Rechnungshof: Corona traf EU teilweise unvorbereitet
04.09.2024 17:00
Anfang 2020 breitete sich das Corona-Virus weltweit aus. Eine der
zuständigen EU-Behörden hielt die Einschleppung des Virus in die EU
nur Wochen vor dem ersten Fall in der EU für nicht wahrscheinlich.
Luxemburg/Brüssel (dpa) - Beim Ausbruch des Corona-Virus in Europa
sind die zuständigen medizinischen Agenturen der EU nicht ausreichend
auf eine anhaltende Pandemie vorbereitet gewesen. Das Europäische
Zentrum für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten (ECDC)
hat den Ernst der Lage zunächst unterschätzt, wie aus einem
Sonderbericht des Europäischen Rechnungshofs (EuRH) hervor geht.
Das ECDC, das für die Erkennung und Bewertung von
Gesundheitsbedrohungen zuständig ist, hatte noch am 9. Januar eine
Einschätzung veröffentlicht, wonach eine Einschleppung des Virus in
die EU für nicht sehr wahrscheinlich gehalten wurde. Rund zwei Wochen
später gab es die ersten bestätigten Fälle in der EU. Das ECDC habe
zudem erst am 12. März 2020 eingeräumt, dass unverzüglich Maßnahmen
nötig seien, drei Tage nachdem Italien bereits einen nationalen
Lockdown verhängt habe.
Fehlende Teststrategie
Risikobewertungen, Leitlinien und für die Öffentlichkeit bestimmte
Informationen seien mitunter zu spät herausgegeben worden, urteilt
der Rechnungshof in seinem Bericht. Die Arbeit des Zentrums sei
außerdem durch eine fehlende EU-weite Teststrategie und einen
fehlenden Ansatz für die Zuordnung von coronabedingten Todesfällen
erschwert worden. Daraus folgte den Angaben zufolge eine geringe
Qualität der Daten. Zuverlässigere Methoden wie Analysen der
Viruskonzentrationen im Abwasser hätten häufiger eingesetzt werden
können, betonen die Prüfer.
Die Europäische Arzneimittel-Agentur (EMA), die für die Zulassung
neuer Arzneimittel zuständig ist, reagierte laut Angaben des
Rechnungshofs im Allgemeinen zwar gut auf die Pandemie, versäumte
aber, klinische Versuche in der EU zu fördern.
Lehren aus der Pandemie ziehen
«Wie viele andere Einrichtungen auch wurden die medizinischen
Agenturen der EU von der Wucht der sich rasch ausbreitenden
Corona-Pandemie überrascht», sagt João Leão vom Europäischen
Rechnungshof. Zwar hätten das ECDC und die EMA die Situation
letztlich gut bewältigt, doch habe die Pandemie die bestehenden
Mängel und Lücken sichtbar gemacht. Beide Einrichtungen bräuchten
einen «Booster».
«Vier Jahre später müssen die aus der Pandemie gezogenen Lehren nun
wirksam auf EU-Ebene umgesetzt werden, damit sich die Geschichte
nicht wiederholt», sagt Leão. Einige der seitdem ergriffenen
Maßnahmen, wie etwa neue Arzneimittelvorschriften, begrüßt der
Rechnungshof.
Die Schaffung einer dritten medizinischen Agentur habe den
organisatorischen Rahmen mit sich überschneidenden Zuständigkeiten
aber noch komplexer gemacht. 2021 war die Europäische Behörde für die
Krisenvorsorge und -reaktion bei gesundheitlichen Notlagen (HERA)
eingerichtet worden. Zuständigkeiten überschnitten sich laut Angaben
des Rechnungshofs jedoch teilweise mit denen des ECDC. Die Prüfer
fordern daher eine enge Zusammenarbeit, um Doppelarbeit zu vermeiden.