gestrichen - dem wurde von einer glaubwürdigen Quelle widersprochen) Merz-Ultimatum sorgt für Ärger - Bundesregierung prüft Zurückweisungen
05.09.2024 12:48
Sollen Migranten künftig an den deutschen Grenzen zurückgewiesen
werden? Und wenn ja: Wie ginge das rechtlich? Die Prüfungen laufen.
Berlin (dpa) - Die Union pocht auf eine schnelle Entscheidung der
Regierung über ihre Forderung nach Zurückweisungen von Migranten an
den deutschen Grenzen. Auch Politiker der Koalitionspartei FDP
setzten sich dafür ein. Bei Grünen und SPD sorgt das Ultimatum
allerdings für Irritationen. Derweil werden Details der laufenden
Prüfungen bekannt.
Am Dienstag hatten die Ampel, die Union als größte Oppositionskraft
und die Bundesländer über Migration und innere Sicherheit beraten.
Merz sagte danach, dass die Union und die von CDU und CSU regierten
Bundesländer nur in weitere Gespräche gehen wollten, wenn Migranten
an den deutschen Grenzen zurückgewiesen werden. Am Mittwochabend
legte er nach und setzte eine Frist bis nächsten Dienstag für eine
«verbindliche Erklärung» der Bundesregierung.
Was geprüft wird
Eine Option, die die Bundesregierung nun untersucht: Ob Flüchtlinge
an der deutschen Grenze zurückgewiesen werden können, die schon
anderswo in Europa registriert wurden. Das wurde der Deutschen
Presse-Agentur aus Regierungskreisen bestätigt. Zuvor hatte die
«Bild»-Zeitung darüber berichtet. Es soll sich aber nur um einen
möglichen Weg unter mehreren handeln, die derzeit in Prüfung seien.
Bereits jetzt werden Menschen an den Abschnitten der deutschen Grenze
zurückgewiesen, an denen Kontrollen stattfinden. Seit dem vergangenen
Oktober geschah dies laut Bundesinnenministerium in mehr als 30.000
Fällen. Seit Mitte Oktober 2023 gibt es Kontrollen an den Grenzen zu
Polen, Tschechien und der Schweiz, bereits seit September 2015 an der
deutsch-österreichischen Grenze. Zurückweisungen sind bisher möglich,
falls jemand nicht Asyl beantragt oder wenn eine Einreisesperre gegen
ihn oder sie vorliegt.
FDP macht Druck, SPD und Grüne verwahren sich gegen Frist
Die FDP macht Druck auf den dritten Ampel-Koalitionspartner, die
Grünen. «Die Grünen irren, wenn sie erklären, dass Zurückweisunge
n an
der Grenze rechtlich nicht möglich sind», sagte Parteivize Wolfgang
Kubicki der «Rheinischen Post». «Die Grünen dürfen hier nicht
blockieren», sagte FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai der «Bild».
«Wer konstruktive Lösungen bei diesem Thema blockiert, gefährdet die
Sicherheit des Landes und ist letztlich nicht regierungsfähig.»
SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert kritisierte in der ARD-Sendung
«Maischberger», Merz sollte «nicht den Eindruck vermitteln, dass die
in zwei Wochen nahende Brandenburger Landtagswahl jetzt zu einem
allzu unrealistischen Tempo bei ihm führt». Er sei «nicht geneigt und
nicht gewillt, auf diese Forderung oder von mir aus auch Provokation
an der Stelle einzugehen».
Auch Grünen-Fraktionschefin Britta Haßelmann will sich auf das
Merz-Ultimatum nicht einlassen. «Ich halte von dieser
Ultimatenpolitik überhaupt nichts. Ich verstehe das Agieren von
Friedrich Merz an dieser Stelle wirklich nicht», sagte sie dem
Radiosender Bayern 2. Haßelmann kritisierte, Merz habe sich bisher
verweigert, über Fragen der inneren Sicherheit zu sprechen. Zudem
sagte sie, es sei wichtig, über Vorschläge zu beraten, die mit dem
Grundgesetz und dem europäischen Recht vereinbar seien.
Diskussion um Rechtsfragen
Die SPD-Innenministerin von Niedersachsen, Daniela Behrens, zeigt
sich offen für den Vorschlag, bestimmte Migranten an den Grenzen
zurückzuweisen. «Meine Meinung ist: Wenn es rechtlich möglich sein
sollte - und das muss sehr gründlich geprüft werden - dann sollten
wir es tun», sagte sie dem Nachrichtenportal «t-online». «Ich denke
,
dahinter können sich die SPD-Länder versammeln.» Möglicherweise sei
dies auch ein wichtiges Signal an die anderen EU-Länder, damit der
Solidaritätsmechanismus wieder mehr greife.
Die Grünen-Innenpolitiker Irene Mihalic hatte Zurückweisungen von
Asylsuchenden an der Grenze als europarechtlich nicht zulässig
eingestuft. Der Rechtswissenschaftler Constantin Hruschka vertritt
die gleiche Position: «Eine direkte Zurückweisung von Personen, die
einen Asylantrag stellen oder bereits in einem anderen europäischen
Staat einen Asylantrag gestellt haben, ist nicht zulässig», sagte der
Professor der Evangelischen Hochschule in Freiburg dem
Redaktionsnetzwerk Deutschland.
«Die Dublin-Verordnung sieht vor, dass Asylbewerber nur in das Land
überstellt werden dürfen, das für die Bearbeitung ihres Asylantrags
zuständig ist», sagte er. «Sie dürfen deshalb nicht einfach in ein
Nachbarland zurückgeschickt werden. Und die Rücküberstellung darf
auch nur innerhalb eines vorgegebenen Verfahrens stattfinden.»
FDP-Parteivize Wolfgang Kubicki betonte dagegen, Paragraf 18 des
Asyl-Gesetzes sehe Zurückweisungen vor. «Da die Dublin-Verordnung
keine explizite Aussage darüber trifft, ob Zurückweisungen von
Asylsuchenden an den Binnengrenzen zulässig sind, gilt die
entsprechende nationale Regelung.» Nach den Dublin-Regeln ist
normalerweise jenes Land für ein Asylverfahren zuständig, in dem ein
Migrant in Europa angekommen ist.
Mützenich: «Keine Denkverbote»
SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich sagte der Deutschen Presse-Agentur,
man habe das Ziel, «gemeinsam mit der Union in Bund und Ländern zu
einem rechtssicheren Gesamtpaket Migration zu kommen». Er fügte
hinzu: «Dabei gibt es für uns keine Denkverbote.» Konkreter wurde er
allerdings nicht. Er kündigte zugleich an, dass die SPD-Fraktion
bereits in der kommenden Woche im Bundestag erstmals über das von der
Ampel-Regierung beschlossene Sicherheitspaket beraten will.
Die Regierung hatte sich vergangene Woche als Reaktion auf den
Messeranschlag von Solingen darauf verständigt, das Waffenrecht zu
verschärfen, die Kompetenzen der Sicherheitsbehörden auszuweiten und
weitere Maßnahmen zur Beschränkung der illegalen Migration zu
ergreifen. Das Bundesinnenministerium hatte am Mittwoch angekündigt,
in den nächsten Tagen Gesetzestexte zur Umsetzung vorzulegen.