EU-Kommission: Mehr Infos zu Ungarns Sonderregeln für Russen
04.09.2024 16:35
Der Ärger um ungarische Sonderregeln für Gastarbeiter aus Russland
geht weiter: Während die EU-Kommission mehr Antworten aus Budapest
will, verweist die dortige Regierung auf andere Länder.
Brüssel (dpa) - Die EU-Kommission verlangt im Streit um ungarische
Einreise-Sonderregeln für Gastarbeiter aus Russland und Belarus mehr
Informationen der Regierung in Budapest. In einer ersten Antwort auf
zuvor gestellte Fragen habe die Regierung von Viktor Orban zwei
Aspekte im Unklaren gelassen, sagte EU-Innenkommissarin Ylva
Johansson in Brüssel. «Erstens: Warum? Warum hält die ungarische
Regierung eine solche Regelung in der derzeitigen politischen
Situation für notwendig oder angemessen?», fragte sie. Die erwarteten
wirtschaftlichen Vorteile für Ungarn seien begrenzt und stünden
angesichts der russischen Invasion in der Ukraine in keinem
Verhältnis zu den potenziellen Auswirkungen auf die Sicherheit im
Schengen-Raum.
Zweitens scheine es, dass die Kontrollen von Russen und Weißrussen
trotz des erhöhten Risikos nicht anders ablaufen als bei anderen
Staatsangehörigen, sagte Johansson. Sie habe daher einen neuen Brief
nach Budapest geschickt, mit der Bitte um weitere Erklärungen.
Ungarn weist die Vorwürfe von sich
In Ungarn gibt es seit längerem für Gastarbeiter Sonderregeln. Sie
galten bisher allerdings nur für Ukrainer und Serben und wurden erst
im Juli ausgeweitet. Und zwar auf Personen aus Russland und dessen
Partnerland Belarus. EU-Innenkommissarin Johansson hatte bereits
damals Bedenken geäußert. Ungarn müsse sicherstellen, dass Russen,
die Spionage betreiben oder andere Sicherheitsbedrohungen darstellen
könnten, durch entsprechende Überprüfungen davon abgehalten werden,
in die EU zu reisen.
Die ungarische Regierung verteidigt die Sonderregel vehement. Es gebe
keinerlei Rechts- und Sicherheitsprobleme, sagte Ungarns Minister für
EU-Angelegenheiten, Janos Boka in Brüssel. Die EU-Kommission und die
Mitgliedstaaten hätten vor der Ausweitung auf Russland und Belarus
auch keine Einwände gegen die Sonderregel gehabt. Außerdem seien in
den vergangenen zwei Monaten lediglich zehn Genehmigungen für
russische Bürger und vier Genehmigungen für belarussische Bürger
ausgestellt worden.
Statistischer Vergleich mit anderen EU-Ländern
Nach Zahlen des Statistikamts Eurostat in Luxemburg haben 21.984
russische Staatsangehörige 2023 einen erstmaligen Aufenthaltstitel in
Deutschland erhalten - damit liegt die Bundesrepublik im EU-Vergleich
auf Platz 1. In Ungarn waren es 2.986 russische Staatsangehörige.
Den Zahlen zufolge führt Polen die Liste bei den belarussischen
Staatsangehörigen an, mit 255.595 erstmaligen Aufenthaltstiteln 2023.
In Ungarn waren es 270 Belarussen.
Orbans umstrittene Beziehungen zu Moskau
Tatsächlich pflegt die Regierung des Rechtspopulisten Viktor Orban
auch seit des Beginns des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine
vor zweieinhalb Jahren gute Beziehungen zu Moskau. Erst im Juli hatte
Kremlherr Wladimir Putin den ungarischen Regierungschef empfangen.