH verhandelten Fällen waren
Pauschalreisende hier über den 2021 gestarteten Deutschen
Reisesicherungsfonds (DRSF) abgesichert. «Bis zum Herbst soll die
Mehrzahl der Erstattungen geleistet sein», hatte eine Sprecherin
Anfang Juni angekündigt.

Betroffen waren bei FTI nach Angaben des DRSF insgesamt 250.000
Pauschalreisen, die storniert wurden. Hinzu kämen 60.000
Pauschalreisende, die bei der Insolvenz bereits mit FTI im Urlaub
waren. Zahlungen, die Betroffene vor Ort leisten mussten, um bereits
begonnene Reisen fortzusetzen, könnten nun ebenfalls erstattet
werden. Zur Höhe der insgesamt fälligen Entschädigungssumme machte
der Fonds bisher keine Angaben.

Der Reisesicherungsfonds hatte nach der FTI-Pleite andere
Veranstalter wie Tui und DER Touristik beauftragt, gestrandete
FTI-Urlauber zu betreuen, damit sie ihren Urlaub fortsetzen können.
Die überwiegende Zahl der Reisenden habe ihre Reise dadurch wie
geplant zu Ende führen können, hieß es. Die dafür fälligen Kosten

überweise der Fonds direkt an den jeweiligen Veranstalter.

Bei Thomas-Cook-Insolvenz nur Bruchteil ersetzt 

Über den DRSF sind bei Pauschalreisen bereits geleistete Zahlungen
gegen eine Insolvenz des Veranstalters abgesichert. Der Schutz gilt
nicht für einzeln gebuchte Reisebausteine wie reine Hotelbuchungen.
Auch für einzeln gebuchte Flüge oder Mietwagen gibt es keine
Erstattung aus dem Fonds.

Der von der deutschen Touristikwirtschaft organisierte und vom
Bundesjustizministerium beaufsichtigte Fonds war als Reaktion auf die
Insolvenz des Reisekonzerns Thomas Cook im September 2019 ins Leben
gerufen worden und nahm 2021 seine Arbeit auf.

Zuvor waren Reisende in Deutschland nur über eine Versicherung, die
die Veranstalter abschlossen, gegen Insolvenzausfälle abgesichert.
Bei der Pleite von Thomas Cook zeigte sich dann aber, dass dieser
Schutz nicht ausreichte. Die Versicherung hatte wegen der
Haftungsbeschränkung auf 110 Millionen Euro damals nur einen
Bruchteil der Kosten ersetzt, der Staat sprang mit Millionen ein. Der
DRSF wurde dagegen auf 750 Millionen Euro angelegt und speist sich
aus Einzahlungen der Veranstalter.