EU-Chefdiplomat legt Vorschlag für Israel-Sanktionen vor

29.08.2024 04:15

Äußerungen israelischer Regierungspolitiker haben jüngst weltweit f
ür
Entsetzen gesorgt. Kurz vor einem Außenministertreffen in Brüssel
macht nun der Außenbeauftragte der EU einen brisanten Vorschlag.

 

Brüssel (dpa) - Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell hat den
Regierungen der 27 EU-Staaten einen Vorschlag für Sanktionen gegen
israelische Regierungsmitglieder unterbreitet. Bestraft werden sollen
demnach Finanzminister Bezalel Smotrich und Polizeiminister Itamar
Ben-Gvir, wie mehrere EU-Beamte der Deutschen Presse-Agentur kurz vor
einem EU-Außenministertreffen an diesem Donnerstag bestätigten. 

Sowohl Smotrich als auch Ben-Gvir sorgten zuletzt mit Äußerungen
gegen Palästinenser für Empörung und sind rechtsextreme
Koalitionspartner von Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu.
Zudem sind beide Verfechter der aus Sicht des höchsten UN-Gerichts
illegalen Siedlungspolitik in besetzten Gebieten im Westjordanland.

Ben-Gvir hatte sich zuletzt unter anderem dafür ausgesprochen,
Hilfslieferungen in den Gazastreifen zu stoppen, um die dort
herrschende Terrororganisation Hamas zum Aufgeben zu bewegen. Ähnlich
äußerte sich Finanzminister Smotrich. Er bezeichnete eine mögliche
Blockade von Hilfsgütern bis zur Freilassung aller israelischen
Geiseln der Hamas als moralisch und gerechtfertigt, selbst wenn dies
den Hungertod von zwei Millionen Menschen im Gazastreifen bedeute.

Die Hamas hat nach israelischer Zählung derzeit noch 107 Geiseln in
ihrer Gewalt. Mindestens ein Drittel davon gilt als tot. Insgesamt
verschleppten palästinensische Terroristen am 7. Oktober vergangenen
Jahres mehr als 250 Menschen aus Israel in das Küstengebiet. Rund
1.200 Menschen wurden bei dem beispiellosen Terroranschlag getötet.
Israels Armee reagierte mit verheerenden Angriffen in Gaza, bei denen
nach palästinensischen Angaben bereits mehr als 40.000 Menschen
getötet wurden. 

Dem Vorstoß Borrells zufolge könnten die Sanktionen gegen Smotrich
und Ben-Gvir wegen Aufstachelung zu Hass und
Menschenrechtsverletzungen verhängt werden. Demnach müssten von ihnen
in der EU vorhandene Vermögenswerte eingefroren werden und sie
dürften nicht mehr in die EU einreisen.

Ob und wenn ja, wann der Vorschlag umgesetzt wird, ist allerdings
noch unklar. Hintergrund ist, dass Sanktionsbeschlüsse in der
Europäischen Union einstimmig gefasst werden müssen und Länder wie
Deutschland, Tschechien und Ungarn Sanktionsforderungen gegen Israel
bislang eher kritisch gegenüberstanden. 

Als ein Argument gegen eine Sanktionierung der Minister nennen
Diplomaten in Brüssel die anhaltenden Bemühungen um eine Deeskalation
des Konflikts im Nahen Osten. Vor diesem Hintergrund könne es
kontraproduktiv sein, durch Sanktionen Gesprächskanäle in die
israelische Regierung zu gefährden, heißt es. Bislang hat die EU nur
Sanktionen gegen einige radikale israelische Siedler und deren
Strukturen verhängt.

Israels Außenminister: «Israelfeindliche Entscheidungen» verhindern
 

Der israelische Außenminister Israel Katz schrieb unterdessen am
Abend auf der Plattform X: «Wir arbeiten unermüdlich mit unseren
europäischen Verbündeten zusammen, um israelfeindliche Entscheidungen
auf dem morgigen Treffen der EU-Außenminister zu verhindern, die von
israelfeindlichen Elementen vorangetrieben werden.» Angesichts einer
Bedrohung Israels durch den Iran und «seine stellvertretenden
Terrororganisationen» müsse die freie Welt an der Seite Israels
stehen und dürfe sich nicht gegen das Land wenden.

Druck auf die EU wächst

Die Forderungen nach einem Kurswechsel der EU im Umgang mit Israel
wurden zuletzt lauter. So forderte die Menschenrechtsorganisation
Amnesty International kurz vor dem EU-Außenministertreffen scharfe
europäische Sanktionen wegen der israelischen Siedlungspolitik. 

In einem Brief an die Teilnehmer spricht sich Amnesty International
für ein umfassendes Waffenembargo und ein Verbot von Investitionen in
bestimmte israelische Unternehmen und Banken aus. Zudem empfiehlt die
Organisation, in der EU den Handel mit Gütern aus israelischen
Siedlungen in besetzten Gebieten zu verbieten. Auch Ost-Jerusalem
solle dabei eingeschlossen werden.

Als Grund für ihre Forderungen nennen die Menschenrechtler das im
Juli veröffentlichte Gutachten des Internationalen Gerichtshofs (IGH)
zur israelischen Besatzung der palästinensischen Gebiete. In diesem
vertritt das höchste UN-Gericht die Auffassung, dass Israels
Besatzung illegal ist und so schnell wie möglich beendet werden muss.

Israel hatte das Westjordanland, den Gazastreifen und Ost-Jerusalem
im Sechstagekrieg von 1967 erobert und besetzt. Die Palästinenser
beanspruchen diese Gebiete für einen eigenen Staat. 2005 räumte
Israel zwar den Gazastreifen, es kontrollierte aber weiter die
Grenzen zu Land, Luft und im Wasser. Der Gaza-Krieg nach dem
Hamas-Massaker am 7. Oktober 2023 hat die Spannungen noch einmal
deutlich verschärft.